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Debatte Wahlen in UngarnRuhig Blut

Ralf Leonhard
Kommentar von Ralf Leonhard

Die Erfahrung zeigt, dass sich auch die rabiatesten Rebellen mäßigen, sind sie erst einmal an der Macht. Das wird auch in Ungarn so sein.

V iktor Orbán hat jahrelang mit seiner radikalen Rhetorik eine geradezu hasserfüllte Stimmung gegen die eben abgewählten Sozialdemokraten geschürt. Dass die politischen Gräben zwischen den weltanschaulichen Lagern in keinem anderen Land Europas tiefer sind, ist sein Verdienst. Und seine Rechnung ist jetzt vorerst aufgegangen. Orbán wird mit einer Machtfülle regieren können, die die Opposition schaudern lässt.

Wenn der neue Premier all das wahrzumachen versucht, was er in seinen Brandreden versprochen hat, dann haben Andersdenkende tatsächlich Grund zum Fürchten. Die Erfahrung zeigt aber, dass sich auch die rabiatesten Rebellen mäßigen, wenn sie einmal an der Macht sind. In Ungarn kann Orbán mit seiner Zweidrittelmehrheit im Parlament zwar fast unumschränkt herrschen, doch die Europäische Union, der das Land vor sechs Jahren mit großer Begeisterung beigetreten ist, hat allen ihren Mitgliedern längst ein enges Korsett angelegt.

Orbáns Gelöbnis, nie würde ein Fremder in Ungarn Ackerland erwerben dürfen, verstößt ganz klar gegen die Richtlinien der EU. Und sein Plan, die Angehörigen der ungarischen Minderheit in den vom Trianon-Vertrag vor neunzig Jahren abgetrennten Gebieten mit Pässen auszustatten, würde die ohnehin schon gespannten Beziehungen zu Rumänien und der Slowakei weiter belasten. Ebenso wie den Haushalt. So ist die Frage, ob der Pass auch ein Anspruch auf ungarische Sozialleistungen garantiert.

Bild: privat

Ralf Leonhard ist Österreich-Korrespondent für die taz

Dass Orbán sich entschied, mit János Martonyi einen erfahrenen Mann zum Außenminister zu machen, der während seiner ersten Amtszeit keine schlechte Figur abgab, wird bei den Nachbarn als gutes Signal gewertet. In acht Monaten tritt Ungarn erstmals den Ratsvorsitz der EU an.

Aber schon vorher muss Orbán sich entscheiden, ob er sich auch nach innen zum moderaten Staatsmann mausert, oder ob er weiter den Krawallmacher gibt, der gefährlich nahe an der faschistischen Partei Jobbik anstreift.

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Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
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1 Kommentar

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  • E
    end.the.occupation

    Genau. Man muss das gar nicht so ernst nehmen.

     

    Kommen die Faschisten erst einmal an die Macht - dann verwandeln sie sich - dort angekommen - sofort in liberale weltoffene Demokraten.

    Schliesslich wird ja nichts so heiss gegessen, wie es gekocht wird.

     

    So oder so ähnlich hat sich das sicher auch das bürgerliche Lager in Deutschland vorgestellt, nachdem Adolf Hitler - eingerahmt von Franz von Papen - an die Macht gelangt war.

     

    Nicht das Ungarn das Potential Deutschlands der 30er Jahr hätte. Appeasement bleibt die Haltung trotzdem.

     

    Insbesondere, weil das bürgerliche Lager in Deutchland zum - 'Weiter so, es gibt keine Alternative!' - keine Alternative anbieten kann und will.

    Im Krisenfall bleibt so nur der Marsch nach rechts aussen übrig.