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Debatte UniprotesteBildung tut not

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

Die Uniproteste fangen erst an - wer die Absichten der Modernisierer erkennen will, gucke auf das Hamburger Reformdesaster.

Die Nöte sind ja nicht neu: Dass die Proteste gegen eine debakulöse Bildungspolitik gerade an den Universitäten in diesen Tagen es sogar in die Hauptnachrichtensendungen von ARD und ZDF schaffen, dass auch über diese Medien Worte wie "Bologna, "Bachelor" und "Master" in die öffentliche Erörterung gelangt sind, liegt in erster Linie am Grad der Verzweiflung, die sich unter Studierenden und - teilweise - auch Lehrenden und Forschenden an den Hochschulen des Landes breitmacht. Denn es ist ja wahr: JedeR Auszubildende im - beispielsweise - Frisörhandwerk, im Ökoeinzelhandel oder im Gesundheitsbereich kann die Qualifikationsgänge ins Erwerbsleben mit gewogenerer Unterstützung absolvieren als irgendeinE StudierendeR an den Universitäten. Wer keine Angehörigen an Universitäten hat, sollte wissen: Um jedes Stück Papier muss gekämpft werden, die Bibliotheken sind häufig auf vorgestrigem Stand - alles im allem müssen Studierende sehr rasch den Eindruck gewinnen, eigentlich nicht willkommen zu sein.

Dass jetzt, als oberste Bildungspolitikerin, Annette Schavan, die Gründe für den beginnenden Aufruhr quasi ins Alberne zieht und Studierenden eine gewisse Verstocktheit attestiert, kann auch so verstanden werden: Gut, dass sie in dieser Weise argumentiert - da ahnt man, wohin die Bildungsreise gehen soll. Das Credo des am Mittwochabend verstorbenen Soziologen Ralf Dahrendorf aus den Sechzigerjahren, wonach Bildung ein Bürgerrecht zu sein hat, wird heutzutage gravierend und täglich verletzt.

Wofür Schavan und eine Fülle weiterer Bildungspolitiker ihrer Couleur mit Macht einstehen, ist das Gegenteil dessen, was der sozialliberale Wissenschaftlers Dahrendorf empfahl: Bildung ist nur als Exzellenzfantasie vorstellbar, eine Disziplin, die züchtigt und im Zaum hält, die nichts als Module kennt und Bildung als bürgerliche Selbstermächtigung und Mühe zur Erkundung der Welt denunziert.

Schavan und die ihren geben freilich ihre Absichten nie offen kund. Wer sich tatsächlich ein Bild von den Zielen der neoliberal-konservativen Revolution an den Hochschulen machen will, muss den Konflikt um die Präsidentin der Hamburger Universität genauer studieren. Er ist keine Personalie, wobei wünschenswert bleibt, dass man sie im Sinne einer baldigen Demission löst, um Schaden von der Universität abzuwenden. Monika Auweter-Kurtz, eine Raketenforscherin aus dem Schwäbischen, wurde von der unionsdominierten Wissenschaftsnomenklatur ausgesucht, um das demokratische Erbe der hanseatischen Universität zu zerstören. In der keineswegs einem linkslibertären Bildungsbegriff anhängenden FAZ sprach die inzwischen in Berkeley lehrende, einst in Hamburg forschende Philosophin Dorothea Frede am 17. Juni gar von einem "Vernichtungswillen" der Präsidentin.

Man muss dem Headhunter dankbar sein, der der konservativ-technokratischen Elite der Hansestadt diese Kaderin aus den Ingenieursniederungen nahebrachte. Sie machte alle Fehler, die man als Präsidentin machen konnte - vor allem versuchte sie, diese Universität in einen Apparat umzugestalten, in dem von oben nach unten durchregiert wird.

Aber Auweter-Kurtz, eine extramediokre Figur, sagt eben auch, was sich viele Bildungsmanager und -politiker nicht zu äußern trauen: Exzellenz sei für Universitäten vor allem eine Frage der Forschung, nicht der Lehre. Und: Exzellenz sei nur im naturwissenschaftlichen Bereich zu gewinnen. Sozial- und geisteswissenschaftliche Disziplinen mag sie auch aus persönlichen Gründen verachten, eventuell ist sie nicht sehr begabt, über die Funktionsweisen von Apparaturen hinauszudenken. Festzuhalten aber bleibt: Sie spricht Soziologie, Geschichts- und Politikwissenschaft wie auch der Philosophie jede Fähigkeit zur Exzellenz ab - denn sie müssen messbar sein, und nämliche Fächer seien dies nicht.

Auweter-Kurtz ist als eine Bildungsmanagerin kenntlich geworden, die nur roh und schroff ausspricht, was Kader wie sie wohl denken: Vorzüglichkeit, überhaupt Akademisches über Ingenieurhaftes hinaus, ist nur, was hinterher blinkt, pufft, leuchtet oder im Mikroskop Eindruck hinterlässt. Dass das jedem Bildungsbegriff, der überhaupt Sinn macht, zuwider sein muss, liegt auf der Hand. In den USA, angeblich das Land des universitär Idolischen gerade bei deutschen Bildungsfunktionären, ist hingegen undenkbar, sich auf einen akademischen Fächerreigen verlassen zu wollen, der lediglich Technoides zu qualifizieren ermöglicht. Auweter-Kurtz mag auch menschlich für viele Angehörige der Hamburger Uni eine Zumutung sein - mehr als 120 ProfessorInnen verlangen ihren Rücktritt -, mehr noch zählt, dass sie für eine Universität der Ahnungslosigkeit steht. Sie will, ganz im Sinne der hässlich-technischen Vernunft von Technokraten, keine Reflexion mehr ermöglichen. Sie hasst alles, was 68 als Selbsterkenntnischancen mit zu etablieren ermöglicht hat: eine Wissenschaft, die keinem anderen Zweck dient als der Suche nach Wahrheit - und ein solcher Begriff muss kritisch sein, sonst verfehlt er diesen Zweck grundsätzlich.

Universität der Ahnungslosen

Was die Hamburger Groteske um eine stark überforderte, beinah bemitleidenswert schwache Präsidentin aber zeigt, ist, dass die Bildungsproteste dieser Tage noch viel zu lasch ausfallen. Es müsste Besetzungen geben, Verweigerungen - denn es geht nicht nur um bessere Labor- und Institutsausstattungen, um Kopierer und Bleistifte, sondern um Partizipation und Demokratie, um Mitsprache und Passion. Es geht um eine Bildung, die die Immatrikulierten nicht wie in der Schule zwingt, Stoff zu büffeln, sondern sich von ihm verführen zu lassen. Bachelor und Master sind in diesem Sinne nur Chiffren einer Bildungspolitik, die vor Gebildetheit Angst hat - und nur für Arbeitsmärkte ausbildet, die diese Ausgebildeten nicht nötig hat. Gesucht werden nämlich Menschen, die intellektuell fähig sind, über ihre fachspezifischen Horizonte hinauszudenken. Eine Figur wie Auweter-Kurtz war, möchte man hoffen, nur die personalpolitische Fehlbesetzung, die strauchelnd aussprach, was andernorts diskreter exekutiert wird: Exzellenzansprüche als Ausschluss aller, die wirklich Bildung suchen - und nicht nur Scheine. JAN FEDDERSEN

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, Meinungs- und Inlandsredaktion, Wochenendmagazin taz mag, schließlich Kurator des taz lab und der taz Talks.. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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6 Kommentare

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  • P
    Peter

    Herr Feddersen - herzlichen Dank für die fällige Abrechnung mit "Raketen-Moni"!

     

    @ hessebub:

     

    Nana, "hessebub"... Feddersens Stil angreifen, aber keine Ahnung von korrekter Groß- und Kleinschreibung?

     

    Und an der Uni, an der Sie angeblich lehren, scheint man auch korrekte Kommasetzung entbehren zu dürfen.

  • E
    Eli

    Hut ab vor diesem Artikel!

    Als Studierender der FU Berlin ist einem diese äußerst prekäre Lage der Hamburger Universitätslandschaft überhaupt nicht bewusst, und es erscheint mehr als dringend, dass über diesen verantwortungslosen Führungsstil der Präsidentin in den Medien (noch mehr) berichtet wird.

     

    Dass die Proteste im Moment noch zu "lasch" ausfallen ist leider wahr, auch in Berlin sind noch zu wenige Institute besetzt. Bleibt zu hoffen, dass der Widerstand auch im Herbst weitergeht und nicht durch den Sommer eingeschläfert wird.

  • H
    hessebub

    Stilistisch ist der Artikel leider völlig verkorkst und zudem voller Satzfehler. Eine Parodie auf Wissenschaftsdeutsch? Nach zwei Flaschen Chianti in rage runtergetippt? Inhaltlich trifft es allerdings den Nagel auf den kopf. Auch die Uni an der ich lehre ist inzwischen ein Mischung aus Kafkas Schloss und Tollhaus.

  • H
    hto

    "Bildung tut not" - wenn man genau hinschaut wird man feststellen, daß in den Unis die studieren, die später dann als Fachidioten / "Experten" wieder die systemrationale Symptomatik "WER SOLL DAS BEZAHLEN?" verwalten und vertreten, also wirklich: Bildung tut not!?

     

    "ICH WILL DA REIN, mit und / oder ohne ...", das ist doch der Weg und das Ziel dieser Bildung zu Suppenkaspermentalität auf Sündenbocksuche, im "gesunden" Konkurrenzdenken des "freiheitlichen" Wettbewerbs, in leichtfertiger Kompromissbereitschaft / Kapitulation zur Hierarchie von materialistischer "Absicherung", in konsumautistischer Bewußtseinsbetäubung und GLEICHERMAßEN unverarbeiteter / MANIPULIERBARER Bewußtseinsschwäche von Angst, Gewalt und "Individualbewußtsein" - in Überproduktion von blödsinnigem Kommunikationsmüll eben!?

  • N
    Nell

    Das amerikanische B.A. ("baccalaureate"), auch von Elite-Unis, galt bis vor kurzem in Deutschland als Hochschulreife; damit durfte man an einer deutschen Uni anfangen. Bachelor = Abitur. Das Alter beim Abschluss war auch identisch (20 oder 21). Jetzt wollen die deutschen Studis vier Jahre nach der Abitur bis zum B.A. - genau die vier Jahren, in denen Amerikaner mit ihrer eher anspruchslosen College-Abitur promovieren (Master gibt es in USA nur noch an der PH) - sind sie absolut durchgedreht? Jeder braucht geisteswissenschaftliche Bildung - aber doch nicht an der Uni, dieser verkopften hierarchischen Nabelschau der Eitelkeiten! Schnell durch, los in die Welt! Nicht vier Jahre Bachelor: Null Jahre Bachelor!

  • S
    Studierender

    Nachdem wir Studierenden der Universität Hamburg nun seit fast drei Jahren den Rücktritt Auweter-Kurz` fordern und nun endlich Bewegung in die Angelegenheit kommt, über die, jedweder inhaltlichen Auseinandersetzung zum Trotz, nur dann von den Medien berichtet wird und wurde, wenn wir uns als "Krawallmacher" betätigen, bzw. "wichtigere" Statusgruppen sich (zum Glück endlich) bemerkbar machen, nach alle dem haben wir jetzt paradoxerweise vor allem davor Angst, dass Auweter-Kurz tatsächlich zurücktritt! Wenn sie, wie zu erwarten ist, am 09.07. den Hut zieht, wird die globale, GATS- Ideologie- abhängige Bildungspolitik des CDU Senats höchstwahrscheinlich nicht mit ihr gehen, sondern in Form ihrer drei Vize und der Kanzlerin, welche bereits ankündigten, im Sinne der "Kontinuität der angestoßenen Reformprozesse" zu bleiben! Die GAL wird nach allem, was sie ihren Stammwählern bereits zugemutet hat, das nächste Jahrzehnt Unbedeutsamkeit in der Hansestadt (welches sie sich selbst einspielte) nicht ohne weitere Schäden antreten. Da helfen auch nicht die von dem Autoren eingeforderten, bereits seit einer Woche stattfindenden Besetzungen der Sozialwissenschaften, des Pädagogischen Institutes und der HWP, welche vor allem den gestressten Bachelorstudierenden eine Verschnaufpause zum Grübeln verschaffen sollten und die ein oder andere Diskussion verursachten. Moni kann und darf nur der Anfang vom Ende dieser Bildungsverwertungsideologie sein, wenn dem durch das Leuchtturmprojekt Hamburg (auf Bildungsebene) geprägten Deutschland sein angeblich wichtigstes Gut noch etwas bedeutet: seinem Wissen.