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Debatte StudiengebührenBildung für alle

Kommentar von Christian Füller

Studiengebühren sind nicht ungerecht, denn es zahlen nur Privilegierte. Wer sich um Chancengleichheit sorgt, muss gegen schlechte Kitas und Sonderschulen kämpfen.

D as deutsche Bildungssystem zu absolvieren ist, als wollte man einen Hürdenlauf bestehen. SchülerInnen, die es bis in die Uni schaffen, sind die Gewinner des Rennens. Diese Auserwählten heißen Studierende. Ihre Chancen sind von Studiengebühren nur mäßig bedroht, denn sie haben viele Alternativen, Studienkredite etwa oder Unterstützung durch wohlhabende Eltern. Viele andere haben keine Alternative, für sie geht es darum, irgendeinen Abschluss zu erringen oder überhaupt in die Schule zu kommen. Wer Chancengleichheit will, muss sich zuerst um diese vergessene Gruppe kümmern.

Es gibt zum Beispiel Menschen, die überhaupt kein formelles Recht auf Bildung besitzen. Einige Bundesländer hindern Flüchtlinge daran, in die Schule zu gehen. Gar nicht zu reden von den Illegalen. Mutige Lehrer unterrichten sie - heimlich. Erfährt die Polizei von ihnen, werden sie oft abgeschoben. Schwer benachteiligt sind Kinder von Zuwanderern. Von deutsch-türkischen Kindern kommen nur 9 Prozent zum Abitur, dafür sind sie in Haupt- und Sonderschulen weit überproportional vertreten. Die Soziologin Heike Diefenbach warnt bereits vor einer "ethnischen Segmentierung" der Schulen.

Aber Bildungsarmut beschränkt sich nicht auf Zuwanderer. Hunderttausende hindert die schulische Selektion am Erfolg. Besonders betroffen sind 16 Prozent der Hauptschüler, die in katastrophal schlechten Schulen lernen müssen. Am schlechtesten geht es wohl den 420.000 Kindern in Sonderschulen. Dort lernten, sagt man, Behinderte. Tatsächlich werden 60 Prozent von ihnen als Lernbehinderte aus den Regelschulen ausgeschlossen. Sie werden in Förderschulen festgehalten, in denen, wie manche Forscher sagen, "kognitive Friedhofsruhe" herrscht. Acht von zehn Schülern erhalten dort keinen Abschluss.

All dies ist bekannt. Dennoch gibt es in Deutschland ein völlig verzerrtes Bild. Den Gerechtigkeitsdiskurs dominierte bald 20 Jahre lang das Thema Studiengebühren. Die Campusmaut, sagt man, gefährde die Chancengleichheit. Das ist grotesk. Jene 35 Prozent eines Jahrgangs, die an der Spitze der Bildungspyramide stehen, reklamieren für sich besondere Rechte. Sie wollen, dass ihr Elitedasein gratis bleibt, und lehnen jede Form von Auslese in der Uni etwa fürs Masterstudium ab - obwohl dies in anderen Gefilden des Bildungssystems vollkommen normal ist.

Erst seit einigen Jahren haben die Pisastudien auch die Verlierer des Bildungssystems im Fokus. Eine seltsame Koalition arbeitet nun daran, dies zu ändern. Es sind die Philologen, die sich um die Gymnasiasten sorgen, und die Kultusminister, die intern verabredet haben, über den Zusammenhang von Herkunft und Bildungserfolg nicht mehr zu sprechen. In diese Koalition gehören aber auch Studentenfunktionäre und eine antiemanzipatorische Linke. Sie versuchen, die öffentliche Aufmerksamkeit wieder weg von den echten Losern auf gebührengeplagte Studenten zu lenken. Das ist nicht links, sondern konservativ: Es hilft, den Status quo eines ungerechten Bildungssystems zu zementieren.

Studiengebühren sind keine Gefahr für die Bildungsgerechtigkeit, sondern ein wichtiger Beitrag, um sie erreichen. Auch die Studenten müssen für ihr Bildungsprivileg bezahlen. Es ist nicht einzusehen, warum dies über Steuern allein die Allgemeinheit tun soll. Ausgenommen von Gebühren sollten nur wenige Studenten sein - etwa die "untere soziale Herkunftsgruppe", zu der noch 13 Prozent der Studis zählen. Diese an den Unis aussterbende Spezies der Arbeiterkinder muss geschützt werden, etwa indem man Bafög-Berechtigte von Gebühren befreit.

Priorität im Kampf um Chancengerechtigkeit aber muss das Kellergeschoss des Bildungssystems haben: schlechte Kindergärten, selektive Grundschulen sowie die katastrophalen Haupt- und Sonderschulen. Sie sind nicht tragbar, wenn uns das Recht auf Bildung wichtig ist.

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9 Kommentare

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  • T
    tazzis

    Warum habt ihr die veröffentlichung weiterer Kommentare gesperrt?

    Angst Davor, in den unwahren ARgumenten erkannt zu werden?

  • RM
    Rudolf Mester

    Es ist höchst erfreulich, dass sich Christian Füller

    in seinem Beitrag als Fürsprecher der Verlierer und

    wirklich Chancenlosen in unserem deutschen Bildungssystem

    einsetzt, also denjenigen, die erst garnicht

    in den Genuss einer "höheren" Bildung geraten,

    sondern von vornherein auf den Abstellgleisen

    unseres Schulsystems landen. Man kann nicht

    deutlich genug und nicht oft genug darauf hinweisen,

    dass es ein Skandal ist, wie dieses Land mit den

    Lebenschancen junger Menschen umgeht.

     

    Dieser äußerst lobenswerte Einsatz von Herrn Füller

    für die Verlierer am untersten Ende unseres Bildungssystems

    rechtfertigt aber keinesfalls die krude Logik,

    mit der im gleichen Beitrag

    diese Ungerechtigkeiten instrumentiert werden,

    um eine der seit Jahrzehnten größten Dummheiten in der deutschen

    Hochschulpolitik, nämlich die Einführung von Studiengebühren,

    als sinnvoll und gerecht darzustellen.

     

    Wer nicht begreift, dass es nicht eine gedankenlos verteilte

    Wohltat ist, die "der Staat" mit der Bereitstellung

    von Studienplätzen an junge Menschen gewährt, sondern

    eine der sinnvollsten und zukunftsträchtigsten Arten,

    staatliches Geld zu investieren, der hat

    von der Funktion des Hochschulwesens für unsere Gesellschaft

    nichts begriffen.

    Wer nicht begreift, dass es beim Studium nicht um das Gewähren

    von Privilegien geht, nicht um ein pflichtenloses

    Verharren in einer Art von verlängerter Kindheit,

    sondern darum, dass ein geeigneter Kreis von jungen

    Erwachsenen auf Aufgaben vorbereitet werden soll,

    für die eine weitere Vertiefung ihres Wissens notwendig ist,

    der sollte nicht über Privilegien schwadronieren.

    Wer derartig dumpfe Argumente für das Abkassieren

    bei Studierenden vorbringt, und dies damit begründet,

    dass Studierende ja schliesslich Privilegierte seien,

    der sollte vielleicht zuvor definieren, was er denn

    als Privileg begreift.

     

    Wenn es Privilegien gibt in diesem Zusammenhang,

    dann bestehen diese darin, dass manche sich auf ihr

    Studium konzentrieren können, ohne einen Gedanken

    an die nächste Miete oder die Lebensmittel für die nächste

    Woche zu verschwenden, und dass andere diese Art

    von Freiheit eben nicht geniessen.

    Welche Unlogik, in dieser Situation

    auch noch eine Verschärfung der Ungleichheit durch Studiengebühren

    zu befürworten, und welche himmelschreiende

    Dreistigkeit,

    genau dies auch noch im Namen der Gerechtigkeit einzufordern!

     

    Wenn es so ist, dass jemand mit Universitätsabschluss

    ein hohes Einkommen erzielt, dann

    ist dies der Fall, weil er oder sie eine bestimmte

    nachgefragte Leistung erbringt, aber nicht für die

    Tatsache, dass man zuvor studiert hat.

    Und ebenso wischt derjenige, der Studiengebühren

    mit dem Hinweis auf die hohen Einkommen von

    Akademikern befürwortet, die Tatsache nonchalant vom Tisch,

    dass eben bei weitem nicht jeder Absolvent

    zu einem hochbezahlten Arzt, Manager oder Anwalt wird.

     

    Jemanden, der wie Herr Füller in seinem Beitrag

    einen jungen Menschen

    dem das Geld für die Studiengebühren fehlt, auf die "Chance"

    verweist, sich dieses Geld auf dem Kapitalmarkt zu leihen,

    oder aber auf die "Alternative", wohlhabende Eltern zu haben,

    kann man wohl kaum anders als zynisch nennen.

     

    Ich wünsche mir von unserem Hochschulsystem, dass

    es jedem offensteht, der befähigt und leistungswillig ist,

    unabhängig von seinem Geldbeutel und dem Bankkonto

    der Eltern, und dass sich ein solcher junger Mensch

    voll und ganz auf seine einzige Aufgabe konzentrieren

    kann, nämlich zielstrebig zu lernen.

    Ich bin ganz ausdrücklich bereit, dafür Steuern zu bezahlen,

    auch mehr Steuern, wenn sich das als notwendig erweist.

    Ich wünsche mir, dass es viele unserer jungen Leute sind, die

    die Chance eines Studiums bekommen -- nicht primär die Chance

    auf ein hohes Einkommen, sondern die Möglichkeit,

    viel zu erfahren über unsere Welt, unsere Geschichte,

    und vielleicht auch über Begriffe wie "Gerechtigkeit", und wie man

    es erkennt, wenn andere Menschen

    mit verdeckten Absichten die Begriffe

    umzudeuten versuchen.

  • RE
    Rebeka Eckstein

    Dann soll Herr Füller doch seine verdrehte CHE-Argumentation verlautbaren, aber wozu das Wort "links" in den Mund nehmen? Es ist richtig, dass, wer Studiengebühren ablehnt, die Selektion in den Schulen und kostenpflichtige Kitas nicht hinnehmen darf. Aber ebenso trifft zu, dass, wer Selektion im Bildungssystem generell kritisiert, nicht Studiengebühren befürworten kann.

     

    Ich selbst lehne Studiengebühren ab und möchte, dass Bildung weiterhin als öffentliches Gut betrachtet wird, das gesellschaftlich gefördert wird. Das gegliederte Schulsystem (samt den Förderschulen) muss genauso abgeschafft werden wie jegliche Gebühren für Kitas.

     

    Herr Füllers Rechnung ist irreführend bzw. falsch:

    nicht 13, sondern 24 Prozent der Studierenden erhält heute BAFöG, und nicht nur für die "Spezies der Arbeiterkinder" stellen Kredite mit Zinsen von 7-10% ein massives Problem dar.

     

    Der Artikel besticht durch einen plumpen Stil und der Banalität der Idee hinter der Argumentation.

    Der Satz: "Auch Studierende müssen für ihr Bildungsprivileg bezahlen" verrät, dass Herr Füller von der Aufrechterhaltung von Bildung als Privileg ausgeht bzw. diese befürwortet. Aber wenn Bildung kein Privileg mehr ist, und das sollte doch das normative Anliegen sein, meint frau, dann müsste auch nichts bezahlt werden.

     

    Die Idee von Studiengebühren erfreut sich beinahe einer hegemonialen Beliebtheit.

    Aber eine Gebühr von 500 euro für alle kann nicht gerecht sein. Vor diesem Hintergrund könnte man auf die Idee eines Modells gestufter Studienbeiträge kommen, bei dem je nach Monatseinkommen ein bestimmter Beitrag an die Universität entrichtet wird, bei geringem Einkommen gar keiner.

    Aber das Ziel ist nicht, falsche Anreize zu schaffen oder Menschen von der Universität fernzuhalten, und ob Studieren pauschal mit Sozialschmarotzertum gleichgesetzt wird oder ob Ausgaben für Bildung als legitimer Posten neben anderen Ausgabenposten wie Innere Sicherheit oder Soziales verstanden wird, ist einzig eine Frage des politischen Standpunktes und des vorherrschenden politischen Diskurses.

  • O
    o.baer

    ist es wirklich zweckmaessig, eine ungerechtigkeit mit der anderen zu rechtfertigen?

  • FS
    Franziska Stier

    Es ist richtig, dass unser Bildungssystem absolut selektiv ist und an Haupt- und Sonderschulen katastrophale Bedingungen herrschen.

    Aber es ist falsch zu behaupten, dass linke Kräfte darauf nicht aufmerksam machen würden.

    Schon vor Pisa hat man vor der Selektivität des deutschen Bildungssystems gewarnt, doch weder die Presse, noch Bildungsminister haben derartige Stimmen ernst genommen.

    Die Argumentation, Studierende zahlen zu lassen, weil sie nicht vom Bildungssystem selektiert wurden, ist völlig absurd. Selbst wenn man mit Hilfe der Studiengebühren das Schulsystem sanieren würde, hätten sie in meinen Augen keine Existenzberechtigung.

    Dieser Artikel ist nichts weiter als der verkappte Versuch das Bildungssystem noch elitärer und selektiver zu machen als es im Moment ist. Der Autor erteilt unter dem Vorwand, Schwächere unterstützen zu müssen, einen Freifahrtsschein, Studierende aus der Mittelschicht zu beuteln und ein Studium für diese Schicht noch unattraktiver zu machen und aus der Bildungselite zu verdrängen.

    Wesentlich sinn- und wirkungsvoller wäre es, die durch die Ausbildung verursachten Kosten nach einem Studium über Steuern zu finanzieren, als den gebeutelten Studierenden zusätzliche Lasten aufzuerlegen.

  • FW
    Frank Wörler

    Es ist schon interessant, wie lange sich Füller als Hofberichterstatter des CHE (Centrum für Hochschulentwicklung, einer halben Bertelsmann-Tochter) in einer genossenschaftlichen Tageszeitung halten kann. Füllers Hauptthese, die er auch diesmal (das dritte mal innerhalb von fünf Wochen) unbedingt loswerden musste, liest sich im Originaltext von CHE-Vorstand Müller-Böling (anno 1996) folgendermaßen: "Da der Anteil an Studierenden aus höheren Einkommensschichten weiterhin eindeutig dominiert, finanzieren einkommensschwächere Steuerzahler eine Ausbildung, die darüber hinaus zu höherem Einkommen führt. Damit ergibt siche eine Umverteilung von ärmeren auf reichere Schichten. Das ist unsozial."

     

    taz-Redakteur Christian Füller spielte 1998 eine nicht unerhebliche Rolle bei der verfälschten Widergabe einer FORSA-Umfrage zum Thema Studiengebühren. Diese vom CHE in Auftrag gegebene Studie sollte beweisen, dass Studierende bereit seien, Gebühren zu zahlen, was angeblich gelang - in Wahrheit jedoch erschwindelt war.

     

    Die taz titelte damals: "Das Wahlvolk ist intelligenter als die Regierung" und wollte suggerieren, dass die Bevölkerung nichts gegen Studiengebühren einzuwenden habe. In einem Leserbrief hieß es schon damals zu Füllers Darstellungen: "(So) könnte jeder halbwegs kritische Journalist von allein merken, was hier abläuft: keine wissenschaftliche seriöse Meinungsforschung, sondern eine politische Werbekampagne!" (zit. nach: Wernicke, Bultmann (Hg.) "Netzwerk der Macht - Bertelsmann", S. 208)

     

    In seinem taz-Kommentar vom 18. Februar 2008 geht Füller noch weiter: "Wissenschaftspolitik und Hochschulen sind zu doof zum Kassieren" wettert er und meint, das Inkasso sei das eigentliche Problem an den Studiengebühren!

     

    Es bedarf keiner großer Anstrengung, hierin den nächsten Argumentationsschritt der Bertelsmann-Strategie zu erkennen: Die Unis sind zu doof zum Kassieren. Also muss Bertelsmann kommen und beim Kassieren helfen.

     

    Während dem Einen bei so viel Hilfsbereitschaft vor Rührung die Tränen kommen, denkt sich die Andere: Gut, dass Herr Füller plump, aber zuverlässig die nächsten Staatsdirektiven aus Gütersloh preisgibt - seltsam allerdings, dass das Amtsblatt ausgerechnet taz heißt.

     

    Die neueste Umdeutung der Du-bist-Deutschland-Fraktion zum Thema Studiengebühren findet sich ebenfalls in Füllers Argumentation: Studiengebühren seien kein linkes Thema, Chancengleichheit indes ein zutiefst neoliberales Anliegen: Quell unbeschreiblicher Gerechtigkeit...

     

    Das propagandistische Sperrfeuer, das zur Zeit von der bürgerlichen Presse ausgeht, verdeckt wirkungsvoll die Tatsache, dass die CHE-Hochschulreformen in diesen Tagen freie Universitäten in abhängige Ausbildungs- und Forschungsinstitute verwandeln. Die vorgebrachten Argumente reduzieren sich beiderseits auf die individuellen Karrieren der Studierenden: Bekommen alle ihre Chance, oder nicht? Diese Reduktion lässt vergessen, dass die gesellschaftlich-demokratischen Funktionen der Hochschulen schweren Schaden erleiden.

     

    siehe auch die 41 Kommentare zu:

    http://www.taz.de/1/zukunft/wissen/artikel/1/der-privilegierten-kampf/?src=SZ&cHash=d64220eeb7

     

    weitere links zum Thema:

     

    http://www.rewi.hu-berlin.de/AKJ/zeitung/annex/annex1/index.htm

    http://www.nachdenkseiten.de/?p=2535

  • A
    Atrilius

    Das war aber ein bisschen kurz gegriffen. Ich selbst studiere, und ich kenne schon einige Fälle, in denen hochbegabte Studenten am Geld scheiterten. Selbst wenn es einen Studienkredit gibt - das Geld ist doch nicht geschenkt! Pro Studium sind das alleine mindestens 5000 EUR Studiengebühr. Davon hat man dann allerdings noch keinen Semesterbeitrag, Lernmittel, Miete, Lebensmittel oder Weihnachtsgeschenke bezahlt!

  • SL
    Sven Lüders

    Tapfer ignoriert Füller all die Häme, die er mit seinem letzten Artikel auf sich gezogen hat und schwadroniert weiter von den Vergessenen und Ausgegrenzten, als würden sich Linke und Studierendenvertreter einen Dreck um die scheren. Entweder Herr Füller kann nicht lesen oder er will einfach nicht wahrnehmen, dass Chancengerechtigkeit immer für alle gefordert worden ist. Natürlich kümmern sich StudentInnen zuerst um ihre eigenen Belange, genauso wie das primäre Anliegen von Eltern mit jungen Kindern auch die Abschaffung von KiTa- und KiGa-Gebühren ist und nicht von Studiengebühren. Das muss ja nichts an der grundsätzlichen Solidarität ändern.

     

    Vor allem beantwortet Füller die Frage nicht, warum wir unbedingt Studiengebühren brauchen, Kindergartengebühren aber abgeschafft gehören. Das Argument, das sonst die Allgemeinheit für Einzelinteressen zahlt, zieht ja wohl kaum, schließlich kriegen nicht alle Menschen Kinder und/oder wollen welche in den Kindergarten schicken.

     

    Dass es bei Studiengebühren (wie bei anderen Gebühren für Bildung auch) um eine Grundsatzfrage geht, die man nicht einfach mit finanziellen Rechenspielchen beiseite wischen kann, vergisst Füller schon zum zweiten Mal. Beim letzten Mal war eine Seite davor Richard Stallman, der von der Freiheit von Wissen erzählt hat, heute ist es seine Kontrahentin, die darauf hinweist, dass unlukrative Studiengänge (wie auch meiner, ebenfalls Philosophie - im Nebenfach sogar noch Religionswissenschaften, noch unlukrativer) mit Studiengebühren wahrscheinlich bald eingehen.

     

    Man kann Chancengerechtigkeit natürlich auch so buchstabieren wie Füller: Dann dient Bildung einem Job und die Studenten haben eine Investition getätigt, die leider hochgradig subventioniert wurde. So gesehen muss man natürlich erst einmal Wettbewerbsverzerrungen abbauen und zwar unten und oben. Dann ist (ungerechtfertigte) Selektion genauso ein Wettbewerbshindernis wie die Subvention von StudentInnen. Dabei gerät jedoch in den Hintergrund, dass es bei Bildung in erster Linie um Wissen geht und nicht um Karriere; auch, wenn viele das anders verstehen - ein emanzipatorischer Ansatz sollte sich daran orientieren, statt allen Leuten "nur" gleiche Karrierechancen zu bieten.

  • G
    gustafson

    "Studiengebühren sind keine Gefahr für die Bildungsgerechtigkeit, sondern ein wichtiger Beitrag, um sie erreichen. Auch die Studenten müssen für ihr Bildungsprivileg bezahlen. Es ist nicht einzusehen, warum dies über Steuern allein die Allgemeinheit tun soll. Ausgenommen von Gebühren sollten nur wenige Studenten sein - etwa die "untere soziale Herkunftsgruppe", zu der noch 13 Prozent der Studis zählen. Diese an den Unis aussterbende Spezies der Arbeiterkinder muss geschützt werden, etwa indem man Bafög-Berechtigte von Gebühren befreit."

     

    Warum die Ausfinanzierung der Universitäten allerdings gerade über Studiengebühren und nicht wie bisher und in anderen Ländern üblich über ein gerechtes, solidarisches Steuersystem geschehen soll, bleibt das Geheimnis des Autors. Bei Studiengebühren und verschultem B/Master-System muss zB die Studierfähigkeit oft über den Umweg Studienkredite sichergestellt werden. Von Vorteil ist dies hauptsächlich für die Kreditgeber und die Arbeitgeber, denn Verschuldete buckeln besser. Ob eine (hoch) verschuldete Generation junger Absolventen (auch aus der Mittelschicht, siehe angelsächsische Länder) sich gesellschaftlich engagieren und sich früher um Kind und Haus kümmern wird, ist sicher fraglich. Der psychologisch-gesellschaftliche Effekt von Studiengebühren wird fast nie beleuchtet.

    Die Bemerkung zur StudGeb-Befreiung von Bafög-Empfängern ist wohl eher als Schnellschuss zu werten. Für die übrig bleibende Gruppe lohnt wahrscheinlich noch nicht einmal der Aufbau der Gebühren-Einzugs-Verwaltung...

     

    gustafson