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Debatte Schwarz-GelbStreit als Chance

Kommentar von Markus Linden

Unter Schwarz-Gelb könnten Arme wieder mehr Gehör finden. Schon zum Selbsterhalt wird sich die SPD nun um Sozialverbände bemühen

D er starke Rückgang der Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl hängt entscheidend damit zusammen, dass finanziell schwache Bevölkerungsgruppen ihre Interessen im politischen System immer weniger vertreten sehen. Diese Wahrnehmung deckt sich mit drei langfristigen Wandlungsprozessen, die zusammengenommen als Krise der Repräsentation von Armen und Armutsbedrohten anzusehen sind. Entgegen der ersten Intuition kann aber gerade die schwarz-gelbe Regierungsübernahme eine der Repräsentationskrise entgegenwirkende Entwicklung auslösen. Das hängt mit dem Zusammenspiel der drei Krisensymptome zusammen, das durch die Reformierung der Lager gebrochen wird.

Ein erstes Krisensymptom bildet die Entkoppelung von Parteien und Milieus. Die Volksparteien haben an Hegemonie über ihre angestammten Wählergruppen verloren. Im Umkehrschluss begreifen sich die Parteien viel weniger als Schutzmacht für deren spezifische Interessen. Bei der SPD ist die Erosion der Bindungen zu verzeichnen. Nur noch 24 Prozent der Arbeiter und 22 Prozent der Arbeitslosen, sofern sie denn zur Wahl gingen, votierten für den ehemaligen Anwalt der Schwachen. Die Union feiert einen Wahlsieg mit dem niedrigsten Zweitstimmenanteil seit 1949.

Befördert wurde diese Entwicklung durch die größere Bereitschaft zur Wechselwahl und die Entideologisierung der Volksparteien. Dazu beigetragen haben aber auch Fehlwahrnehmungen, die von Politikberatern gerne verbreitet werden. Entgegen der Mär von der individualisierten, medienzentrierten und unpolitischen Wählerschaft haben wir es nämlich weiter mit sozialen Milieus und einer stark politisierten Gesellschaft zu tun. Als Folge des Entkopplungstrends besitzen vor allem die benachteiligten Milieus keine garantierte Vertretungsmacht mehr. Auch die durch Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe bewirkte Ausweitung des Armutsrisikos auf Teile der Mittelschicht wäre zu Zeiten fester Milieubindungen nicht vorstellbar gewesen.

Markus Linden

Ein ähnliches Phänomen zeichnet sich im Verhältnis zwischen Verbänden und Parteien ab. Die Bindungen haben sich gelockert und folgen den Gesetzen des Marktes. Die Sozialverbände konnten einst auf sichere Einflusskanäle in den Parteien und Administrationen zurückgreifen, um dort die Anliegen ihrer Klientel geltend zu machen. Heute bewegen sich Diakonie, Caritas oder Arbeiterwohlfahrt in einem völlig anderen Umfeld. Kurzfristige Förderprogramme, projektbezogene Maßnahmen und deren wettbewerbliche Ausschreibung kennzeichnen ein Beziehungsgeflecht, in dem die Vermittlung schwacher Interessen in Konkurrenz zu anderen Akteuren und Interessen erstritten werden muss. Vertreter der Caritas werden von der Union nicht mehr automatisch geladen, bekommen dafür aber die Chance, dem ehemaligen politischen Gegner Expertise und Maßnahmen anzubieten. Es ist ein Wettbewerb um die "besten" Sozialmaßnahmen entstanden.

Im Eigeninteresse der Sozialverbände liegt es, diese Programme zum Erfolg zu führen und damit ihren gesamtwirtschaftlichen "Marktwert" nachzuweisen. Es besteht das Risiko, dass aus der ehemaligen Klientel lediglich die "Aktivierbaren" und ökonomisch "Systemrelevanten" gefördert werden. Diejenigen, die der Fürsorge keine Gegenleistung entgegenbringen können, werden als Adressaten uninteressanter. Die beiden skizzierten Tendenzen könnten durch einen funktionierenden politischen Wettbewerb abgefedert und sogar positiv umgemünzt werden. Die Wählergruppen der Armen, Armutsbedrohten und ihrer Fürsprecher stellen nämlich eine kaum ignorierbare Größe dar. Dafür müssen jedoch Alternativen zur Wahl stehen.

Allerdings wurden die negativen Auswirkungen der Entkopplungstendenzen verstärkt durch einen umfassenden Trend zum Regieren im Konsens. Dabei wurden Verantwortlichkeiten verwischt und die politischen Angebote aus der Sicht von Betroffenen erheblich eingeschränkt. Mangelnde Transparenz und die Verlagerung der jeweiligen Einflussnahme ins Informelle führten dazu, dass im etablierten Parteienspektrum nur noch unzureichend Alternativen angeboten wurden - insbesondere für Arme und Armutsbedrohte.

Damit einher ging eine Fixierung auf gesamtökonomisch abgeleitete Politikziele. Zentrale sozialpolitische Entscheidungen wie die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe wurden teilweise in außerparlamentarischen Gremien, mit Teilnahme der Gewerkschaften (!), vorbereitet ("Hartz-Kommission") und von allen etablierten Parteien verabschiedet. Dieser Konsenstrend setzte schon während der ersten Amtszeit Schröders ein. Die Reaktion der Wählerschaft bestand zunächst im Aufstieg der Linkspartei und setzte sich nun in Form vermehrter Wahlverweigerung und massiver Verluste für die SPD fort.

Angezeigt ist folglich ein Mehr an Konflikt im Parteienwettbewerb, also ein klares Gegenüber von Regierung und Opposition und die Abwählbarkeit derjenigen, die Entscheidungen zu verantworten haben.

Die durch das langjährige Regieren im Konsens mitverursachte Vorherrschaft gesamtökonomischer Perspektiven bildete die vorhandenen gesellschaftlichen Problemlagen nur unzureichend ab. Schwarz-Gelb und die damit verbundene Rückkehr von Lagern, die für Verschiedenes einstehen, ist insofern als Chance für die Repräsentation finanziell benachteiligter Gruppen anzusehen. Nur was angemessen repräsentiert wird, kann auch Berücksichtigung in den Köpfen anderer Bürger finden. Die teils populistische Fundamentalopposition der Linken konnte dies nicht leisten, da die Partei keine Regierungsalternative bot und für viele nicht wählbar ist. Ein gemäßigt linkes Lager kann dies sehr wohl.

Aus der erzwungenen Öffnung der SPD und der wahrscheinlichen Anpassung der Linken an die neue Konstellation sollte eine politische Alternative entstehen, die vom schwarz-gelben Lager als programmatische Konkurrenz wahrgenommen wird und diese zwingen, auch ihrerseits auf die Interessen von Armen und Armutsbedrohten einzugehen.

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7 Kommentare

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  • LG
    Lothar Georg Kopp

    Bundesweit betrachtet gibt es doch deutlich ein schwarz-gelbes Lager. Im Vorfeld wurde ja von links bestritten, dass es eine rechte, sprich konservativ-liberale Mehrheit gebe. Nein, wir werden natürlich auch die rot-dunkelrote SPD/STASI-Koalitionen Berlins und Brandenburgs aushalten. Komisch finde ich eher die Freude darüber.

    Man stelle sich vor, die Lehmann-Bank rettet sich unter anderem Namen über die Zeiten und kehrt mit z. T. dem gleichen Personal ins Bankengeschäft zurück, das verantwortlich ist für die Finanz- und in deren Folge globale Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise. Ein Aufschrei ginge durchs Land! Bei denen, deren Vorgänger einen ganzen Staat in den Bankrott getrieben und die DDR sprichwörtlich vor die Wand gefahren haben, schweigt man. Das finde ich bezeichnend.

    Konsens mit diesen "volksdemokratischen Urgesteinen", die sich jetzt anmaßend LINKE nennt, sollte es unter Demokraten ebensowenig geben wie mit der NPD. Wie war das noch mit den von Lafontaine bezeichneten ausländischen Arbeitern in Deutschland? Für ihn sind es Fremdarbeiter. Das klingt wie dunnemals. Extrem rechts und links sind Brüder und Schwestern im Geiste.

  • D
    DiversityAndEquality

    @Uwe Sak:

     

    Die übliche abgehobene Propaganda von Leuten, die selbst keinerlei Ahnung davon haben, was es bedeutet, von den sozialen Verbrechen der großen rot-grün-schwarz-gelben Koalition in die Armut getrieben worden zu sein oder sich als Kind dank Hartz IV noch nicht einmal angemessen ernähren zu können.

     

    Wer dieser widerwärtigen "Logik" unmissverständlich widerspricht, der wird eben gleich als "Fundamentalopposition" diffamiert (denn so ist das ja gemeint!). Alles Gefasel wird den Herrschaften aber nichts nützen: Die Linke ist so stark im Aufwind wie keine andere politische Kraft in diesem Lande, sie allein hat die Politik auch aus der Opposition heraus deutlich verändert, und wenn sich in den nächsten Jahren irgend jemand "ändern" muss, um nicht auf den Müllhaufen der Geschichte zu wandern, dann ist es die "S"PD und nicht die Linke!

     

    Denn Hartz IV bleibt ebenso ein Verbrechen wie eine immer extremere Einkommensungleichheit und völkerrechtswidrige Kriege sowie der stetige Abbau von Freiheitsrechten unter dem Deckmantel der "Terrorismusbekämpfung"!

  • V
    vic

    Die Linke soll also in die Mitte, dahin wo angeblich all die Anderen sind. Das gefällt mir nicht, denn in der Mitte des Trichters befindet sich das Loch. Und da sind wir dank der Regierungspolitik der vergangenen Jahre gelandet.

    Nein, die SPD muss mehr nach links, so geht das.

  • M
    Momo

    Sie schreiben, durch die aus der wieder stärker akzentuierten politischen Lager und der daraus eventuell stärkeren sozialpolitischen Orientierung der SPD werde auch Schwarz-gelb gezwungen, sich vermehrt an den Belangen der Armen zu orientieren.

     

    Die von Schwarz-gelb geplanten Mini-Verbesserungen bei Hartz IV in Höhe von monatlich durchschnittlich 5,07 Euro je Hartz IV-Empfänger (die darüber hinaus sogar v.a. der FDP-Klientel zugute kommen: in Gestalt der Erhöhung des Hartz- IV-Schonvermögens für ehemals gut verdienende Arbeitslose) zeigt einmal mehr, wie die überwiegend dem schwarz-gelben Lager nahestehenden Medien Union und FDP promoten: Sie verkaufen der Bevölkerung die minimalen Veränderungen bei Hartz IV als große sozialpoltische Tat von Schwarz-gelb.

     

    Gleiches gilt für die Erhöhung des Kindergeldes sowie des Kinderfreibetrages:

     

    Die Berichterstattung der Medien erweckt den Eindruck, als sei die Erhöhung auch des Kindergeldes als eine große sozialpolitische Tat von Schwarz-Gelb zu werten. Wirft man jedoch einen Blick auf die geplanten Entlastungsvolumina, dann zeigt sich ein deutlicher Schiefstand:

     

    -- Spitzenverdiener: Hierbei handelt es sich um ein Fünftel der Familien. Für diese wurde bereits ein Entlastungsvolumen beim Kinderfreibetrag in Höhe von 3 Milliarden Euro vereinbart.

     

    -- Normal- und Geringverdiener: Hierbei handelt es sich um vier Fünftel der Familien. Für diese wird die Entlastung beim Kindergeld maximal (abhängig von der Haushaltslage) 7 Milliarden Euro betragen.

     

    -- Würde den Normal- und Geringverdienern ein Entlastungvolumen analog zu den Spitzenverdienern zugestanden, dann würde sich dieses auf 12 Milliarden Euro (statt 7 Milliarden Euro) belaufen.

     

    Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob für die Spitzenverdiener eine Entlastung überhaupt gerechtfertigt erscheint. Man denke an die gerade aus rechtskonservativen und neoliberalen Kreisen immer wieder vorgetragenen Klagen über den angeblich ausufernden Sozialstaat. Würden diese Kreise ihre eigenen Parolen Ernst nehmen, dann wäre die daraus abzuleitende Konsequenz, die Sozialausgaben stärker an der tatsächlichen Bedürftigkeit der Menschen auszurichten. Schwarz-Gelb plant jedoch das genaue Gegenteil dessen: Wer als Spitzenverdiener schon heute viel hat, dem wird mehr gegeben als den Normal- und Geringverdienern.

     

    FAZIT:

     

    Die Medien werden höchstwahrscheinlich sozialpolitische Mini- und Scheinverbesserungen als sozialpolitische Großtaten von Schwarz-gelb feiern. Das starke konservativ-neoliberale Medienübergewicht ist die halbe Miete für Schwarz-gelb.

  • B
    Bastian

    "Ein erstes Krisensymptom bildet die Entkoppelung von Parteien und Milieus."

    Ist doch was gutes, wenn die Leute nach Überzeugung, und nicht nach Gewohnheit wählen.

     

    "Entgegen der Mär von der individualisierten, medienzentrierten und unpolitischen Wählerschaft haben wir es nämlich weiter mit sozialen Milieus und einer stark politisierten Gesellschaft zu tun."

    Leider steigt jedoch die Zahl der Nichtwähler, weil sich die meisten Leute von den etablierten Parteien verraten fühlen. Eine Abschaffung der Fünfprozenthürde und die Einführung einer Wahlpflicht (wie es sie in einigen europäischen Ländern gibt) könnten Abhilfe schaffen.

     

    "Vertreter der Caritas werden von der Union nicht mehr automatisch geladen, bekommen dafür aber die Chance, dem ehemaligen politischen Gegner Expertise und Maßnahmen anzubieten. Es ist ein Wettbewerb um die "besten" Sozialmaßnahmen entstanden."

    was ist daran schlimm? besser als wenn deren Förderung von der Parteipolitik der Regierung abhängt...

     

    "Es besteht das Risiko, dass aus der ehemaligen Klientel lediglich die "Aktivierbaren" und ökonomisch "Systemrelevanten" gefördert werden. Diejenigen, die der Fürsorge keine Gegenleistung entgegenbringen können, werden als Adressaten uninteressanter."

    Der Zusammenhang ist bei mir nicht angekommen.

     

    "Allerdings wurden die negativen Auswirkungen der Entkopplungstendenzen verstärkt durch einen umfassenden Trend zum Regieren im Konsens. Dabei wurden Verantwortlichkeiten verwischt und die politischen Angebote aus der Sicht von Betroffenen erheblich eingeschränkt."

    Vorteilhaft wenn alle Parteien ihr "wahres gesicht" zeigen, und sich nicht die Hälfte in der Oppsition verstecken kann/wollte.

     

    "Mangelnde Transparenz und die Verlagerung der jeweiligen Einflussnahme ins Informelle führten dazu, dass im etablierten Parteienspektrum nur noch unzureichend Alternativen angeboten wurden - insbesondere für Arme und Armutsbedrohte."

    Jede Koalitionsverhandlung ist ein Symbol der undurchsichtigkeit. Nur wenn über die Koalition hinaus entschieden wird, sehen wir für und gegen was Parteien/Abgeordnete wirklich stimmen.

     

    "Damit einher ging eine Fixierung auf gesamtökonomisch abgeleitete Politikziele. Zentrale sozialpolitische Entscheidungen wie die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe wurden teilweise in außerparlamentarischen Gremien, mit Teilnahme der Gewerkschaften (!), vorbereitet ("Hartz-Kommission") und von allen etablierten Parteien verabschiedet."

    ich finde es garnicht schlimm, wenn die Poltik auch andere Verbände mit an den Tisch holt. Denkbar wäre es doch, mehr Leute ohne Mandat in die Bundestagsausschüsse zu holen, wenn auch ohne Stimmrecht als Berater (z.B. Greenpeace zu ökologischen Themen, Amnesty in Sachen Justitz)

     

    "Dieser Konsenstrend setzte schon während der ersten Amtszeit Schröders ein. Die Reaktion der Wählerschaft bestand zunächst im Aufstieg der Linkspartei und setzte sich nun in Form vermehrter Wahlverweigerung und massiver Verluste für die SPD fort."

    Die Wähler haben nicht den konsens (also den Weg zur Entscheidung), sondern die getroffen Entscheidungen an sich kritisiert.

     

    "Angezeigt ist folglich ein Mehr an Konflikt im Parteienwettbewerb, also ein klares Gegenüber von Regierung und Opposition und die Abwählbarkeit derjenigen, die Entscheidungen zu verantworten haben."

    Das sehe ich ganz anders. in einem komplexer werdenen Parteienspektrum sollte über die Einführung der Konkurdanzdemokratie nach schweizer Vorbild nachgedacht werden. erst durch ein Verschwinden von koaltion und opposition kann im Parlament ein freies Spiel der Kräfte stattfinden. Wäre es nicht schön, wenn ein Abgeordeneter wirklich nur seinem Gewissen und seinem Programm (für das er auch gewählt wurde) verantwortlich ist, und nicht dermaßen Koalitions- und fraktionszwang ausgesetzt ist?

    Wäre das nicht ein mehr an Demokratie?

     

    Eine Abwahl wäre dabei aber auch möglich. Manche Fraktionen fallen dann mal unter die Hürde zur Regierungsbeteiligung (in der Schweiz ca. ein siebtel der Abgeornetensitze), andere kommen darüber, manchmal kann eine Fraktion ein Platz mehr beanspruchen, manchmal muss sie einen Platz abgeben.

    Bei einem solchen System zersplittert das Parteienspektrum stärker mehr Parteien bedeuten aber auch mehr Wahlmöglichkeiten, also tendenziell eine höhere Übereinstimmung mit eigenen Positionen. So haben sich die schweizer Grünen mittlerweile zweigeteilt, das konservative Lager besteht aus drei großen Parteien.

    Andererseits ermöglicht die Konkurdanz und das Wegfallen von Koalitionen allerdings trotzdem ein hohes Maß an Stabilität.

     

    "Schwarz-Gelb und die damit verbundene Rückkehr von Lagern, die für Verschiedenes einstehen, ist insofern als Chance für die Repräsentation finanziell benachteiligter Gruppen anzusehen."

    Ja, die opposition wird sich wieder bei denen Anbiedern, bis sie an der regierung sind.

     

    "Nur was angemessen repräsentiert wird, kann auch Berücksichtigung in den Köpfen anderer Bürger finden. Die teils populistische Fundamentalopposition der Linken konnte dies nicht leisten, da die Partei keine Regierungsalternative bot und für viele nicht wählbar ist. Ein gemäßigt linkes Lager kann dies sehr wohl."

    Was heißt gemäßigt? Die meisten Forderungen der Linken, wie Mindestlohn, Vermögenssteuer, mehr soziale Hilfen, Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf ein Niveau unterhalb das der Kohlära, radikale bildungsreform, mehr direkte demokratie reichen nicht mal an die Realität in vielen europäischen Nachbarländern (und den USA!) an. Dort sind also selbst die konservativen hardcorekommunisten...

    Selbst die Verstaalichung von Banken nimmt in Großbritannien und den USA zu, und zwar weil das Motto der LINKEn "wo öffentliches Geld hinfließet, muss auch öffentliches Eigentum entstehen" in diesen sozialistischen Ländern Gesetz ist. Armes Deutschland.

     

    Die teils absurden Forderungen in Sachen Aussenpolitik sind dann doch eher als Verhandlungsmasse für eventuelle Koalitionsverhandlungen anzusehen. Aus EU- und NatoAustritt wird dann wohl eine angestrebte Reform werden.

     

    "Aus der erzwungenen Öffnung der SPD und der wahrscheinlichen Anpassung der Linken an die neue Konstellation sollte eine politische Alternative entstehen, die vom schwarz-gelben Lager als programmatische Konkurrenz wahrgenommen wird und diese zwingen, auch ihrerseits auf die Interessen von Armen und Armutsbedrohten einzugehen."

    Hoffen wir, dass es stimmt. Glauben kann ich nicht daran!

  • B
    Beliebig

    Der Autor scheint nach meinem Verständnis davon auszugehen, daß das "Regieren im Konsens" zu einer geringeren Vertretung der Interessen Benachteiligter geführt hat und glaubt, daß eine Rückkehr zu politischen Lagern die Entwicklung umkehren könnte.

     

    Ich stimme nicht zu und merke dazu an:

     

    a) die Entkopplung der Milieus ist m. E. durch die Adaptierung von "new labour" und die daraus abgeleitete Wunschklientel der "Neuen Mitte" auf Seiten der SPD gefördert worden. (Andere Parteien sollen hier einmal außer Betracht bleiben). Die Beschluß, Arbeits- und Sozialhilfe zusammenzulegen und sich auf workfare-ähnliche Konzepte einzulassen, bedeutete eine Abkehr vom bis dato als gültig betrachteten Menschenbild und ist sowohl von weiten Teilen der Partei als auch von deren Wählern nicht goutiert worden.

     

    An dieser Denkweise wird bis heute nicht ernsthaft gerüttelt und die Auswahl der neuen Führung verspricht zumindest einige Kontinuität.

     

    Die SPD als Anker eines politischen Lagers, das in bezug auf die Vertretung der Benachteiligten einen Gegenpol zur wahrscheinlichen Regierung bilden wird, halte ich für unwahrscheinlich.

     

    b) Die Idee, daß Sozialverbände u. ä. Interessenvertreter die Anliegen ihrer Klientel durch schneidige Anpassung an ökonomische Zwänge befördern können, halte ich geradezu für abenteuerlich. Sozialverbände vertreten Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen mit unserer ökonomisierten Gesellschaft Schwierigkeiten haben.

     

    Meines Erachtens kann ein Erfolg nur dadurch sichergestellt werden, daß wir in unserer Gesellschaft darüber einen Konsens erzielen, daß ein Mensch kein Produktionsfaktor ist, sondern an erster Stelle ein mit Würde begabtes Individuum, das eingebunden in eine Gemeinschaft Nutzen stiften kann. Gäbe ein Verband diesen Anspruch auf, würde er nur noch dem Namen nach im Interesse seiner Klientel handeln.

     

    Fazit:

    Ich bezweifle Analyse und daraus abgeleitete Folgerungen und glaube nicht, daß Benachteiligte in nächster Zeit sich auf eine bessere Vertretung einstellen können. Persönlich glaube ich das Gegenteil. Stichworte dazu: "Eigenverantwortung", keine Mehrbelastung der Wirtschaft, Steuersenkungen, usw. usf.

  • US
    Uwe Sak

    Auch hier wird wieder auf die Linken eingedroschen.

    Dabei sind Koalitionen nie wrklich an den Linken gescheitert. Und was bitte ist eine Fundamentalopposition? Wenn man in der Opposition ist, kann man nunmal nicht ein bißchen mitregieren.

    Und wer lieber zu Hause bleibt weil für ihn die Linken nicht wählbar sind, der muß eben mit schwarz-gelb leben.