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Debatte Rechtsextreme GewaltWut sucht sich leichte Opfer

Kommentar von Thomas Galli

Gewalt gegen Flüchtlinge hat nur oberflächlich mit Flüchtlingen zu tun: Gastbeitrag des Leiters der JVA Zeithain in Sachsen.

Kein Kessel Buntes: Die Polizei isoliert in Heidenau „angeschlagenes Selbstwertgefühl“. Foto: dpa

G ewalt gegen Flüchtlinge und Ausländer ist zu verachten und mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu unterbinden. Das wird aber nicht genug sein. Nicht genug, um unseren Umgang mit Flüchtlingen wirklich menschenwürdig zu gestalten, und nicht genug, um die Destruktivität und Gewaltbereitschaft vieler Menschen, die sich in Heidenau und anderswo zeigt, nachhaltig zu reduzieren.

Insbesondere zwei Erkenntnisse aus der Forschung mit Gewalttätern sollte die seriöse Politik jenseits der Rechten, zuvorderst die Linke, berücksichtigen, wenn sie mehr tun will, als nur „gegen rechts“ zu sein. Gewalttäter suchen meist nicht ihre Gegner, sondern Opfer. Eine latente Gewaltbereitschaft ist meist Folge langwieriger komplexer Prozesse. Oft stecken eine zumindest subjektiv so empfundene Missachtung, Ausgrenzung und soziale Benachteiligung dahinter.

Sie hat aber nie eine eindeutig zu identifizierende monokausale Ursache. Wenn es so wäre, müsste ja auch mit dem Wegfallen der Ursache die Gewaltbereitschaft an sich verschwinden. Es wird wohl niemand ernsthaft behaupten wollen, dass der rechte Mob keine Bedrohung mehr darstellen würde, wenn es keine Ausländer mehr in Deutschland gäbe.

Die meisten rechten Hetzer und Gewalttäter leben vielmehr ihre Aggressionen auf Kosten von Menschen aus, die nicht ursächlich für diese Aggressionen sind. Sie tun das dort, wo es für sie am „billigsten“ ist. Wut und Aggressionen entladen sich generell vor allem da, wo das geringste Risiko gegeben ist. Jeder kann das gut an sich selbst beobachten. Seinem Chef gegenüber zum Beispiel beißt man sich viel länger auf die Zunge als einem Kollegen gegenüber. Flüchtlinge werden also vor allem deshalb ausgewählt, weil sie vergleichsweise einfache und schutzlose Opfer sind.

Und: Profitieren auch andere als die Rechten selbst, unbewusst und ungewollt von diesem „Opfer“? Für Parteien außerhalb der Regierungsverantwortung ist es vergleichsweise leicht, politisch gegen Rechtsradikale zu punkten. Es ist leicht, Gegendemonstrationen zu veranstalten. Es ist leicht, das Verhalten der Rechten als unmenschlich zu entlarven. Sich gegen rechts zu positionieren und sich damit auch politisch zu profilieren kostet allerdings genauso wenig Gedanken oder Mut (von Ausnahmen abgesehen), wie gegen Flüchtlinge zu sein.

Auch für Regierungsparteien kann es oft ausreichen, Flüchtlinge vor allzu großer Gewalt zu schützen, um gegenüber der Bevölkerung den Eindruck zu vermitteln, die Problematik engagiert und menschenwürdig anzugehen. Die Aggressionen und der Hass vieler gewaltbereiter Rechter sind zudem real, so absurd auch deren Begründung erscheint. Der Ärger für die Politik wäre erheblich größer, würde sich diese Aggression gegen potenzielle WählerInnen – und nicht Flüchtlinge – richten.

Es ist, gerade für die linke Politik, ganz entscheidend, sich bewusst zu machen, dass Gewalt gegen Flüchtlinge nur an der Oberfläche mit Flüchtlingen zu tun hat. Nur dann wird der Blick frei auf die Frage, inwieweit unsere gesellschaftlichen Verhältnisse Gewalt hervorrufen oder begünstigen.

Mangelndes Selbstwertgefühl

Warum sind viele Menschen, auch wenn es ihnen materiell an kaum etwas fehlt, so frustriert? Gibt es ausreichend positive Identifikationsmöglichkeiten gerade für junge Menschen? Kümmern wir uns ausreichend um die, die mit unserer Leistungsgesellschaft nicht mithalten können, oder drängen wir sie immer weiter an den Rand? Geben wir auch schwierigen Menschen ausreichend Möglichkeiten, sich sozial zu integrieren?

Mit diesen Fragen sollte sich die Linke beschäftigen, auch und gerade dort, wo es am schwersten fällt: Im Umgang mit den Rechten. Menschen ändern ihr Verhalten am ehesten, wenn es ihnen subjektiv nützt. Gewalttäter ändern ihre Einstellung zur Gewalt vor allem dann, wenn sie ihr Leben bei einem Verzicht auf Gewalt als lebenswerter empfinden. Das wiederum setzt ein gesundes Selbstwertgefühl und andere positive Ressourcen voraus, die oft erst auf- und ausgebaut werden müssen.

Bild: privat
Thomas Galli

ist Anstaltsleiter in der Justizvollzugsanstalt Zeithain in Sachsen. Befristet leitet Galli auch die JVA Torgau.

Sowenig man es glauben mag, wenn man grölende Nazihorden vor brennenden Flüchtlingsheimen sieht: Ausübung von Gewalt erfolgt fast nie aus einer subjektiven Position der Stärke oder Macht heraus. Es stecken meist ein angeschlagenes Selbstwertgefühl und eine subjektiv empfundene Unfähigkeit dahinter, die Lebensenergie in konstruktive Bahnen zu lenken. Es wäre also noch viel stärker als bisher danach zu fragen, wie die sozialen Strukturen verbessert werden könnten, damit möglichst wenig Aggressionen entstehen.

Und auch für die Nichtrechten darf der Gedanke der Orientierung menschlichen Verhaltens am eigenen Nutzen, so beschämend er auch sein mag, nicht ganz verdrängt werden. Es gibt Menschen, die selbstloser als andere sind, aber als Gesellschaft werden wir einen wirklich menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen und Ausländern nicht erreichen, wenn wir nur auf Nächstenliebe abstellen.

Auf Stimmungsmache verzichten

Letztlich sind es immer die Bedürfnisse, die uns Menschen zusammenführen. Es muss also noch viel stärker Teil des öffentlichen Diskurses werden, welchen Vorteil es für uns hätte, auf Stimmungsmache gegen Flüchtlinge zu verzichten und mit ihnen besser umzugehen.

Nicht nur die Flüchtlinge kommen zu uns, weil sie uns brauchen, sondern auch wir können sie brauchen, etwa als Menschen, die unseren Horizont erweitern, als Arbeitskräfte oder als Teil der Vernetzung in einer sich globalisierenden Welt. Wir reduzieren auch die Terrorgefahr bei uns, wenn wir nicht die Wut der Welt schüren, weil wir trotz unseres Reichtums Flüchtlinge schlecht behandeln. Das alles muss stärker als bislang herausgearbeitet und kommuniziert werden, statt der Versuchung zu verfallen, allzu leicht oberflächlichen Profit aus einer Kritik an den Rechten und dem Ruf nach Strafe zu schlagen.

Das wäre dann nicht nur zum Vorteil der Flüchtlinge, sondern zum Vorteil für uns alle.

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21 Kommentare

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  • Respekt vor Herrn Galli´s "Diskurs"..

    Er spricht implizit, in seiner Bemerkung um die soziale Ausgrenzung, das Problem mangelnder sozialer Anerkenntnis der Rechtsextremen (zumeist Jugendlichen..) an. Wodurch `Rechte Vereinigungen´ sichtbar werden als art Kontinuum von Anerkenntnis, Ritualen, Kameradschaft und gemeinsamen Feindbildern.

    Arbeitslosigkeit, HARTZ IV. , Bildungsferne, Geld, Wohnung und Hilfen für Flüchtlinge, evtl. Verdrängte Sozialtraumata der BRD/DDR Wiedervereinigung (?) nähren evtl. die Feindbilder!

    Dazu der seltsame Rückfall in hässliche Doktrinen der NAZI Philosophie: Sozialstaat und Solidarität "nur" für richtige Deutsche Menschen.. Eugenische Abgrenzung.

    ..ne´kraftmeierische Stillstandskultur.. die den kosmopolitischen Charakter der FDGO noch erst erlernen muss!

  • Teil 2

    Wenn ich beispielsweise die Rechtsextremisten ganz gut einordnen kann, womit deren Gesinnung auch zu tun haben könnte, fiel es mir bis jetzt sehr viel schwerer bei Linksextremisten, aber ich wäre nicht ich, wenn ich nicht mehr verstehen wollte.

     

    Meine Erklärung:

     

    Sehe ich es bei Rechtsextremisten auch so, dass sie ihre Opferanteile nicht gelebt haben, also Anteile von ihnen, die noch nie da sein durften, weshalb sie im Gegenzug eben auch die anderen (Opfer ) nicht da sein lassen können, sehe ich es bei Linksextremisten fast ähnlich gelagert, nämlich dass sie eigentlich auch eine Sorge und Abwehr in sich tragen, die sie sich aber nicht zugestehen können/wollen, denn es passt einfach nicht zu ihrem Bild von einem guten und weltoffenen Menschen. Wenn aber ein Mensch diese Abwehr fühlt und sie einfach nur ablehnt, muss er es auch im Außen bekämpfen und ablehnen vorrangig. Die Projektionsfläche sind in diesem Fall die Rechtsradikalen. Die Konfrontation damit wird offensichtlich auch immer wieder von beiden Seiten gesucht, so meine Wahrnehmungen. Wie bei den Rechtsextremisten als auch bei den Linksextremisten müsste eigentlich eine Bewusstheit für eigene Opferanteile einsetzen.

     

    Wenn wir etwas von uns ablehnen, kann es wie eigener Liebesentzug empfunden werden. Es gibt für die Menschen ja kaum etwas Schlimmeres als Liebesentzug, das wirkt sogar schlimmer noch als Gewalt, vor allem wenn möglicherweise schlimme Opfererfahrungen gemacht wurden. . Je nachdem wie massiv die Opfererfahrungen waren, wird dort auch professionelle Hilfe vonnöten sein. Ich betone nochmal dass es mir hier um Extremismus und Gewalt geht.

    • @welle:

      Da ich glaube, dass ich das betonen muss. Mir geht es vor allem um neue Ansätze und ich wäre die Letzte, die eine Willkommenskultur ablehnen würde. Zudem war ich immer so eingestellt, dass die Menschen, die zu uns flüchten auch professionelle Hilfe brauchen werden, aufgrund ihrer schweren Schicksale, zudem können positive Erfahrungen in dem aufnehmenden Land die Traumatisierungen abschwächen helfen, davon bin ich überzeugt. Ich würde diese Menschen immer willkommen heißen , ohne wenn und aber. Außerdem stehe ich für eine schnelle Integration und die Möglichkeit arbeiten gehen zu können. Diese freiheit wünsche ich jedem Menschen. Dennoch halte ich Redeverbote, wie zum Beispiel kritische Stimmen zu Paralelgesellschaften (Rechtsextremismus, Islamismus, Linksextremismus mit Gewaltentwicklung, strenge patriarchale Strukturen durch die Religion bestimmt usw.) auch wichtig. Den Beitrag "Zoom" vom 02.09.2015 auf ZDF kann ich dort nicht mehr finden aber auf Youtube, was ich als Zensur empfinde, denn er macht auf Probleme aufmerksam. Wir sollten darauf schnelle Antworten finden und zwar jetzt. Ich mag das schwarz-weiß malen insgesamt nicht. deshalb wäre auch mein Vorschlag immer zu solchen negativen Berichten auch immer positive Beispiele zeigen, die sich dem Problem angenommen haben. Wo Rollenspiele durchgeführt werden z.B. usw.

  • Es wird immer wieder von Pegida berichtet. Ich möchte jetzt auch meine Gedanken dazu mitteilen.

     

    Ich teile Pegida erstmal in Pegida 1 und Pegida 2, das finde ich wichtig, wegen der Spaltung die stattgefunden hat. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es gut war, mit den Mitgängern von Pegida 1 zu reden. Viele wurden meines Erachtens in die Gesellschaft zurück geholt.

     

    Pegida 2 dagegen sehe ich immer schon sehr viel kritischer und da wurde nicht genug Acht gegeben, wie ich finde. Ab dem Zeitpunkt stimme ich der Aussage zu, dass Pegida Fremdenfeindlichkeit verschlimmert hat. Es stellte dann, in meinen Augen, den harten Kern dar, wo ein Reden nicht mehr fruchtete. Ich seh es so, dass diese Unterscheidung gemacht werden sollte.

     

    Weiterhin bin ich auch der Meinung, dass Linksextremisten den Rechtsextremismus verstärken. Es war oft die Rede von Ja-Aber Sagern. Meines Erachtens stellt das auch oft eine Diskriminierung von sachlich Argumentierenden dar und ich teile auch nicht die Ansicht, dass es diese krasse Trennung zwischen Ja, aber-Sagern und Ehrenamtlichen gibt. Diese wird meines Erachtens immer durch bestimmte Interessensgruppen so klar getrennt dargestellt. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass eine ganz massive Einschüchterung von gewissen Menschen auch stattfindet. Kaum ein Mensch traut sich noch auch nur ein wenig Kritik zu äußern, weil die Angst extrem geschürt wird, dann ein Nazi zu sein oder als fremdenfeindlich zu gelten. Der Gesellschaft wird damit kein Gefallen getan und die Linksextremistischeren unter ihnen spielen ganz genau so mit der Angst der Menschen wie die Rechtsextremisten. Ich finde diese Entwicklung, die aktuell wieder verschärft mir vorkommt, besorgniserregend.

  • Nach den Projektionen des Unterbewußtseins für die Sexual-Losen, dem Neid der Besitz-Losen nun die Frustrationen der Anerkennungs-Losen und die mit Ankommens-Verfehlungen - so kann man, immer mal wieder, "weite Felder" verkürzen! Lerneffekte, wenn vermutlich auch nur solche von "Kurzschlüssen", sind aber auch durch Verkürzungen und bei Säcken von Mißverständnissen (die Linke) nicht auszuschließen. z. B. bei Gregor Gysi. War Gregor anfangs ein Parteimitglied von denen, die auf Flüchtlinge wie auf Hasen schießen ließen, so ist er heutigentags für ein Engschnallen des Verfassungsbogens bereits für diejenigen, die Stimmung gegen Flüchtlinge machen. Sieht so demokratische Resozialisation aus? Insofern bleibt Resozialisation im Verblendungszusammenhang, dem falschen Leben (Kapitalismus bzw. Gefängnis im Artikel) immer fragil. Selbst bei Gysi.

    --

  • Herr Gallis Gedankengang greift zu kurz! Mangelndes Selbstbewusstsein? Kann sein, muss aber nicht. Ja, es gibt die Plattenbauten mit abgehängten Menschen und ja, dort kann Gewalt entstehen, muss aber nicht.

     

    Es gibt Menschen, mit einer schlimmen Kindheit, die werden kriminell und andere verfolgen aus den gleichen Gründen die Kriminellen.

     

    Was aber vor allen Dingen vergessen wird: Galli reduziert die Rechten auf "die kleine Frau/den kleinen Mann", die/der sich abgehängt fühlt. Un ja, daraus sind sicherlich viele der rechten SchlägerInnen rekrutiert. Aber nicht alle.

     

    Und: die VordenkerInnen sind Akademiker(Innen, Frauen sind es jedoch seltener). Es gibt auch genügend PolitikerInnen, die Anreize geben, obwohl sie nicht dem Rechten Lager zuzuordnen sind (oder sich selbst zuordnen würden), Sarrazin hat es mit seinen Büchern geschafft, de Maizière mit seiner Forderung der Rückkehr zur Sachleistung für Flüchtlinge usw. usf..

     

    Bitte einfach mal in die Geschichtsbücher schauen: Über Hitlers Geist mag man sich ja streiten, aber ihm standen viele intelligente Köpfe zur Seite. (Intelligenz ist ja nicht nur humanistisch einsetzbar. Leider!)

     

    Die Vordenker der T4-Aktion waren ein Psychiater und ein Jurist aus den 20er Jahren.

     

    Über die furchbaren Juristen, TheologInnen, ÄrztInnen im Dritten Reich ist genug geschrieben worden - nur verfolgt und bestraft wurden sie selten oder nie. Das lässt sich auch u.A. in den Büchern von H. Hannover oder E. Klee nachlesen.

     

    Die Freiheit der heutigen Nazis ist auch eine Folge der gründlich versiebten "Aufarbeitung" der eigenen Geschichte. Das "Nie wieder!" jedoch - es bleibt eine Mahnung!!

  • "Flüchtlinge werden also vor allem deshalb ausgewählt, weil sie vergleichsweise einfache und schutzlose Opfer sind."

     

    Völliger Quatsch, sorry. Es gibt ja neben den Flüchtlingen auch noch ne Menge anderer Leute, die vergleichsweise wehrlos sind: Alte, Behinderte, Obdachlose, Kinder... warum werden die dann nicht auch angegriffen?

     

    Mit solch oberflächlichen Psychoklischees ("Erkenntnissen aus der Forschung" - wer ist überhaupt "die Forschung"?) wird rechte Gewalt entpolitisiert und die Gefahr heruntergespielt. Dem Kampf gegen Nazis wird hier ein Bärendienst erwiesen.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      "Völliger Quatsch, sorry. Es gibt ja neben den Flüchtlingen auch noch ne Menge anderer Leute, die vergleichsweise wehrlos sind: Alte, Behinderte, Obdachlose, Kinder... warum werden die dann nicht auch angegriffen?"

       

      Werden Sie doch - oder haben Sie sich noch nie darüber informiert, gegen wen sich "rechts motivierte Gewalt" tatsächlich wendet? Das geht recht oft gegen Obdachlose und durchaus auch gegen Behinderte. Kinder und Alte dagegen werden trotz ihrer Schwäche vielleicht nicht deutlich genug als "anders" wahrgenommen, um das Aggressionspotential auszulösen.

       

      Übrigens glaube ich nicht, dass sich rechte Gewalttäter im Kern überhaupt so sehr von anderen Tätern unterscheiden, die andere wahllos drangsalieren und zusammenschlagen.

      Die vorgehängte rechte Ideologie hat für die Betreffenden nur den Vorzug, das eigene Gewalthandeln zu rechtfertigen.

      • @Marzipan:

        Ziemlich dünn, Ihre Argumentation. Nazis zünden keine Altenheime an, keine Behindertenheime, keine Obdachlosenheime und keine Kinderheime.

         

        Und wenn Sie meinen, daß ein 90-jähriger Mann, eine auf den Rollstuhl angewiesene Frau oder ein Vorschulkind auf Gewalttäter einen weniger unterlegenen Eindruck machen als Flüchtlinge, unter denen sich sogar überproportional viele junge, gesunde und kräftige Männer befinden, die noch dazu durch ihre Fluchtaktion einiges an Mut, Härte und Standvermögen unter Beweis gestellt haben, kann ich nur fragen: Wie kommen Sie denn auf solch absurde Ideen? Glauben Sie an alles, was mit "Statistik" oder "Untersuchung" überschrieben ist, eher als an das, was offenbar und logisch ist?

         

        Wer Nazis entpolitisiert und deren Gewalt aus dem politischen Kontext reißt, schuldet uns eine wasserdichte Erklärung, wie es zum Dritten Reich kommen konnte.

  • ja, habe ICH meinem chef, der zwanzig jahre mobbte, leute gegeneinander ausspielte, jene die klüger waren rauskantete, hab ich mich dem damals frontal entgegengestellt, hab ihn rausgekantet? nein, ich kuschte. dann wurde unsere bude zugemacht und er stieg die soziale treppenleiter nach oben. meine wut, wohin damit?

  • “Jeder kann das gut an sich selbst beobachten. Seinem Chef gegenüber zum Beispiel”…

    Hier las ich nicht mehr weiter. Hab den Thomas Galli (bewusst) nie in meinem Leben getroffen (so wie wahrscheinlich die meisten anderen LeserInnen).

    Und also weiss er nichts von mir (und uns). Ich lass mich nicht in Psycho- oder sonstwelche Statistiken schubladisieren. Und nehme mir seit Jahrzehnten das Recht nach eigener Fasson leben. (Also zB ohne Chefs, ohne Handy, ohne…) Und wenn dann noch ein Hurra-Nabelschau-Weiser kommt, bei dem es nicht einmal mehr statistische Minderheiten, sondern bloss noch die Totalität – “jeder” – gibt, dann ist es mit meiner Aufmerksamkeitsbereitschaft beendet. Den Neuronen und dem Wohlgefühl sei Dank.

  • gutes foto. ;-D

    1312 sagt mehr als der ganze ach so philosophische text. Das argument mit dem "weniger terror" klingt nett, scheint mir aber arg aus der luft gegriffen...

  • Na, da sehe ich als erste Adresse das "tolle" Sächsische Bildungssystem als verantwortlich für das geringe Selbstwertgefühl so vieler Menschen in Sachsen. Die meisten Lehrer/innen sind eine pädagogische Katastrophe und laufen zum Teil selbst bei PEGIDA mit. mindestens gedanklich.

    Viele Eltern drillen ihre Kinder und halten sie zum ja-nicht-aufmucken und bitte nur Einsen schreiben unter Androhung von Strafen an. Vielfach wird gerade dabei auf die ehemalige DDR verwiesen. Es wird selektiert ohne Ende, wenig gefördert und schon gar nicht mit Spaß gelernt. Und Zeit gibt es für Spaß haben und Demokratie leben in Sachsen sowieso nicht.

     

    Bitte in der Schule und im Elternhaus an einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung inkl. politischer Bildung in Sachsen ansetzen! Es ist höchste Zeit, damit wenigstens in 30 Jahren erwachsene Sachsen ein anderes Gefühl für sich und die Welt haben (können).

     

    Aktuell wächst gerade die nächste dauer-niedergemachte Petzen-Generation in Sachsen heran. ABER sie sind in Sachsen ja soooooo viel gebildeter und haben ein soooo vorbildliches Schulsystem!

     

    "Eine latente Gewaltbereitschaft ist meist Folge langwieriger komplexer Prozesse. Oft stecken eine zumindest subjektiv so empfundene Missachtung, Ausgrenzung und soziale Benachteiligung dahinter."

     

    "Gibt es ausreichend positive Identifikationsmöglichkeiten gerade für junge Menschen? Kümmern wir uns ausreichend um die, die mit unserer Leistungsgesellschaft nicht mithalten können, oder drängen wir sie immer weiter an den Rand? Geben wir auch schwierigen Menschen ausreichend Möglichkeiten, sich sozial zu integrieren?"

     

    "Das wiederum setzt ein gesundes Selbstwertgefühl und andere positive Ressourcen voraus, die oft erst auf- und ausgebaut werden müssen."

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Herr Galli, was Sie für ein Verständnis für die Rechten und die Gewalttäter unter den Rechten entwickeln (... die Armen haben vielleicht keine positiven Identifikationsmöglichkeiten ...) ist bemerkenswert. Es erinnert mich an die Betrachtung, daß manchmal der Mörder eines Kindes ja selbst eine so schwere Kindheit hatte, und daß er eigentlich gar nicht schuldig ... usw.

    Erstmal würde Objektivität helfen. Der (oder die) Attentäter von Salzhemmendorf darf (dürfen) nicht wegen Brandstiftung verurteilt werden, sondern schlicht wegen versuchten mehrfachen Mordes. Denn das war auch so. Warum ist das so schwer für Polizei und Justiz? Dieser Anschlag war kein Kavaliersdelikt, für das man sich entschuldigen kann, sondern versuchter Mord.

    Und Ihre penetrante Kritik an den Linken, die seit Langem gegen Krieg sind und lange vor der CDU und der SPD die Ursachen der Flüchtlingswelle anprangerten und eine Lösung dafür anmahnten, ist ziemlich daneben.

    • @4932 (Profil gelöscht):

      Es ist aber nunmal einfach so, dass man zuerst verstehen muss, warum manche Leute so ticken, um die Ursachen dafür bekämpfen zu können. Ich habe es so verstanden, dass es Herrn Galli vor allem um die fehlende bzw. wenn vorhanden, fehlgeleitete Ursachenbekämpfung geht. Das es eben nicht ausreicht einfach "nur" gegen Rechts zu sein.

      Ihrem zweiten Absatz stimme ich voll und ganz zu.

      • 4G
        4932 (Profil gelöscht)
        @Ürre KrankerScheiß:

        Zitat: 'Gewalttäter ändern ihre Einstellung zur Gewalt vor allem dann, wenn sie ihr Leben bei einem Verzicht auf Gewalt als lebenswerter empfinden'. Dieser Satz von Herrn Galli ist eine absolute Platitüde. Das stimmt schon, aber es erfordert eine Erziehung der Gewalttäter. Aber warscheinlich haben Politiker und JVA-Leiter die letzten 25 Jahre (mit gemeinsamem deutschen Grundgesetz) geschlafen und haben gesagt, das sind dumme Jungs, die werden sich schon ihre Hörnchen abstossen und dann aufrechte, verantwortungsbewusste und tolerante junge Leute sein.

        Die fehlende moralische Erziehung hat nicht funktioniert.

        Jetzt ist die Schonzeit vorbei.

        • @4932 (Profil gelöscht):

          Das ist richtig.

           

          Aber es stimmt auch, das die Öffentlichkeit auch jetzt noch keinen Cent bzw viel zu wenig dafür zur Verfügung stellt, dass das bei der nächsten Generation in 25 Jahren anders aussehen könnte. Randalierende Nazis, die nicht mal im Knast landen, sind billiger zu haben für den Staat wie human erzogene Menschen.

          Auch, wenn man klar sagt, dass man diese Generation jetzt aufgibt (was auch schon sehr hart ist und btw unserem Rechtssystem auch widerspricht), entbindet es nicht von der Pflicht, solche Menschen zukünftig zu verhindern.

  • Rechtsextremen sollte man eher ein aufgeblasenes Ego unterstellen, als ein gekränktes Selbstwertgefühl. Die Vorstellung 'verdiente Privilegien' als Deutsche durch Flüchtlinge einzubüßen, ist es, die bei vielen Rechten Aggressionen hervorruft.

     

    Den Mythos vom angeschlagenen Selbstbewußtsein und der damit angeblich zusammenhängenden Neigung zur Gewalt widerlegt z.B. der Psychologe Scott Lilienfeld in seinem Buch '25 populäre Irrtümer der Psychologie'

    • @Eprom:

      Habe gerade mit großem Interesse folgenden Artikel gelesen: http://www.sueddeutsche.de/wissen/studie-kaltbluetig-1.2640562,

      was Sie auch interssieren dürfte. Da aber stelle ich die Frage ob diese Menschen mit einem eingeschränkten Reizempfinden nicht auch Opfer von Traumatisisierungen gewesen sein könnten. Dabei auch die Frage, ob diese, aufgrund einer innneren Selbstbetäubung dann nicht gerade suchthaft nach Abenteuern und größeren Reizen suchen um sich lebendig oder lebendiger zu fühlen, ähnlich wie beim Ritzen.

    • @Eprom:

      Wie erklären Sie sich die Gewalt des IS? Hat alles nichts mit Gewalterfahrungen der Kindheit zu tun? Nicht jedem buchschreibenden Psychologen sollte man vertauen. Es gibt auch die Möglichkeit, dass ein Kind nie geschlalen wurde, aber massiv unterdrückt wurde, das stellt auch eine Form von Gewalt dar. Und es ist zweifeslfrei so, dass die meisten eher eine eingeschüchterte Position einnehmen, nicht ihre Meinung gut vetreten können, wir kommen da auch in den Bereich der Mitläuferschaft. Kein Mensch, der in seiner Kindheit Akzeptanz, Respekt, Anerkennung und Liebe erfahren hat, wir wohl jemals zur Gewalt als Mittel greifen. Verstärker sind ohne jeden Zweifel, wenn ein Mensch selber Gewalt erfahren hat wie körperliche Züchtigung, sexuellen Missbrauch, Vernachlässigung , Unterdrückung.

    • @Eprom:

      das "aufgeblasene" ego - also das künstlich überhöhte - resultiert ja gerade aus dem verletzten selbstwertgefühl.

       

      Im weiteren führt dieses überhöhte ego zu überzogenen vorstellungen von "verdienten privilegien" und, darüber hinaus, zum sich selbst erhöhen durch erniedrigung anderer, vorzugsweise schwächerer. Es folgt das "sich (als) besser fühlen".

       

      Dies ist bitte nicht als entschuldigung sondern als erklärung (eine von mehreren) zu verstehen.

       

      Natürlich spielen auch individuelle veranlagung, charakter und sozialisazion eine rolle.

       

      UND es gibt natürlich auch menschen, die schlichtweg einen übersteigerten hang zur macht und deren ausübung haben; unabhängig von ihrer sozialen UND finanziellen situation.

       

      Es geht m.e. n. bei der ursachen-analyse nicht um entweder / oder sondern vielmehr um sowohl als auch.