Debatte Photovoltaik: Dächer zu Kraftwerken
Vertreter der alten Stromwirtschaft verteufeln die Photovoltaik als teuer. Zu Unrecht! Durch neue Technologien ist ihr Preis rasant gefallen – bald ist sie wirtschaftlich.
L asst doch endlich die Photovoltaik in Frieden! Am heutigen Freitag wird die Stromwirtschaft die Höhe der Umlage veröffentlichen, die im kommenden Jahr über die Stromrechnung erhoben wird zugunsten der Förderung erneuerbarer Energien. Sie wird wieder leicht steigen, so viel ist in den letzten Tagen schon durchgesickert.
Absehbar ist damit ein leidiges Ritual: Vertreter der alten Stromwirtschaft werden jammern, die Photovoltaik mache den Strom so teuer. Die Solartechnik sei unwirtschaftlich, wird man hören, die Einspeisevergütung massiv überhöht – man müsse hier endlich die Axt anlegen.
Doch wer das heute noch sagt, hat schlicht die Entwicklung der vergangenen Jahre verschlafen. In der Tat war Solarstrom einmal teuer; Mitte der neunziger Jahre kostete die Kilowattstunde noch zwei Mark, also rund einen Euro. Doch inzwischen hat die Photovoltaik ihre Position als teuerste Energie im Ökostrommix geräumt – einer grandiosen technischen Entwicklung sei Dank: Seit den achtziger Jahren ist der Preis der Kilowattstunde um satte 85 Prozent gefallen.
ist Autor der taz.
Auf Augenhöhe
An der Spitze der Kosten steht nunmehr die Geothermie. Deren Strom wird im kommenden Jahr mit 25 Cent je Kilowattstunde vergütet, Photovoltaik hingegen wird – je nach Anlagengröße – mit voraussichtlich 18 bis 24 Cent auskommen. Damit ist Solarstrom auf Augenhöhe mit der Bioenergie angelangt.
Und auch mit der Offshore-Windkraft, deren Strom künftig mit 19 Cent je Kilowattstunde vergütet wird, können solare Großanlagen schon mithalten. Die Stromkonzerne seien daher ermahnt: Wer in Windkraftanlagen auf See investiert – was natürlich sinnvoll ist – oder auch Erdwärmekraftwerke baut, der sollte beim Thema Kosten des Solarstroms aufpassen, was er sagt.
Zumal der Preisverfall der Photovoltaik rasant weitergehen wird. Mitte des Jahrzehnts wird die Solarenergie zusammen mit der Wasserkraft und der Windkraft an Land zu den billigsten Formen des Ökostroms zählen. Diese Entwicklung ist Fakt, kein Träumerei. Und sie ist inzwischen zu weit fortgeschritten, um noch gestoppt zu werden – zum Glück.
Somit dürfte die Photovoltaik auf dem privaten Hausdach schon in wenigen Jahren ohne Förderung auskommen. Denn wenn künftig die Kilowattstunde nur noch 15 Cent kostet – und das ist ein absehbarer Wert – ist sie wirtschaftlich. Das ergibt sich aus folgender Rechnung: Die Hälfte des erzeugten Stroms verbraucht man selbst und spart damit Netzstrom zum Preis von 25 Cent je Kilowattstunde. Selbst wenn man die andere Hälfte der erzeugten Kilowattstunden nur zum Großhandelspreis von 5 Cent einspeisen würde, läge die kalkulatorische Durchschnittsvergütung bei 15 Cent – die Anlage wäre somit ohne Förderung rentabel.
Erfolgreiche Energierevolution
Zugegeben: Für die bislang installierten Photovoltaikanlagen haben die Stromkunden eine finanzielle Last auf sich genommen. Doch damit haben sie nichts Unbedeutenderes als eine Energierevolution ermöglicht: Jedes Dach kann heute zum Kraftwerk werden, jeder Bürger zum Stromerzeuger. Die Energiewirtschaft wurde demokratisiert. Damit war und ist die Förderung ihr Geld allemal wert.
Und man hat Technologieförderung betrieben. Zwar bemängeln Kritiker längst, dass ein nicht unerheblicher Teil der Einspeisevergütungen am Ende in Asien, vor allem in China landet, wo immer mehr Solarmodule gefertigt werden. Doch auch dieses Thema sollte man sich genauer betrachten. Denn die Solarfabriken in Fernost sorgen wiederum für Wertschöpfung in Deutschland, indem sie vorwiegend auf deutschen Maschinen produzieren. In diesen nämlich steckt das entscheidende Know-how. Und davon leben deutsche Maschinenbauer. So kommt mancher Euro, der für chinesische Module abfließt, auch wieder nach Deutschland zurück.
Zudem besteht eine Solarstromanlage nicht alleine aus Modulen. Der Wechselrichter zum Beispiel, der nötig ist, um den Gleichstrom der Module in netzkompatiblen Wechselstrom zu wandeln, kommt meistens aus Deutschland. Der Weltmarktführer SMA sitzt bei Kassel und generierte im Jahr 2010 mit 5.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 1,9 Milliarden Euro. Ohne die stringente heimische Solarförderung hätte SMA seine Spitzenposition niemals erringen können.
Insgesamt hat die deutsche Solarstrombranche im vergangenen Jahr übrigens Waren im Wert von 5 Milliarden Euro exportiert – auch das ist in der Diskussion zu berücksichtigen. Und nicht zuletzt beschert die Solarförderung auch dem Handwerk willkommene Einnahmen, einer Branche, die naturgemäß niemals nach Asien auswandern kann. Zudem hängen in Deutschland noch viele Arbeitsplätze an der Solarforschung – Jobs, die auch wieder indirekt am heimischen Solarmarkt hängen. Rund drei Viertel der weltweiten Solarforschung ist in Deutschland angesiedelt, es sind oft hochqualifizierte Arbeitsplätze.
Deutschland spart
Trotz all dieser Aspekte fließt unbestritten ein Teil der Solarförderung, die jeder Stromkunde über seine Rechnung bezahlt, ins Ausland ab. Aber man muss sich zugleich vor Augen halten, dass jenes Geld, das für Erdöl ausgegeben wird, sogar fast komplett aus Deutschland abfließt. Und auch Gas wird bekanntlich großteils importiert. Längst spart Deutschland somit durch den Einsatz erneuerbarer Energien jedes Jahr einen hohen einstelligen Milliardenbetrag aufgrund der reduzierten Importe fossiler Energieträger.
Dem steht, wie gesagt, nun im kommenden Jahr eine Erhöhung des Strompreises um voraussichtlich etwa einen halben Cent je Kilowattstunde entgegen. Das entspricht einem Aufschlag auf die Stromrechnung von etwa 2 Prozent. Viel ist das nicht – soviel sollte die Energiewende jedem Stromkunden wert sein.
Wer 2 Prozent Aufschlag trotz allem für zu viel erachtet, dem sei in Erinnerung gerufen: Die meisten Haushalte gehen heute so sorglos mit Strom um, dass sie eine Preiserhöhung in diesem Umfang mit ein wenig Umsicht locker durch Einsparungen kompensieren könnten. Und das gäbe der Energiewende, nebenbei bemerkt, sogar noch einen zusätzlichen Impuls.
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