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Debatte ObamaNo more Mr. Nice Guy

Kommentar von Marcia Pally

Post aus New York: Obama hat eine "Politik der ausgestreckten Hand" versprochen. Das Ringen um sein Konjunkturprogramm hat die Grenzen dieses Konzepts gezeigt.

B arack Obama, Retter des amerikanischen Traums und Symbol der Hoffnung, ist jetzt seit rund drei Wochen Präsident, und schon haben wir es mit sämtlichen Evangelien zu tun. Jesus sagte: liebe deinen Nächsten, und sei er auch dein Feind. Pontius Pilatus war ein Feind, der diese Liebe eindeutig nicht erwiderte. Jesus gab Liebe und wurde gekreuzigt. Und jetzt beginnt die ganze verflixte Geschichte noch mal von vorn.

In seiner Antrittsrede sprach Obama davon, denen die Hand zu reichen, die ihre Fäuste öffnen. Sein Wahlkampf basierte auf dem Versprechen parteiübergreifender Aussöhnung in Washington. Im Glauben, Amerikaner würden dieselben Grundwerte vertreten, möchte er die Gemeinsamkeiten suchen und nicht spalten. Also streckte er seine Hand zum politischen Gegner aus, um das größte Problem der Nation zu lösen: die Finanzkrise. Er sagte, er werde sein Konjunkturpaket anpassen, um republikanische Vorstellungen mit aufzunehmen - und streckte damit eine politische Hand aus.

Aber in dieser Wiederaufführung von "Pontius Pilatus" besitzen die Republikaner Fäuste und Äxte. Reicht Obama ihnen die Hand, hacken sie sie ab.

In der zweiten Woche seiner Präsidentschaft veränderte Obama die Vorlage des Repräsentantenhauses, um die Republikaner mit ihren Prioritäten einzubinden. Zum Beispiel strich er ein paar ursprünglich für Medicaid, die staatliche Krankenversicherung für Arme, vorgesehene Leistungen. Dazu gehörten eine ganze Reihe von Angeboten zur Familienplanung sowie Vorsorgeuntersuchungen für bestimmte Arten von Krebs. Wäre es bei dieser Regelung geblieben, so wäre es langfristig möglich gewesen, bis zum Jahr 2014 bis zu 200 Millionen Dollar einzusparen, zugleich hätten 2,3 Millionen armer Frauen diese Hilfe durch Medicaid erhalten. Indem einer halben Million armer Frauen der Zugang zu Verhütungsmitteln erleichtert worden wäre, wäre auch die Zahl der Abtreibungen gesenkt worden. Das hätte den Republikanern, die sich "wenig Staat" und weniger Ausgaben wünschen, ebenso wie den Abtreibungsgegnern der religiösen Rechten eigentlich zusagen müssen. Aber so war es nicht. Die Republikaner sahen nur die Worte "Empfängnisverhütung" und "öffentliche Mittel" und beschuldigten Obama, ein König der Geldgeschenke zu sein. Obama strich die Klausel - und streckte damit eine politische Hand aus.

Sein Zugeständnis wurde nicht erwidert. Kein einziger Republikaner im Repräsentantenhaus stimmte für Obamas Konjunkturpaket. Im Senat wurden weitere Millionen gestrichen, die für Schulbauten, Nahrungsmittel und Gesundheitsversorgung für Bedürftige sowie dafür, den finanziell angeschlagenen Bundesstaaten zu helfen, vorgesehen waren.

Obamas ursprüngliches Konjunkturprogramm enthielt auch eine Klausel, um Familien zu helfen, die ihre Hypotheken nicht mehr abzahlen können. Er strich sie ebenfalls aus der Gesetzesvorlage, weil er sich nicht den Zorn der Republikaner zuziehen wollte. Diesmal wartete Obama nicht einmal ab, ob die Republikaner seine Hand zurückweisen würden: Er schoss sich gleich selbst ins Knie.

Wie lautete die Antwort der Republikaner auf Obamas rücksichtsvolles Entgegenkommen? Lindsay Graham aus South Carolina kreischte im Senat: "Dieses Gesetz stinkt!" Auf Fox News ging sie noch weiter: "Der Präsident hat keine Führungsqualitäten gezeigt." McCain steuerte sein eigenes "Ich klage an" bei: "Das ist kein Konjunkturprogramm, das ist ein Ausgabenprogramm."

Nun, in den Evangelien hat sich Jesus nicht entschuldigt, sonst hätte Pilatus die Kreuzigung vielleicht abgeblasen. Nicht so die Republikaner, sie griffen erneut an. In der dritten Woche kam heraus, dass Tom Daschle, den Obama zum Gesundheitsminister ernennen wollte, Steuerschulden hatte. Daschle verzichtete und Obama entschuldigte sich - worauf die Republikaner auf ihn eindroschen. Als wenn eine Entschuldigung etwas Schlimmes sei. Diesmal stürzte sich die Presse auf Obama, weil er seine Hand zu weit ausgestreckt und zu viele Pläne fallen gelassen hatte. Graham hätte in einem Punkt recht, erklärten boshafte Beobachter: Obama führe die Republikaner nicht so, wie es ihnen gebühre, mit einer kurzen Peitsche in geballter Faust - stattdessen versuche er, ihnen die Hand zu reichen.

Schließlich war Obama genervt. Auf McCains Ausgabenvorwurf antwortete er: "Was glauben Sie, was Konjunkturprogramm heißt? Natürlich geht es dabei um Ausgaben." Er sagte, die Republikaner würden erneut auf ebenjene Politik drängen, die erst zu der Finanzpleite geführten habe: Laisser-faire, geringe Staatsausgaben, Steuererleichterung für die Reichen. Er sagte, angesichts weiterer 600.000 Arbeitsplätze, die im Januar verloren gingen, seien sie verantwortungslos. Daraufhin wurde ihm vorgeworfen, "feindselig und schnippisch" zu sein, wie es ein Autor der New York Times sagte, was "einem Mann nicht ansteht, der versprach, den Tonfall in Washington zu ändern."

Letztendlich werden sich Senat und Repräsentantenhaus auf ein Konjunkturpaket einigen. Aber dies hier ist das Ergebnis der dritten Woche: Wenn Obama die Hand reicht und die Republikaner sie abhacken, ist er nicht hart genug. Wenn er Härte zeigt, macht er sich schuldig, weil er die Republikanern nicht dazu bringt, ihm die Hand zu reichen.

Als Bush im Jahr 2000 an die Macht kam, hatte er die Wahl nicht gewonnen; stattdessen wurde ihm die Präsidentschaft vom Obersten Gericht zugesprochen. Dennoch verhielten sich die Republikaner, als sei er von Gott persönlich eingesetzt worden. Sie paukten ein Gesetz nach dem anderen durch, wie es ihnen passte, und dachten nicht im Entferntesten daran, den Demokraten die Hand zu reichen.

Die Republikaner verstehen sich auf Aggression. Sie versuchen, Macht zu bekommen - und zwar nicht, indem sie, wie einst Jesus, der Welt das Evangelium der Feindesliebe predigen. Wofür er gekreuzigt wurde. Aber Jesus war kein Politiker. Obama dagegen schon. Er ist Präsident, nicht Retter. Dabei schließt das eine das andere nicht aus: Selbst Präsidenten können sich ethisch verhalten. Wenn Obama allerdings seine Vision vom "Wandel" umsetzen will, muss er dafür sorgen, dass andere sie nicht zerstören. Dass andere sie nicht zerstören können. Das ist Macht.

In den ersten drei Wochen als Präsident hat Obama den Unterschied zwischen einer ausgestreckten Hand und Macht kennengelernt. Das wird sich wiederholen - nicht nur zwischen Republikanern und Demokraten, sondern etwa zwischen den USA und dem Iran, und zwischen den USA und Deutschland. Vielleicht wünschen sich die Deutschen heute, dass Obama gegenüber den Republikanern mehr Härte zeigt. Aber würden Sie sich dieselbe Härte wünschen, wenn er mehr Soldaten für Afghanistan anfordert?

Obama ist weder der Retter Amerikas noch Deutschlands. Er ist "nur" Präsident.

Aus dem Amerikanischen von Rosemarie Nünning

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