Wenn alle EU-Staaten wirklich ausschließlich miteinander konkurrieren würden, dann wären die beträchtlichen Lohnsteigerungen in Großbritannien, Schweden, Dänemark (und Luxemburg, Norwegen) sicherlich nicht möglich gewesen. Diese Lohnsteigerungen sind aber real und nachprüfbar.
Worum es geht: Die Frage, wie sich Staaten ihre Wirtschaft strukturieren, welche Methoden und welche Ansätze sie verfolgen, zum Beispiel Orientierung auf Nachfrageorientierung, gibt es eben mehr den Ausschlag, als die Frage, wieviel verdient ein KfZ-Mechaniker in Aarhus, Oslo, Manchester, Berlin oder Malmö - der Autobesitzer in Stuttgart hat im Prinzip keine Chance, realistisch diese Preisgefälle für sich zu nutzen.
Nun fahren einige Berliner zu Lidl in Polen, aber wer das wirklich bis auf den letzten Cent durchkalkuliert, der wird sehen, dass es nicht wirklich lohnt oder erst ab einem Einkauf von X Euros.
Genausowenig konkurrieren ein Pizza-Bringdienst, eine Wäscherei, eine Espresso-Bar oder ein Klempner in den besagten Städten. Vielleicht konkurrieren die Männer am Band bei Ford, VW, Skoda, Fiat und Volvo - aber selbst hier hängt doch sehr viel von Marke, Marktpräferenzen und Image ab, dass es am Ende weitaus weniger eine direkte Konkurrenz ist, als wenn man Uran aus einem Land Y und einem Y vergleicht.
Der Neoliberalismus behauptet dieses Konkurrenzverhältnis, um - meist beflügelt von Aufdeckungen von Sozialmissbrauch - Einschnitte bei Löhnen und sozialen Sicherungssystemen durchzusetzen. Sieh mal der Arbeiter in Manchester, Antwerpen, Oslo, Tokyo, Detroit - egal wo, Du bist zu teuer, Deine soziale Absicherung kann keiner bezahlen und die Gesellschaft ist doch eh bankrott! Oh Gott, die Kosten explodieren.
Das ist der Rapp des Neoliberalismus und auf den fallen die Menschen in großer Scharr rein, weil es sich mit Alltagserfahrungen deckt: Wer viel ausgibt, hat wenig am Ende in der Tasche. Nur ist die Tasche der Gesellschaft, des Arbeiters, des Staats, der Kommune und des Landkreises nicht identisch mit einem Individuum. Und deswegen hinkt auch diese Argumentation an allen Stellen.
Als der SPD-Finanzminister mit der CDU ein Auffangpaket für die Banken schnürrte, da war dann auch nicht die Rede vom Bankrott, von Leistungsgerechtigkeit oder von der Höhe der Zuwendungen. Im Gegenteil ein Manager bei der Commerzbank durfte nach diesem Regelwerk legal 500.000 EURO vom Staat einstreichen - als Jahresgehalt und ohne Auflagen. Selbst ein solches Gehalt war in keinster Weise anstößig für die Politiker und die Menschen, die die Seiten von Wirtschaftszeitschriften füllen.
Warum?
Weil die Commerzbank die Dresdner Bank gekauft hat und damit ein neue, überlebensfähige Bank in deutscher Hand aus der bisherigen Krise entstanden ist. Dass ein wirklich kapitalistisches System nationale Grenzen eher nicht kennt und dass diese Bank dann auch an Alwalleed oder Warren Buffet hätte gehen können, das war als Argument plötzlich vollkommen ausreichend.
Und die Gebühren für Colleges in der Schweiz, den USA oder England, Ferienhäuser und Luxusautomobil findet dann der Staat erhaltenswert, auch wenn er im Prinzip die ALDI-Tüten eines Langzeitarbeitslosen gerne durchsuchen will. Aber hier geht dann ja um eine andere Art von Show und Aktion - das sind eben Birnen und Äppfel.
Sind es aber nicht für den Bürger und Steuerzahler, denn der kommt für die ALDI-Tüten des Arbeitslosen genauso auf wie für die College-Gebühren des Super-Pleite-Managers bei der Hyp oder Commerzbank - nur für seine Steuern und Abgaben erhält er eben bei dem Manager das schlechtere Geschäft.
Ich denke, dass dieser Autor eine gute Debatte angestoßen hat. Wenn mehr Menschen anfangen, darüber nachzudenken, warum die neoliberale Doktrin noch nie gehalten hat, was sie versproche hat, dann wären wir ein Stück weiter. Der Mut zu neuen Ideen ist doch dringender den jeh gefragt. Wer sich die Rot-Grünen und dann Jahre der großen Koalition ansieht, der entdeckt doch eine große Ratlosigkeit bei den Politikern und den Wahlergebnissen.
Was nützt es uns, wenn die Linke 2040 an die Macht kommt?
Vielleicht viel in diesem Jahr, aber jetzt nützt das niemanden etwas, darum müssten die anderen Parteien ihre wirtschaftspolitischen Konzepte hinterfragen. Bei der SPD passiert dies ja nur noch über bitteres Leiden und dicke Trähnen, denn diese Partei gewinnt nur noch ganz selten eine Wahl, wenn dann meist in Klein-Mini-Dorf den Gemeinderat für 200 Personen. Bei den anderen Parteien hat sich eine gewisse Borniertheit breitgemacht, die zu nichts führt.
Keine dieser Parteien löst ein sozial-ökonomisches Problem unserer Zeit. Weder wächst die Wirtschaft dynamisch, noch sinkt die Arbeitslosigkeit.
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