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Debatte MagermodelsWeg mit den Hungerhaken!

Kommentar von Kathrin F. Müller

Die "Brigitte" will nur noch mit Laienmodels arbeiten. Das enorme Presseecho zeigt, wie sensibel wir auf veränderte Schönheitsideale reagieren.

Endlich: Der Magerwahn geht dem Ende zu. Bild: madochab/photocase

D ie Frauenzeitschrift Brigitte wird ab 2010 keine professionellen Models mehr abdrucken. Sie will damit ein Zeichen gegen Magermodels setzen. Chefredakteur Andreas Lebert kündigte die Neuerung mit großen Worten an: Brigitte starte eine "Revolution", die den "gesamten Frauenzeitschriftenmarkt aufrütteln" und eine "gesellschaftliche Debatte neu entfachen" werde. Für Frauen brächen demnach bessere Zeiten an.

Das Medienecho war enorm. Seriöse Tageszeitungen vermeldeten die beabsichtigte Kehrtwende ebenso prompt wie die Bild-Zeitung. In dieser Reaktion zeigt sich einmal mehr, dass der Frauenkörper eine Stellvertreterfunktion hat. Er ist ein Politikum, weil Weiblichkeit seit den Anfängen der bürgerlichen Gesellschaft mit wünschenswerter Körperlichkeit assoziiert wird. Sollte Leberts Prognose zutreffen, wären die abgebildeten Frauen und damit auch die Leserinnen künftig weniger stark artifiziellen Schönheits- und Schlankheitsidealen unterworfen.

Doch führt die Entscheidung, ausschließlich Leserinnen oder "Frauen von der Straße" abzubilden, tatsächlich zur Freisetzung emanzipativer Kräfte und ist damit mehr als kluges Marketing? Ja, das tut sie - jedoch nicht in der Weise, wie es uns die Brigitte-Redaktion verkaufen möchte.

Ohne Zweifel betritt Brigitte mit dem Verzicht auf Profimodels Neuland. Trotzdem versucht die Redaktion Vorschusslorbeeren für eine Innovation zu ernten, die sie letztlich nur nachvollzieht. Ihr Ursprung liegt in der Vervielfältigung von Frauenbildern in der bundesdeutschen Gesellschaft. Ein ähnliches Zusammenspiel zwischen Gesellschaftswandel und Medieninhalt lässt sich auch in britischen und US-amerikanischen Frauenzeitschriften beobachten. Frauenzeitschriften sind bisher nicht als Verfechterinnen alternativer Frauenbilder in Erscheinung getreten. Sie sind jedoch Seismografen für die Veränderung des kollektiven Verständnisses von Weiblichkeit. Stets vertreten sie ein Frauenbild, das dem Erleben ihrer Zielgruppe entspricht. Damit schaffen sie Lebensnähe. Entsprechend begründet auch der Chefredakteur die Abschaffung der Profimodels mit dem Wunsch der Leserinnen nach lebensechteren Frauendarstellungen. Hier liegt also der Schlüssel zum Verständnis der Änderungsbestrebungen. Ein Umdenken hat somit schon vorher stattgefunden, die Redaktion hat lediglich reagiert.

Brigitte-Leserinnen stammen aus der Mittelschicht. Sie haben eine weiterführende Schule besucht und eine Berufsausbildung abgeschlossen, sind deutlich älter als dreißig Jahre, berufstätig und eher wohlhabend. Aktuellen Studien zufolge sehen sich diese Frauen als kritische und emanzipierte Mediennutzerinnen. Magermodelle stellen für sie mehrheitlich ein pervertiertes Körperideal dar. Trotzdem erwarten dieses Publikum gerade im Moderessort ästhetische Inszenierung körperlicher Attraktivität. Es möchte durch das Lesen der Zeitschrift die überhöhte Femininität als einen Aspekt von geschlechtlicher Identität erleben.

Hier liegt die Krux: Feminine Ideale für ein breites Publikum goutierbar zu machen, ist nur möglich, sofern den Darstellungskonventionen weiterhin entsprochen wird. Der Verzicht auf professionelle Models wird also wenig zu einer Veränderung normativer Geschlechterkonzeptionen beitragen, denn der Zwang zur körperlichen Attraktivität wird nicht an Bedeutung verlieren, auch wenn die Models normalgewichtig sind.

Brigitte selbst hat die scheinbare Negation von Konventionen bei deren gleichzeitiger Reproduktion in Brigitte Woman vorgemacht. In dem Tochterheft werden seit 2000 ausschließlich Frauen abgebildet, die nicht der Model-Normalität entsprechen. Die Fotografierten sind über 40 Jahre alt, und das soll die Leserin ihnen auch ansehen. Doch trotz Fältchen wirken die Frauen attraktiv und weiblich. Ähnliches gilt für die Kampagne der Kosmetikfirma Dove. Sie brach zur Freude von Presse und Publikum ebenfalls mit dem Schlankheitsideal, bot darüber hinaus aber wenig Neues an. Die Fotoästhetik, die Präsentation von Idealproportionen und ein Zwang zu Authentizität, Charisma und demonstrativen Wohlbefindens finden sich hier genauso wie in durchschnittlichen Werbekampagnen. Darüber hinaus wird in allen Kampagnen der Mediennutzerin - auch auf eigenen Wunsch - vor Augen geführt, wie sie sich optisch als Frau präsentieren muss, um eine klare Trennung der Geschlechter zu bestätigen. Alternative Geschlechterinszenierungen, wie etwa Androgynität, sind somit obsolet. Das emanzipative Potenzial ist folglich gering.

Dennoch: Der Verzicht auf Profimodels bietet eine Chance zur Veränderung der Geschlechterdefinitionen in der bundesdeutschen Gesellschaft. Sie tritt aber nicht erst im Januar 2010 auf den Plan, wenn die erste Brigitte-Ausgabe ohne Models erscheint, sondern schon jetzt.

Die Ankündigung der Redaktion hat verdeutlicht, dass die mediale Darstellung von Geschlecht verhandel- und veränderbar ist. Die Modifikation des Körperbildes in Brigitte macht deutlich, dass Weiblichkeit als Gesamtkonzept stets revidiert werden kann. Schließlich wird nun mit der für Frauenzeitschriften scheinbar unausweichlichen Notwendigkeit gebrochen, Models abbilden zu müssen. Gleichzeitig folgt die Abbildung "normaler" Frauen anstelle von Models natürlich dem kapitalistischen Prinzip, das immer wieder seine eigenen Ausschließungen revidieren muss, um "neue" Marktsegmente zu erschließen. Dennoch, es bleibt ein Veränderungspotenzial.

Darüber hinaus wird sichtbar, dass jeder durch seine Kaufentscheidung am Kiosk etwas bewirken kann. Schließlich hat die Abwendung der Käuferinnen dazu geführt, dass sich die Zeitschrift zumindest ein Stück weit pluralisieren wird. Auch wenn das Korsett gesellschaftlicher Geschlechterdefinitionen durch die aktuelle Diskussion nicht gesprengt wird, lockert sich doch zumindest seine Schnürung. Nicht im Sinne eines revolutionären Aktes, sondern Schritt für Schritt.

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11 Kommentare

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  • C
    Clara

    Liebe Frauen: Was ist denn soo tragisch daran, mit über 40 immer noch schön und weiblich zu sein? Mein Gott, macht mal eine Reise in südliche Gefilde uns seht euch an, wie anmutig und schön Frauen in jedem Alter sind, und die gehen auch arbeiten und haben eine ganze Schar von Kindern UND einen Ehemann zu versorgen. Ach ja, sie sind keine unterwürfigen Hausmuttis, sondern meist gebildete stolze Menschen. Sie lassen sich auch nicht gehen und Barthaare am Kinn spriessen, schmuddelige Self-made-Frisuren tragen und in kahki-farbenen Einheitsklamotten rumrennen. Emanzipation ist doch keine gewollte Entscheidung zum Häßlichsein! Zu heiraten oder ein Kind in die Welt zu setzen ist doch nicht das Ende der eigenen Schönheit! Ich bin absolut gegen diese fotoshoperzeugten minderjährigen Hungermodels, aber eine freiwillig verschmuddelte berufstätige Mittelständlerin ist mindestens genauso schlimm.

  • N
    Nelly

    @ronni: die Brigitte-Diät ist aber auch bekannt dafür, ein ausgewogenes Vollwert-Konzept zu vertreten – im Gegensatz zu vielen anderen

  • R
    ronni

    Ist an der ganzen Sache nicht irgendwie putzig, dass ausgerechnet die Brigitte für die gleichnamige Diät bekannt ist?

  • EM
    Ein Mann

    Gott, da wird hier von Weiblichkeit und Frauenbild und bla gesprochen, dabei geht es um Models:

    Laufstegmodels sind aber keine Frauen, das sind Kleiderständer und so sehn die auch aus. Ich mein, die meisten Modedesigner sind schwule Männer oder Frauen, wie sollen die denn wissen, wie eine schöne Frau aussieht?^^

     

    Das inzwischen mal etwas Weiblichkeit in die Modelbranche kommt, muss aus männlicher Perspektive ĵedenfalls begeistern!

  • WG
    Waltraud Gundlach

    Wer sagt denn, daß es Schönheit nicht gibt außerhalb der "Hungerhaken"-Mädels?

    Der TAZ Beitrag ist reine Mäkelei. Was will die Schreiberin mit vielen leere Worten sagen?

  • S
    Stefan

    Da freut sich der Pixelschubser, so hat er etwas mehr Arbeit beim retuschieren der Bilder.

     

    In diesen Zeiten freut sich doch jeder über mehr/größere Aufträge ...

  • L
    Lily

    @ Majo

     

    Und warum ist das so, dass Frauen sich ständig für zu dick halten? Unsere Mütter oder Großmütter kannten das nicht. Überall, wohin das Auge blickt, sind magere und operierte, künstlich veränderte Frauen abgebildet. Sie sehen fast alle gleich aus, anscheinend perfekt, strahlende Vorbilder aus der Retorte.

     

    Insofern ist es ein guter Schritt, den Brigitte plant. Er wird bestimmt erfolgreich sein.

  • K
    Kommentator

    [Zynismus: an]

    Ach wat:

     

    So, jetzt ham wer uns alle an den Hungermodels "satt"gesehen, jetzt wollen wir zur Abwechslung mal wieder was "deftiges" serviert bekommen.

    Adipositas-Models: Los, schaufeln für das neue Ideal!!

     

    Und dann vielleicht Frauen mit besonderen Makeln...Brandings, Schnittwunden-OPS und Amputationen. Wenn schon nicht gesund, dann wenigstens (mal wieder) richtig krank.

     

     

    Man bedient nur den Markt und dieser seine sich wandelnden originellen Bedürfnisse.

    Und die Modelle passen sich perfekt an.

    Los, ritzen, 1,2,3..

     

    [Zynismus: aus]

     

    Im Ernst: Gibt es hier irgendwen, der auf Magersucht, Adipositas oder andere kranke Extreme steht?

    Oder ist der Markt doch nicht auf seine Konsumenten abgestimmt?

  • A
    anonym

    jep (jedenfalls in den meisten Fällen) - und warum???

     

    Weil den Frauen (mittlerweile fangen sie auch bei den Männern an) eben ein solch falsches Bild aufgezwängt wird.

    Wird das geändert, kannst Du "Mann" "einer Frau" auch gerne sagen wie schön dick sie ist...

  • M
    Majo

    Quatsch mit Sauce. Mann braucht bloß das Wort "dick" einer Frau gegenüber zu erwähnen und schon ist der gemeinsame Abend versaut!

  • A
    ama.dablam

    Frau Müller, Sie können Ihre Sätze von mir aus auch zehnmal wiederholen, gegen ästhetisches Empfinden, das dem Menschen immanent ist, kann man nicht argumentieren oder gar erzieherisch tätig werden. Schauen Sie sich Erichs Heftchensammlung in Wandlitz an. Wir sind insoweit nicht das Produkt gesellschaftlicher Konventionen, sondern umgekehrt.

     

    Wem von Natur aus weniger gegeben ist, der kann sich damit abfinden und sein Leben entsprechend einrichten oder er/sie ist verpflichtet, mehr Akribie und Fleiß auf das eigene Erscheinungsbild zu verwenden.