: Debatte Kil/Jonas
■ betr.: "Dem alten SED-DEnken verhaftet", taz vom 3.7.90
betr.: „Dem alten SED-Denken verhaftet“, taz vom 3.7.90
Nun setzen Sie doch bitte mal endlich ihre kalte SED-Brille (natürlich mit Anti-Effekt) ab. Sie sehen ja schon wieder rot, wo doch schon viele einfache Leute in ihrer sogenannten „Noch-DDR“ zunehmende Schwarzzonen erkennen. Sie als Noch -Westler sollten sich mal richtig unters Volk mischen, mal mit ihm leben. Dann würden Sie vielleicht verstehen, daß jeder Mensch eine Vergangenheit, eine Identität braucht. Wollen Sie wirklich ein Volk kriminalisieren? Es hat ja zum überwiegenden Teil in dem Staat DDR zu leben gewagt.
Wer soll denn nach Ihrer Meinung entscheiden, wen man bei Rundfunk und Fernsehen entlassen muß? Etwa Noch-BRD-Bürger? Am besten, wir machen DFF gleich zu, nicht wahr? Die „Tagesschau“ ist ja so freiheitlich, die „Aktuelle Kamera“ ist so verkommen; die berichten neuerdings so furchtbar nüchtern, da kriegt man ja Angst vor dem linken Potential (nicht SED-Potential!). Wie kann denn heute jemand den ach so freien Journalismus in der Noch-BRD überhaupt kritisieren? Wieso wagen überhaupt noch Leute, irgendwelche Rechte auf die eigene Herkunft einzuklagen. Die deutschen Regierungen von Adenauer bis Kohl haben die DDR-Bürger nie anerkannt. Siehe da, diese Demokraten hatten recht - oh, Du weiser Kohl!
Aber wer SED und PDS einfach gleichstellt, der müßte logischerweise BRD und Drittes Reich genauso behandeln. Man bekennt sich ja jeweils zu seiner Vergangenheit und betrachtet sich als Rechtsnachfolger! Vielleicht sollte sich die Regierung doch ein neues Volk wählen.
Joachim Ehlig, Weißwasser/DDR
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