Debatte Journalistenpreis: Wenn der Pulitzer wackelt
Erstmals wurden Mitarbeiter der Boulevardpresse nominiert. Werden sie ausgezeichnet, schafft sich der Qualitätsjournalismus selbst ab.
Amerikas ambitionierte Journalisten teilen einen Traum: Einmal im Leben mit dem begehrten Pulitzer Preis ausgezeichnet zu werden. Und dann am besten nicht in irgendeiner Sparte, sondern in der Kategorie "Public Service". Dann spielt man ganz offiziell in der Watergate- oder der Walter-Reed-Liga. Und das bedeutet Journalism at its best: aufdecken, aufklären, die Welt ein wenig besser machen. Am kommenden Montag werden die PreisträgerInnen für 2010 bekannt gegeben. Doch egal, wer schließlich ausgezeichnet werden wird: In diesem Jahr steht das Renomme eines der wichtigsten Preises für journalistisches Arbeiten auf dem Spiel.
Unter heftigsten Geburtswehen wurden erstmals Wettbewerbs-Beiträge von BloggerInnen zugelassen. Damit ist die Frage aller Fragen auf dem Tisch. Wann ist ein Journalist ein Journalist? Kann auch eine Privatfrau ohne Verlag oder Konzern im Rücken eine saubere journalistische Leistung erbringen? Zählt in erster Linie das Produkt oder die Glaubwürdigkeit des Arbeitgebers?
Seit 1917 werden Pulitzer-Preise verliehen. Mit der Entscheidung, auch Blogger zuzulassen, hat das Komittee bewiesen, dass es die Beweglichkeit besitzt, damit der Preis auch in Zukunft die Instanz ist, die die besten Beiträge seiner Zeit auszeichnet. Denn ohne Frage: Auch wenn BloggerInnen außerhalb klassischer Medienkonzerne agieren und eine zunehmendene wirtschaftliche Konkurrenz für die Häuser der Juroren darstellen: Hier gibt es Männer und Frauen, die nach den höchsten Standards arbeiten. Sie tun, was Journalistinnen und Journalisten tun sollten: Sie recherchieren sorgfältig, ordnen ihre Information ein und stellen sie der Öffentlichkeit zur Verfügung.
Deutlich komplizierte gestaltet sich die Bewertung des zweiten Pulitzer-Skandals, die Nominierung einer Artikelserie des "National Enquirers". Das Klatschblatt bekennt sich zu einer vermeintlichen Todsünde der journalistischen Ethik in den Vereinigten Staaten: Wenn die Information es wert ist, fließt Geld. Falls notwendig, dann auch mehrere hunderttausend Dollar. Für Barry Levine, dem Chef des Blattes, besteht kein Zweifel: Der Zweck darf die Mittel heiligen. Das schmutzige Geschäft mit Schmiergeld, so sein Credo, könne durchaus saubere Informationen zutage bringen. Damit bricht er ein für den prinzipientreuen US-Print-Journalisten absolutes Tabu: Im Zweifelsfall würde der noch nicht einmal den Hausmeister bezahlen, um in das Watergate Gebäude zu kommen. Um erst gar nicht auf Abwege zu kommen, ist man 100prozentig. Zurecht. Die Information darf niemals aus dem Kontext ihrer Beschaffung gelöst werden. Denn folgt man Levines Logik und treibt sie auf die Spitze, ist es auch erlaubt, ein bisschen zu Foltern, um zu erfahren, wo ein Verbrecher seine Geisel versteckt. Und trotzdem ist es nicht so simpel, wie es auf den ersten Blick scheint.
So hatte der "National Enquirer" 2007 mehrere Hunderttausend Dollar bezahlt um herauszufinden, dass der demokratische Präsidentschaftskandidat John Edwards nicht nur seine krebskranke Frau betrogen hat, sondern auch die ganze Nation belogen, also die Männer und Frauen, die ihn fast zum mächtigsten Mann der Welt gewählt hätten. Wäre da eben nicht der "National Enquirer" gewesen, der mit Hilfe geschmierter Zimmermädchen den Skandal um eine Geliebte und ein uneheliches Kind und die Veruntreuung von Parteigeldern aufgedeckte.
Was bedeutet all das nun in diesen Zeiten der schrumpfenden Budgets in der Medienbranche und sinkenden Zahlen an Redaktionsmitgliedern? Denn natürlich sind recherchierende Journalisten teuer. Die Geldfrage wurde auch unlängst bei uns heftig diskutiert - im Zusammenhang mit den Machenschaften der Bunten. Das Magazin hatte Detektive angeheuert, um das Privatleben von Politikern ausspähen zu lassen. Aber auch hier gilt: Ein bisschen abweichen von den journalistischen Grundregeln gibt es nicht. Journalistisches Arbeiten zeichnet sich dadurch aus, dass es sich Regeln verpflichtet. Und hier gibt es Grundsätze, die unverrückbar sind, um das höchste Gut, die Glaubwürdigkeit, nicht zu beschädigen.
Konservatismus ist gefragt
Die Pulitzerpreise sind weltweit anerkannt. Auch wenn es in den unterschiedlichen journalistischen Traditionen sehr große Unterschiede gibt, strahlt die Diskussion in diesem Jahr in die ganze Welt aus. Und das ist gut, und sehr wichtig. Denn die Zeiten, in denen der traditionelle Journalismus sich auf seine exklusiven Zugänge und sein Herrschaftswissen als Daseinsberechtigung verlassen kann, sind vorbei. Es gibt im Netz Informationsquellen, die im Detail schneller und besser informieren, als eine Zeitung das je tun könnte. Daraus nun aber die Konsequenz zu ziehen, die ethischen Standards aufzuweichen, wäre ein fataler Trugschluss. Das genaue Gegenteil ist richtig und nur das konservative Festhalten an den Grundregeln wirklich zukunftsfähig: Es wird immer wichtiger, sehr, sehr sorgfältig bei der Nennung der Quellen zu sein. Und diese Quellen oder auch Informanten müssen gleichsam an Aufklärung interessiert sein, keine finanzielle Ansprüche zu stellen, ist da die erste Voraussetzung. Auch die goldene Grundregel, mindestens zwei solide Informanten zu haben, bevor man eine Nachricht als solche verkauft, sind eine Säule, auf denen die Zukunft des Qualitätsjournalismus beruht. Gerade weil die schnelle, undurchsichtige Nachricht im Netz so fix verbreitet und kopiert ist. Wer sich hier auf Kompromisse einlässt, entscheidet sich schlicht dafür, die Liga des Qualitätsjournalismus zu verlassen.
Die Nominierung des "National Enquirers" mag das Image des Pulitzer Preises zumindest in den Augen vieler Amerikaner angekratzt haben. Wirklich beschädigt würde es, wenn Schmiergeld-Journalismus mit den höchsten Weihen versehen wird. In Deutschland würde man vielleicht von Idealismus sprechen, der die Juroran davon abhalten wird. In Amerika ist es eher der puritanische Geist, der in diesem Falle etwas Gutes hat - und eine notwendige Institution davor bewahrt, sich ohne Not selber abzuschaffen.
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