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Debatte Grüne GentechnikGenmais? Nein danke!

Heike Holdinghausen
Kommentar von Heike Holdinghausen

Die Industrie für Gentechnik kommt in Europa einfach auf keinen grünen Zweig. Die Gründe dafür liegen beim Widerstand der Verbraucher - und auch bei der EU.

Es sieht schlecht aus für die grüne Gentechnikindustrie in Europa. In diesem Jahr wollen etwa die deutschen Bauern schon wieder weniger von dem Genmais MON 810 anbauen als im Jahr zuvor - auf gerade mal 3.700 Hektar bei einer Gesamtackerfläche von etwa 12 Millionen Hektar.

Zwar trommelte kürzlich ein Lobbyverband der Gentechnikindustrie in seinem Jahresbericht, 2008 sei weltweit ein erfreuliches Wachstum der Anbauflächen von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVO) von 9,4 Prozent zu verzeichnen. Doch vertuschten auch die bunten Grafiken des Berichtes nicht, dass die Branche vor sich hin dümpelt. In vier großen Ländern - den USA, Argentinien, Brasilien und Kanada - wachsen fast 90 Prozent aller gentechnisch veränderten Pflanzen. Von den 25 Ländern, in denen derzeit GVO auf Äckern wachsen, werden nur in einem EU-Land, nämlich Spanien, mehr als 50.000 Hektar angebaut, in sechs weiteren sind es erheblich weniger.

Warum die Gentechnikindustrie in Europa auf keinen grünen Zweig kommt, ist offensichtlich: Sie wird zerrieben zwischen dem Mehrebenensystem der Europäischen Union, der ablehnenden Haltung der Verbraucher und einer starken Widerstandsbewegung gegen den Anbau ihrer Produkte.

Die Gentechnikpolitik in der EU ist geprägt durch ein schier undurchschaubares Gestrüpp von Zuständigkeiten, Gremien und konträren Positionen. Zum Beispiel die Anbauverbote, über die vergangene Woche im Ministerrat entschieden wurde: Österreich und Ungarn haben mit dem Verweis auf ungeklärte Risiken vor einigen Jahren ein Anbauverbot für MON 810 erlassen. Die EU-Kommission teilt - gestützt auf Gutachten der Europäischen Lebensmittelbehörde Efsa - die Bedenken der Staaten nicht und beantragt regelmäßig im Ministerrat, das Verbot zu kippen. Dieser pflegt den Kommissionsantrag abzuweisen. Und ab gehts in die nächste Runde. So geschehen 2006, 2007 sowie am vergangenen Montag.

Das gleiche Bild zeigt sich im Zulassungsverfahren für die zwei neuen Genmaissorten BT11 und 1507, die gerade laufen. Die Efsa hat ein Gutachten geschrieben, auf dessen Grundlage die Europäische Kommission die Pflanzen zum Anbau erlauben möchte. Im zuständigen Arbeitsausschuss der Kommission, der jüngst über die Pflanzenzulassung abstimmte, verließ der deutsche Vertreter den Saal. Die in der Gentechnikpolitik quer über Parteigrenzen hinweg zerstrittene Bundesregierung hatte sich nicht auf ein Votum einigen können. So endete die Abstimmung in einem Patt. Gibt es auch im nun zuständigen Ministerrat keine Mehrheit, darf die Kommission alleine entscheiden. Sie wird den Anbau der Pflanzen zulassen, den einige Nationalstaaten dann wieder verbieten.

Irrational verteilte Verantwortlichkeiten, gegenseitige Blockaden und eine unklare Rechtslage auf allen Ebenen, auf europäischer wie auf nationalstaatlicher. Ein klassischer Fall von Politikversagen, möchte man meinen. Doch das täuscht.

Europa besitzt heute eines der strengsten und effektivsten Gentechnikregime der Welt. Durch die EU-weite Kennzeichnung von Lebensmitteln aus GVO haben die Verbraucher die Wahl, solche Produkte nicht zu kaufen. Weil sie das in Umfragen zuverlässig ankündigen, finden sich in hiesigen Lebensmittelmärkten kaum solche Produkte. Zugleich sorgen die Haftungsregeln auf dem Land dafür, dass Bauern, die Genmais anbauen, ihren Nachbarn einen möglichen wirtschaftlichen Schaden ersetzen müssen, sollte deren Ernte mit GVO verunreinigt werden. Zudem sind die entsprechenden Gen-Felder kartiert und somit öffentlich erkennbar. Das zügelt die Lust der Bauern aufs Gen-Saatgut merklich. Diese Gesetzgebung gibt es, weil die Technologie nur mit weitreichenden Zugeständnissen an die Kritiker durchsetzbar ist.

Das führt zu der erstarkenden Widerstandsbewegung der Gentechnik-Gegner. Sie argumentieren in einer für sie vorteilhaften politischen Großwetterlage. Mit dem Klimadiskurs haben sowohl die Fragen nach ökologischer Nachhaltigkeit als auch nach globaler Gerechtigkeit ihren hohen Stellenwert zurückgewonnen. Und beide berühren die Gentechnik-Debatte.

Ihre Schlagkraft gewinnt die Protestbewegung aus ihrer Breite: Große Umweltorganisationen wie Greenpeace oder der BUND beackern das Thema seit Jahren zäh und stellen nun organisatorisches und fachliches Know-how sowie die Vernetzung mit der Politik. Ein städtisches, studentisches Protestmilieu, das auch zum Wiedererstarken der Anti-Atom-Bewegung beigetragen hat, interessiert sich auch für Maispflanzen. Nicht zuletzt gibt es eine breite, regional fest verwurzelte Bewegung, die von Imkern, Bauern und anderen Landbewohnern getragen wird, die aus verschiedenen Gründen nicht in der Nachbarschaft von Genpflanzenfeldern leben wollen. Das Feindbild der Bewegung ist klar: Es ist die Handvoll großer Konzerne, die den Markt beherrschen.

Diesen stellen die geteilten Verantwortlichkeiten und ständigen Rückkopplungen der Gentechnikpolitik denkbar schlechte Bedingungen. Unternehmen, die neue Produkte entwickeln und dann schnell anwenden wollen, brauchen durchschaubare Strukturen, klare Regeln und leicht identifizierbare Ansprechpartner. Die gibt es in der EU nicht. Hingegen müssen bei jeder neuen Entscheidung zu Freisetzungsversuchen, Sortenzulassungen oder Importgenehmigungen die Argumente für und gegen die Technik immer wieder neu diskutiert werden. Um sich in diesem Diskurs durchzusetzen, dafür fehlen den Konzernen offensichtlich die Argumente. Darum waren die Konzerne in Europa bisher nicht in der Lage, die Verbraucher an die neue Technologie zu gewöhnen und sie schleichend zu einem selbstverständlichen Teil des Alltags zu machen - nebenbei bemerkt auch deshalb, weil die Industrie ihre Heilsversprechen nie in die Realität umsetzen konnte.

Sie forschen und entwickeln im Bereich einer Risikotechnologie, die sich dadurch auszeichnet, dass niemals gesicherte Erkenntnisse über ihre Wirkungsweisen existieren werden. Wie welcher gentechnisch veränderte Organismus (GVO) unter welchen klimatischen Bedingungen in welchem Ökosystem auf einer Zeitachse wirkt, lässt sich auch in komplexen wissenschaftlichen Modellen nicht vorhersagen. Zudem sind GVO nicht rückholbar. Einmal in ein Ökosystem entlassen, lassen sie sich nicht einfach daraus entfernen.

Weil also die Erkenntnisse über die Technologie komplex sind und ständiger Modifizierung unterliegen, müssen es auch die politischen Entscheidungsstrukturen sein, die über die Technik befinden. Dazu ist das Mehrebenensystem der EU mit seinem Verantwortungsgeflecht und der Rückkopplung zur Öffentlichkeit offensichtlich in der Lage. Welche Rolle Europa als Markt und als politischer Akteur für die Gentechnikindustrie weltweit spielen wird, ist schwer absehbar. Ein Vorbild für den Umgang mit der grünen Gentechnik ist es schon jetzt.

HEIKE HOLDINGHAUSEN

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Heike Holdinghausen
Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt

2 Kommentare

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  • DG
    D. Glaser

    Schön, mal wieder einen Artikel über Gen-Technik zu lesen.

    Man sollte sich jedoch nicht darauf verlassen, dass das Eu-Geflecht dauerhaft ein Vordringen der Gentechnik verhindert, denn dazu sind Monsanto un Co. viel zu aktiv.

     

    Leider ist mit dem Thema Gen-Technik bei den Berufskollegen hier im Norden kein rechtes Durchkommen möglich. Unsere gängigen "Fachblätter" behandeln kritische Informationen zum Thema so stiefmütterlich, dass eine Diskussion faktisch nur auf den Leserbriefseiten stattfindet.

    Insbesondere wird immer gerne so getan, als ob keine gen-technikfreien Eiweißfuttermittel (Sojaschrot)zu bekommen wären, was natürlich nicht der Fall ist. Die "Verflechtung" von Bauern- und Raiffeisenverband sowie landwirtschaftlicher Fachpresse hat jedoch offensichtlich kein Interesse daran, dass eine größere Anzahl von Kollegen ihre Fütterung auf NON-GMO umstellt, also läßt man entsprechende Informationen quasi ins Leere laufen.

     

    Mir ist klar, dass die Verfütterung von Soja an Tiere auf Dauer nicht der Weisheit letzter Schluß ist, nichtdestotrotz bleibt derzeit keine große Wahl.

    Wohl aber können wir durch die gezielte Förderung des gentechnikfreien Anbaus durch Nachfrage lenken und beflügeln. Darüberhinaus können wir darauf achten, dass die "Basler Kriterien" beim Anbau eingehalten werden. Nur, wir müssen wissen, wo wir die Produkte beziehen können.

     

    Kurz und gut, es wäre schön, auch in der TAZ mehr über die Wege und Bezugsquellen von NON-GMO Soja zu erfahren.

     

    PS..: Durch hartnäckiges am Ball bleiben, ist es uns gelungen, schon seit einigen Jahren ausschließlich NON-GMO Futtermittel zu beziehen, aber die Widerstände waren enorm.

  • A
    Antonietta

    Die wirtschaftliche Nutzung der Gentechnologie ist an die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen oder Organismen gebunden und hier entsteht ein großes Gefahrenpotential. Es fehlen jegliche Vorstellung und Risikoanalyse darüber, was unter Freilandbedingungen eintreten kann. Der einmal freigesetzte gentechnisch veränderte Organismus kann nie wieder eingefangen werden und seine Auswirkungen auf das ökologische Gleichgewicht des Biotops sind nicht einmal abschätzbar.

     

    Die Flächen mit den drei wichtigsten gentechnisch modifizierten Sorten Soja, Mais und Raps sind deutlich gewachsen. Demgegenüber ist die insektenresistente Baumwolle in den Vereinigten Staaten rückläufig. Bei den genannten vier Pflanzenarten ist der Anteil der gentechnisch erzeugten Sorten am gesamten Saatgut auf knapp ein Viertel gestiegen. Fast schon ein Drittel der Sojabohnen werden weltweit mit biotechnologisch hergestelltem Ausgangsmaterial erzeugt.