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Debatte GorlebenDie Bürger einbeziehen

Kommentar von Rebecca Harms

Das bisherige Verfahren zur Suche nach einem Atommüll-Endlager hat nichts gebracht. Eine überparteiliche Kommission ist gefragt.

Haben sich ihre Meinung bereits gebildet: Gegner der Endlagerung in Gorleben. Bild: dpa

W infried Kretschmann, Norbert Röttgen, Peter Altmaier, Jürgen Trittin und auch Sigmar Gabriel haben recht, wenn sie sagen, dass wir eine neue Suche nach dem bestgeeigneten Endlager in Deutschland brauchen. Sie haben recht damit, dass diese Suche ergebnisoffen sein muss und dass es in einem Suchverfahren keine Vorfestlegungen geben darf. Wenn sie alle recht haben: Warum scheitern bislang alle Versuche, sich auf ein im Konsens getragenes Endlagersuchgesetz zu verständigen?

Strittig ist der Umgang mit Gorleben, ebenso Verfahrens- und Entscheidungsmacht. Weil ich Grüne und Mitbegründerin der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg bin, werde ich oft gefragt, wie ich das Ganze sehe. Nach großen Hoffnungen muss ich jetzt sagen, dass ich einen wirklichen Neuanfang nicht erkenne. Das liegt nicht allein an der Einbeziehung Gorlebens in die Suche nach einem möglichen Endlagerstandort. Darüber hinaus ist von einer Neubewertung der Risiken des Atommülls und der Endlagerung, wie nach Fukushima versprochen, bisher wenig zu erkennen.

Trotz aller Beschwörungsformeln wirkt der Prozess im Kern nicht glaubwürdig. Es fehlt die gemeinsame Bewertung der aktuellen Lage und der verrückt leichtfertigen Entscheidungen der frühen Entsorgungspläne der Bundesrepublik. Dabei mündet die damalige Verantwortungslosigkeit schon heute in die absaufenden Schächte des Atommülllagers Asse.

Entsorgungslüge Gorleben

Was wurde in der bedenkenlosen Stimmung der Jahre des atomaren Aufbruchs falsch gemacht? Warum wurden in Gorleben Milliarden verbaut, obwohl die schlechte Qualität des Salzstocks seit Mitte der 90er Jahre bekannt ist? Die Entsorgungslügen zuzugeben wäre der einfachste Weg, Glaubwürdigkeit zu erlangen.

Bild: dpa
Rebecca Harms

ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament und seit 1977 Mitglied der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Von 1998 bis 2004 war sie Fraktionschefin der Grünen in Niedersachsen.

Das Ausblenden der Vergangenheit und das Festhalten an Gorleben verstärken aber das Misstrauen, dass es weiter nur um diesen Standort geht. Die Kanzlerin hat klar unterstrichen, dass sie keinen Grund sieht, an Gorleben zu zweifeln. Sie verhinderte schon als Umweltministerin, dass auf Gorleben Kriterien angewandt wurden, mit denen andere Salzstöcke bewertet wurden. Und Altmaiers Endlagergesetz zielt darauf, Gorleben für weitere 20 Jahre als einen von bestenfalls zwei tief erkundeten Standorten beizubehalten.

Um den Neubeginn überzeugend zu markieren, muss in Deutschland als Erstes auf dem aktuellen Stand der wissenschaftlich-technischen Entwicklung geklärt werden, wie ein Endlager gebaut werden soll. Tiefengeologische Lagerung, Rückholbarkeit, Bergbarkeit oder Wiederauffindbarkeit? Hinter diesen verschrobenen Begriffen steckt die Frage nach dem Konzept. Erst wenn entschieden ist, wie ein Endlager errichtet werden soll, kann entschieden werden, wie und nach welchen Anforderungen die Suche gestaltet sein muss.

Alternativen sind bekannt

Sicher werden einige der zuständigen Minister und Abgeordneten dazu sagen, dass das doch alles längst geklärt ist. Ich kann da nur fragen: Für wen und mit wem? Die Einigung auf das Endlagerkonzept und auf ein verantwortliches, durchhaltbares Suchverfahren muss in einem Prozess erfolgen, der viel weitere Kreise einbezieht, als aktuell möglich und vorgesehen ist.

Damit sind wir bei einer weiteren Schwäche der jüngsten Verhandlungen. Jeder Appell zum Konsens ist richtig. Die Reduzierung des Konsenses allein auf die Politik ist falsch. Die Endlagersuche und die spätere Entscheidung über die Einrichtung eines Lagers setzen das Verständnis und die Zustimmung von Bürgerinnen und Bürgern voraus. Wer heute in einem Gesetz Festlegungen trifft und sich die Mühen der Verständigung erspart, wird in jeder Phase der Suche Konflikte wie in Gorleben ernten.

Die Suchräume für Endlagerstandorte in Deutschland sind bekannt. Die Menschen, die in Regionen mit möglicherweise geeigneter Geologie leben, dürfen nicht mit dem Thema Atommüll überrascht werden wie die Wendländer 1977. Dass die ganze Diskussion über den Neuanfang weiter nur den Standort Gorleben kennt und alles andere im Nebel einer „weißen Landkarte“ bleibt, ist nicht geeignet, Vertrauen in die Vorbereitung der Endlagersuche zu schaffen. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hält „Vorkommen von Salz, Ton und Granit, verteilt über ganz Deutschland“ für untersuchungswürdig.

Für einen neuen Weg

In Kenntnis aller Versuche, die es in den 35 Jahren seit der Gorleben-Entscheidung gab, um die Suche neu zu beginnen, plädiere ich jetzt für einen neuen Weg. Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag sollten sich darauf verständigen, einen politikferneren und mutigeren Weg zu gehen. Ich befürworte auch in der Endlagerfrage, ähnlich vorzugehen wie die Ethikkommission nach Fukushima. Eine plural zusammengesetzte Kommission mit einem oder einer Vorsitzenden, der oder die in Deutschland Vertrauen genießt und die Aufgabe versteht, wird noch in dieser Legislaturperiode beauftragt, die Verständigung über das Endlagerkonzept voranzutreiben.

Die bisher weitgehend ungenutzten Ergebnisse des Arbeitskreises Endlagerung wären eine Grundlage, auf der die Arbeit aufbauen kann. Gesellschaftliche Erörterung und Verständigung hätten hohe Priorität. Am Ende stünde eine Empfehlung für das Endlagerkonzept und die Ausgestaltung des Suchverfahrens sowie die wichtigsten Kriterien für Auswahl und Eignung von Standorten. Dieses Suchverfahren und seine Spielregeln so weit wie möglich streitfrei zu stellen, wäre ein Ziel. Erst dann würde entschieden, was in einem Gesetz und was untergesetzlich geregelt werden muss.

Verträumt, sagen nun die einen zu einer solchen gesellschaftlichen Verständigung. Verschleppung, sagen die anderen. Der Beginn der Endlagerung wird für die Zeit von 2060 bis 2080 angestrebt. Wenn das aufgehen soll, dann darf heute aber nicht wieder auf politisch-juristische Kompromisse gesetzt werden. Nur eine gründliche Neubestimmung in der Sache, die vor allem an Sicherheit orientiert ist und Mitbestimmung zur Voraussetzung macht, schafft Aussicht auf eine verantwortbare Lösung.

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4 Kommentare

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  • V
    vic

    Als s noch möglich gewesen wäre, war leider Kohl Kanzler und Merkel Umweltministerin.

    Ein sehr beeindruckender und bedrückender Film zur

    Endlagerproblematik vom finnischen Endlager Onkalo ist "Into Eternity":

     

    http://www.anti-atom-piraten.de/2011/07/freitagsfilm-into-eternity/

  • K
    Karl

    Sehr humoriger Artikel!

     

    Bemerkenswert, wenn sich immer noch nicht herumgesprochen hat, dass es bisher für hochaktiven Nuklidmüll eben keine "Endlagermöglichkeit" gibt, nur verschiedene materialwissenschaftliche Ansätze eine halbwegs sichere Aufbewahrung über kürzere Zeiträume zu erreichen.

     

    Der "Bürger" kann man da wie genau einbeziehen?

     

    Hohles Geschwafel, wie bisher!

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • NJ
    Naber J.

    Wieso bitteschön soll man den Untersuchungsergebnissen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe glauben schenken, wenn diese bereits an der Erkundung von Gorleben aktiv beteiligt war?

    Jeder weiß doch, dass Aussagen in Gutachten stark vom jeweiligen Bearbeiter (seiner Sachkenntnis) und dem Hintergrund seines Auftrags abhängig sind. Ton, Granit, Salz... für alle geologischen Einheiten gibt es zahlreiche Pro und Gegen-Argumente. Ich denke, da wird in Zukunft keinem Experten mehr Glauben geschenkt werden. An dieser Entwicklung hat leider auch die Anti-Atomkraft-Bewegung ihren Anteil. Zwischen den Zeilen von Frau Harms klingt folgendes heraus: eine ergebnis-offene Suche nach einer Endlagerung muss durchgeführt werden, aber auf keinen Fall in Gorleben....

    Ist dies ergebnis-offen?

    In Niedersachsen gab es doch bereits einen ursprünglich vorgesehenen Salzstock, der geologisch viel besser geeignet war als der in Gorleben. Aber Fakt ist: keiner will den Atom-Müll haben, weder in Norddeutschland, noch in Süddeutschland.

  • E
    endlagerdialog

    Sicher ist eine breite gesellschaftliche Diskussion zur Endlagerung notwendig, aber die Politik kann davon weitgehend unabhängig den angeblichen Konsens unter den Spitzenpolitikern erst einmal festhalten. Ein vollständiger Gesetzestext ist dazu ungeeignet, sie sollten einfach folgenden Beschluss fassen:

     

    “Die Regierungschefs von Bund und Ländern kommen überein, dass entgegen der Festlegung auf Gorleben am 28.09.1979 die Suche nach einem bestmöglichen Endlager für radioaktive Abfälle aus wissenschaftlichen Gründen und insbesondere zur Einhaltung des Strahlenschutzgrundsatzes der Minimierung nach § 6 Strahlenschutzverordnung in allen Bundesländern notwendig ist. Dem liegt zugrunde, dass für eine möglichst sichere Endlagerung die natürlichen geologischen Barrieren mit höchster Priorität herangezogen werden müssen. Eine nur an einem Standort geführte Argumentation zur Langzeitsicherheit kann wegen der enormen Unsicherheiten und des Nichtwissens bei den notwendigen Prognosezeiträumen von einer Million Jahren und mehr keine rationale Entscheidungsgrundlage sein.”

     

    Der damalige Gorleben-Beschluss vom 28. September 1979 lautete:

     

    "Die Regierungschefs von Bund und Ländern begrüßen die Bereitschaft der Landesregierung von Niedersachsen, die Errichtung eines Endlagers in Gorleben zuzulassen, sobald die Erkundung und bergmännische Erschließung des Salzstockes ergibt, daß dieser für eine Endlagerung geeignet ist.

    Die Erkundung und bergmännische Erschließung des Salzstockes Gorleben wird deshalb zügig vorangeführt, so daß die für die notwendigen Entscheidungen erforderlichen Kenntnisse über den Salzstock in der zweiten Hälfte der 80er Jahre vorliegen. Zu diesem Zweck wird das laufende Planfeststellungsverfahren für ein Endlager im Salzstock Gorleben fortgeführt und ggf. auf alle in Betracht kommenden Endlagerarten ausgedehnt."

     

    Auf dieser Grundlage könnte auch Herr Hennenhöfer als loyaler Beamter weiterarbeiten.

     

    Siehe auch http://endlagerdialog.de/2012/09/fuer-solides-endlagersuchgesetz-fehlt-wissenschaftliches-verstaendnis-bmu/