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Debatte Deutsche ExportwirtschaftUnfairer Handel

Kommentar von Kostas Petropulos

Die deutsche Exportwirtschaft ist ein internationaler Störfaktor: Geliefert werden Lohndumping und Arbeitslosigkeit. Und die Binnenkonjunktur wird systematisch vernachlässigt.

Bild: privat

Kostas Petropulos ist seit 1987 als freier Journalist mit Schwerpunkt auf wirtschafts- und familienpolitischen Themen. 1995 war er Mitgründer des Heidelberger Büros für Familienfragen und soziale Sicherheit, das er seit Ende 1996 leitet.

Anfang April bot sich der besorgten Weltöffentlichkeit ein Bild der Hoffnung: Die Staatschefs der 20 größten Industrie- und Schwellenländer bliesen zum gemeinsamen Kampf gegen die tiefste Krise der Weltwirtschaft seit der Großen Depression. Insbesondere gelobten sie, dem Protektionismus abzuschwören, da der Freihandel Garant für den Wohlstand aller Nationen sei.

Doch die internationalen Handelserfolge sind oft unter Missachtung des Gebots von Fairness und gerechter Teilhabe erkauft. Gerade Deutschland als amtierender Exportweltmeister profitiert höchst einseitig von den offenen Handelsgrenzen. Denn die Bundesrepublik verkauft dem Ausland weitaus mehr Produkte, als sie selbst bereit ist, dem Ausland abzunehmen - letztes Jahr betrug der Handelsüberschuss mehr als 176 Milliarden Euro.

Hierzulande wird das als Ausdruck besonderer wirtschaftlicher Stärke gefeiert. Nüchtern betrachtet sind diese regelmäßigen Überschüsse jedoch ein internationaler Störfaktor und werden schon lange unter dem Stichwort "globale Ungleichgewichte" als Problem diskutiert. Volkswirtschaftlich gesehen bedeuten sie nämlich nichts anderes als den Export von Arbeitslosigkeit. Fachleute verweisen gern auf die hohe Produktivität, die man dem Land nicht zum Vorwurf machen könne. Doch die Exporterfolge sind auch das Ergebnis eines systematischen Lohndumpings.

Die Senkung der Sozialabgaben für Unternehmen und Arbeitnehmer, vor allem die jahrelange Lohnzurückhaltung der Beschäftigten haben für massive Kostenvorteile gegenüber dem Ausland gesorgt. So sind zwischen 2000 und 2007 die deutschen Reallöhne um rund 1,5 Prozent gewachsen, in Frankreich lag dagegen der Anstieg fast siebenmal und Großbritannien sogar zwölfmal höher.

Diese erheblichen Entlastungen der deutschen Wirtschaft haben unsere Gesellschaft in eine immer größere Schieflage gebracht: Vom Wirtschaftswachstum der letzten Jahre haben die Bezieher von Einkommen aus Gewinn- und Kapitalvermögen weitaus stärker profitiert als die Arbeitnehmer. Nicht nur, dass deswegen die Binnenwirtschaft bei uns vor sich hin dümpelt, hinzu kommt das Gefühl von immer mehr Menschen, Verlierer der Globalisierung zu sein.

Das bestätigte zuletzt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Sie stellte fest, dass zwischen 2000 und 2006 die Mittelschicht in Deutschland kräftig geschrumpft ist. Und zwar nicht nur als Folge von Arbeitslosigkeit, sondern ganz besonders als Konsequenz einer Steuerpolitik, die Unternehmen und Vermögende auf Kosten breiter Bevölkerungsgruppen massiv entlastet hat. Das war zwar nicht gerecht, ist aber stets mit dem Verweis auf den globalen Standortwettbewerb als alternativlos dargestellt worden.

Mit dieser Entwicklung steht Deutschland jedoch nicht allein. In allen großen Industriestaaten schwindet die Mittelschicht, weil die Regierungen im Prinzip zu ähnlichen Mitteln wie die Bundesregierung gegriffen haben. Das Platzen der globalen Kredit- und Vermögensblase hat diesen Trend noch beschleunigt. Millionen von Mittelschichtfamilien in den USA, Großbritannien oder Spanien sind nicht mehr Besitzer von Immobilienvermögen, sondern zahlungsunfähige Schuldner, die aus ihren Häusern vertrieben werden.

Buy American!

Verarmende Mittelschichten in den Industriestaaten bedeuten einen gewaltigen Kaufkraftausfall. Die Reaktion der Regierungen in Frankreich oder den USA sind daher durchaus nachvollziehbar. So sorgte der französische Präsident Nicolas Sarkozy für EU-weiten Protest, weil er seine Staatshilfen an die französischen Autobauer ausdrücklich mit der Forderung nach einer verstärkten inländischen Produktion verbinden wollte.

Noch beunruhigender war der Versuch der Obama-Administration, in ihr Konjunkturpaket eine "Buy American"-Klausel aufzunehmen - also die Verpflichtung, mit Staatsgeldern nur Produkte von US-Firmen zu beschaffen. Nach heftiger internationaler Kritik wurde diese Klausel zwar entschärft, faktisch bekommen sie ausländische Firmen aber deutlich zu spüren. Obama und Sarkozy wollten bewirken, dass die sparsam gewordenen Konsumenten ihr Geld für einheimische Produkte und Arbeitsplätze ausgeben. Zweifellos ein gewaltiger Rückschlag für den immer wieder beschworenen internationalen Handel, die gesamte Weltwirtschaft - und höchst gefährlich für Deutschland.

Seit den 1990er-Jahren hat die einheimische Wirtschaft einen pathologischen Exportdrang entwickelt. Zwischen 1991 und 2008 ist der Anteil der Ausfuhren am Bruttosozialprodukt von rund 26 auf 48 Prozent angestiegen. Eine Quote, die von keinem anderen großen Industriestaat auf der Welt übertroffen wird. Selbst die Exportnation Japan kommt gerade mal auf 16 Prozent. Die extrem einseitige Orientierung sorgt jetzt nicht nur dafür, dass die Weltwirtschaftskrise Deutschland besonders hart trifft. Zugleich ist sie das Produkt der systematischen Vernachlässigung der Binnenkonjunktur. Diese spiegelt sich deutlich in der Entwicklung der Staatsquote, also dem Anteil der öffentlichen Ausgaben am gesamten Bruttosozialprodukt. Sie liegt schon seit Jahren deutlich unter dem Niveau vergleichbarer europäischer Industriestaaten und schlägt auf die öffentlichen Investitionen durch. Während diese 1991 netto noch rund 1 Prozent erreichten, sanken sie seither stetig ab und bewegten sich zwischen 2003 und 2006 sogar im Minus. Marode Straßen, Brücken oder ein von der Grundschule bis zur Universität unterfinanziertes Bildungssystem sind nur einige der zu besichtigenden Folgen.

Diese staatliche Investitionsschwäche wird von der politisch gehätschelten Privatwirtschaft nicht ausgeglichen. Die deutsche Wirtschaft und die Privatanleger setzen auch hier auf das Ausland. Letztes Jahr überschritt der Netto-Kapitalexport wieder die Marke 200 Milliarden Euro.

Eine Globalisierung, die auf ein Mindestmaß an Fairness und Ausgleich innerhalb und zwischen den Nationalstaaten verzichtet, ist nicht nur unmoralisch, sie ist auch volkswirtschaftlich zutiefst unvernünftig.

KOSTAS PETROPULOS

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4 Kommentare

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  • WW
    Walter Wasilewski

    Unfairer Handel…

    Sie schreiben:“ Insbesondere gelobten sie, dem Protektionismus abzuschwören, da der Freihandel Garant für den Wohlstand aller Nationen sei.“

    Deutschland ist nach ART.2o GG Deutschland ist - demokratisch-sozial- föderal.

    Die Internationalen Handelspraktiken sind nicht sozial, sie entsprechen nicht unserer Verfassung.

    Sie sichert jedermann einen gerechten Anteil an dem wirtschaftlichen Ergebnis aller Arbeit zu. Hess. Verf. Art. 38

    Nicht die Amerikanische die Deutsch Verfassung haben wir zu achten.

    Würde die Politik das beachten an erster Stelle setzen hätten wir das momentane Desaster nicht.

    Nicht Profiteure die Arbeitnehmer, der Bürger muss nun Opfer bringen.

    ART:20 sagt Deutschland ist dann sollte auch drinstehen was es ist. SOZIAL

    Walter Wasilewski

    www.recht-und-freiheit.wg.am/

  • G
    Gockeline

    So falsch ist der Artikel nicht.

    Wir produzieren für den Weltmarkt und wollen mehr verkaufen wie der Rest der Welt.

    Darum waren wir auch Exportweltmeister und leiden heute besonders.

    Alle Arbeiter mußten dafür 10Jahre lang Lohnverzicht üben,weil ihnen gesagt wurde,sonst würde man auf dem Weltmarkt nicht bestehen können.

    Den Gewinn haben nur ein paar Manager gemacht.

    Reichte das immer noch nicht wurde gedroht dass man im Ausland produzieren würde.

    Wieder hat man verzichtet.

    Die Gewerkschaften haben in der Zeit auch geschlafen.

    Sie hätten diese Falle aufdecken müßen

    und mit Streik unterbrechen müßen.

    Alle schimpfen nur auf Politiker weil es so Sitte ist,aber was die Führungsindustrie gemacht hat

    ist nichts anderes wie die Banker.

    Die Vernichtungsmechanismen schlugen erbarmunglos zu.

  • WW
    Walter Wasilewski

    Unfairer Handel

    Sie schreiben:

    „Doch die internationalen Handelserfolge sind oft unter Missachtung des Gebots von Fairness und gerechter Teilhabe erkauft ………

    Die Senkung der Sozialabgaben für Unternehmen und Arbeitnehmer, vor allem die jahrelange Lohnzurückhaltung der Beschäftigten haben für massive Kostenvorteile gegenüber dem Ausland gesorgt. So sind zwischen 2000 und 2007 die deutschen Reallöhne um rund 1,5 Prozent gewachsen, in Frankreich lag dagegen der Anstieg fast siebenmal und Großbritannien sogar zwölfmal höher.“

    ABER>

    Deutschland hat in seiner Verfassung garantiert:

    ART.20 GG

    (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat

     

    Praktiziert aber ungeniert genau das Gegenteil von dem was unsere Verfassung garantiert! Die Löhne sinken, Leiharbeiter und subventionierte Arbeitsplätze haben Konjunktur- Bildung und Gesundheit werden vernachlässigt - alles für mehr Gewinn für Wenige. Formulierungskünstler deklarieren das als Fortschritt. Das Parlament schweigt-die leeren Bänke im Plenarsaal sprechen für sich.

    Das BVG kann der Bürger nicht erreichen. Die Frage ist nicht :

    Was sagt die Verfassung ??

    Die Frage ist –welchen Vorteil bringt das?

    Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht das was sie vorgibt zu sein.

    Sie ist eine Mogelpackung.

    Walter Wasilewski

  • CR
    Christoph Rupp

    Sorry, Ist das ein ! Warum soll der geringere Anstieg von Lohnnebenkosten zu einem Kostenvorteil führen ? Ausschlaggebend sind doch die realen Kosten, d.h. wenn die Löhne hier dopplet so sind wie z.B. in England, können dort die Löhne ruhig um 10 % steiegn und bei uns stagnieren, dennoch sind die realen Kosten hier höher ! Also, wenn schon Kritik, dann aber bitte mit den richtiegn Zahlen oder der richtiegn Basis. Alles andere ist Meinungsmache und unkorrekt !