Debatte Deutsche Bank: Das Prinzip Ackermann
Nichts gelernt. Der Deutsche-Bank-Chef nutzt die Finanzkrise, um den eigenen Profit zu steigern. Dieses riskante Spiel führt unweigerlich zum nächsten Crash.
J osef Ackermann dürfte der mächtigste Mann in der Bundesrepublik sein. Er ist Chef der Deutschen Bank, Chef des internationalen Bankenverbands und Vorstandsmitglied im deutschen Bankenverband. Kurz: In der Finanzkrise ist Ackermann der oberste Wirtschaftspolitiker Deutschlands - und nicht etwa Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg oder Finanzminister Peer Steinbrück.
Das zeigte sich erstmals bei der Rettung der Hypo Real Estate (HRE) an einem dramatischen Wochenende im September 2008: In nächtlichen Telefonaten machte Ackermann der Regierung klar, dass die Banken maximal 8,5 Milliarden Euro der HRE-Verluste tragen könne. Den Rest müsse der Staat übernehmen. So kam es auch. Inzwischen ist die HRE verstaatlicht.
Auch die Rettung der restlichen Banken verlief nach einem Ackermann-Plan: Im Dezember hatte er bei einem Krisengipfel im Kanzleramt eine "Bad Bank" vorgeschlagen, in die die Kreditinstitute ihre toxischen Wertpapiere auslagern können. Im Juli wurden die Bad Banks dann Gesetz.
Ulrike Herrmann ist Wirtschaftskorrespondetin der taz und ausgebildete Bankkauffrau. Sie war aber nicht bei der Deutschen Bank.
Nach den Rettungsaktionen steht nun die weltweite Regulierung der Finanzmärkte an, und auch da lohnt die Frage, worauf zielt Ackermann? Der Deutsche-Bank-Chef selbst macht daraus kein Geheimnis. Sieben zentrale Aussagen kehren immer wieder und ergeben ein geschlossenes Weltbild, bei dem volkswirtschaftliche Begründungen dazu dienen, die betriebswirtschaftlichen Eigeninteressen der Deutschen Bank zu befördern.
Erstens: Eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent wird weiter angestrebt. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass Ackermann nicht annimmt, dass jede Bank eine hohe Eigenkapitalrendite erwirtschaften könnte. Das sei nur den "besten Banken" vorbehalten.
Zweitens: Zu diesen Spitzen-Instituten können letztlich nur Banken zählen, die über einen technologischen Vorsprung verfügen. In einem erhellenden Gespräch mit seinem Doktorvater Christoph Binswanger sagte Ackermann: "Die Eintrittsbarrieren für manche Geschäftsbereiche sind so hoch, dass es neue Wettbewerber sehr schwer haben. Eine führende Investmentbank muss heute global aufgestellt sein, sie benötigt eine ausgeklügelte Informationstechnik. Das aufzubauen dauert Jahre, ist sehr kostspielig." (FAZ, 30.06.2009) Letztlich zielt also Ackermann auf ein Oligopol, das durch technologische Barrieren gegen die lästige Konkurrenz geschützt ist und daher hohe Gewinnmargen verspricht.
Drittens: Komplexe Informationstechnik ist natürlich nur nötig, wenn auch die Finanzprodukte komplex sind. Für ein schlichtes Sparbuch braucht es keine ausgetüftelten Modelle. Deswegen ist bei Ackermann nie zu hören, dass bestimmte Wertpapiergattungen zu verbieten seien, die sich in der Finanzkrise als problematisch erwiesen haben.
Dabei weiß niemand besser als Ackermann, dass überkomplexe Produkte einen Crash provozieren können. Im HRE-Untersuchungsausschuss schilderte er am Dienstag anschaulich, welches Chaos bei der Pleitebank Hypo Real Estate und ihrer irischen Tochter Depfa herrschte. Das dortige Management hatte komplett den Überblick über die eigene Liquidität verloren.
Stattdessen musste ein Team der Deutschen Bank anrücken, um die Derivate und Swapgeschäfte abzuschätzen. "Es können nur Wenige diese komplexen Produkte bewerten. Die anderen haben nicht die Technologie", sagte Ackermann stolz. Seiner freudigen Stimme war anzuhören, dass er darin einen zentralen Wettbewerbsvorteil für die Deutsche Bank sieht - und nur nachrangig ein Systemrisiko.
Viertens: Natürlich ist auch Ackermann deutlich, dass man begründen muss, wofür die Welt komplexe Wertpapiere benötigt. Daher warnt er stets, dass sich die Globalisierung nicht finanzieren ließe ohne die neue "Technologie". Dieser ständige Rekurs auf die eigene technische Kompetenz ist nicht zufällig: So wird der Bankmanager zu einem Ingenieur aufgewertet; der Bankensektor mutiert von einer Dienstleistung zur Industrie - zur "Finanzindustrie". Dies soll suggerieren, dass auch die Banken Werte schaffen. Es wird Produktivität vorgetäuscht, um zu verschleiern, dass der Finanzsektor weitgehend parasitär von der Realwirtschaft lebt.
In Wahrheit sind die komplexen Finanzprodukte für die Wirtschaft nämlich nicht besonders wichtig. Nirgends wird dies deutlicher als ausgerechnet bei den Kreditverbriefungen, die die gesamte Finanzwelt in den Abgrund gerissen haben. Sie spielen bei der Finanzierung der Unternehmen nur eine geringe Rolle.
So belaufen sich die Firmenkredite in Deutschland momentan auf knapp 932 Milliarden Euro. Doch in strukturierten Wertpapieren gebündelt wurden nur jährlich maximal 20 Milliarden Euro, wie die Verbriefungsorganisation der deutschen Banken "True Sale International" schätzt.
Stattdessen wurde das große Rad mit den Verbriefungen woanders gedreht: Ramschhypotheken aus den USA wurden immer wieder neu verpackt, bis aus dem Schrott scheinbar sichere Anlagen geworden waren. Die Kosten für die Steuerzahler werden weltweit Billionen betragen, während die Bankmanager gigantische Boni kassiert haben.
Fünftens: Auch Ackermann würde nicht leugnen, dass viele Wertpapiere immens gefährlich sind. Aber statt eines Verbots fordert er zentrale Clearingstellen. Es soll keine Papiere mehr geben, die direkt von Bank zu Bank gehandelt werden - stets soll eine Börse dazwischen geschaltet werden.
Solche Clearingstellen würden in der Tat Transparenz und eine gewisse Sicherheit schaffen. Die EU ist daher dabei, für wichtige Derivate Clearingstellen einzurichten. Doch das zentrale Problem ist nicht gelöst: Komplexe Schrottpapiere bleiben komplexe Schrottpapiere und können Banken in den Abgrund reißen.
Sechstens: Vor dem Abgrund will Ackermann seine Konkurrenten aber gar nicht bewahren. Im Gegenteil. Die Clearingstellen hätten den Charme, dass bankrotte Banken schneller abgewickelt werden könnten, weil die Verflechtung zwischen den Instituten abnimmt, wenn eine Börse dazwischen geschaltet ist. "Schwache Marktteilnehmer" könnten ausscheiden, schwärmte Ackermann im Gespräch mit Binswanger. Es käme zur "Marktbereinigung". Unerwähnt bleibt, dass es erneut die Steuerzahler wären, die für die Verluste bei einer solchen Säuberungsaktion aufkommen müssten.
Siebtens: Ackermann weiß durchaus, dass die Steuerzahler inzwischen misstrauisch sind. Daher fordert selbst er, dass die Banken künftig mehr Eigenkapital vorhalten, um mögliche Verluste abzufedern.
Das führt aber wieder zu Punkt eins: Wie soll eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent möglich sein, wenn das Eigenkapital steigt? Bisher bestand doch der Trick darin zu "hebeln" - also möglichst viel Fremdkapital einzusetzen. Damit sind wir erneut bei Punkt zwei: Ackermann strebt faktisch ein technisches Oligopol an, wofür es - drittens - komplexe Wertpapiere geben muss. Und so schließt sich der Kreis. Ein neuer Crash ist dabei leider nicht ausgeschlossen
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