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Debatte CDUEine historische Leistung

Kommentar von Claus Leggewie

Die erfolgreichste Volkspartei der Bundesrepublik verliert an Bindekraft. Trotzdem wird in absehbarer Zeit keine Partei rechts von der CDU entstehen.

Selbst bei der Atomenergie hat die CDU eine 180-Grad-Kehrtwende hinbekommen. Bild: dapd

D er Islam als Teil Deutschlands, Atomausstieg und grüne Energiewende, Mindestlohn, Ende der Wehrpflicht, Frauenförderung, Gemeinschaftsschule, Börsensteuer, mehr Europa - wenn Angela Merkel die Opposition ständig links einholt, da müsste rechts von der Union doch was zu holen sein?! Doch es wird auch 2013 kaum eine aussichtsreiche Partei rechts von der Union antreten.

Auf den ersten Blick verwundert das. Über Jahrzehnte hinweg galt die Christdemokratie als Bollwerk und Milieu konservativer Tradition, sie verteidigte das Patriarchat, das Militär, das Kapital, die Nation und das christliche Abendland. Sie war für Autorität und Disziplin und stemmte sich gegen den Verfall der Sitten und Werte.

Außer einem sozialen Gewissen und der Wirtschaftsnähe bot die Union immer auch dem Nationalismus eine Heimat und dem Christentum eine zivile Adresse. Von rechts außen ging, anders als für die rechte Mitte in fast allen anderen EU-Ländern, tatsächlich keine Bedrohung aus.

Weder die NPD in den 1960er und 2000er Jahren noch die "Republikaner" in den 1980er Jahren und die Pro-Deutschland-Gruppierungen heute, noch irgendeine Anti-EU-Formation schafften es in den Bundestag.

Auch christliche Fundis und konservative Naturschützer haben an den durchaus vorhandenen Sollbruchstellen keine dauerhafte Abspaltung bewirkt und die strukturelle Mehrheitsfähigkeit der Union im Bund nicht brechen können, während die SPD an Grüne und Linke verlor.

Bild: dpa
CLAUS LEGGEWIE

leitet das Kulturwissenschaftliche Institut Essen und befasst sich seit Langem mit Konservativen. 1987 schrieb er "Der Geist steht rechts. Ein Ausflug in die Denkfabriken der Wende", 1997 "America first? Der Fall einer konservativen Revolution".

Der Grund liegt in der famosen Integrationsfähigkeit der Union, die Herz-Jesu-Sozialisten wie Hans Katzer, Norbert Blüm und Heiner Geißler mit Law-&-Order-Verfechtern wie Alfred Dregger und Wirtschaftsleuten wie Lothar Späth und Friedhelm Merz gesprächsfähig hielt.

Verkörpert wurde dieses fast kirchenartige Amalgam programmatischer Gegensätze durch Vaterfiguren wie Konrad Adenauer und Machttechniker wie Helmut Kohl. Ob Angela Merkel so gut zwischen von der Leyen, Seehofer und der Mittelstandslobby in der Fraktion lavieren kann, ist jetzt die Frage.

Bisher blieb die Union, zusätzlich dank ihres ausgeprägten Regionen- und Konfessionsproporzes, die erfolgreichste Volkspartei-Gründung nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie konnte sich zwei ältere Strömungen einverleiben: das Zentrum, entstanden aus der Paria-Rolle der Katholiken im Deutschen Reich, und die antidemokratische Rechte, diskreditiert in ihrem Pakt mit Hitler.

Aus beiden wurden Milieus und Kader importiert, integriert und letztlich in der "großen Volkspartei der Mitte" neutralisiert. Nolens volens trug die Union dazu bei, dass das historische Tabu gegen eine "Neue Rechte" Bestand hatte.

CDU hat immer dazugelernt

Führung, Mitglieder und Anhänger haben dann auch diverse Modernisierungsschübe der Bundesrepublik verinnerlicht und verarbeitet - den Nachkriegssozialismus als soziale Marktwirtschaft, die geopolitische Mittellage als dominante Ökonomie, die ökologische Welle als "Bewahrung der Schöpfung", den Pazifismus als Kultur der außenpolitischen Zurückhaltung.

Sie haben sogar den Feminismus einer Alice Schwarzer moderat mit Rita Süssmuth und antagonistisch Kristina Schröder absorbiert - und womöglich reagiert die Kanzlerin auf den Antikapitalismus von Attac-Mitglied Heiner Geißler mit der Börsensteuer.

Das Konservative an der CDU bestand nie darin, sich Lernprozessen zu verweigern; es genügte ihrer Basis, wenn die Partei das Reformtempo drosselte und unvermeidlichen Wandel in Grenzen hielt.

Interessen statt Ideen

Jenseits unverbindlicher Generalprinzipien wurde die Union nie durch Ideen, sondern durch Interessen zusammengehalten. Und die Unionsführung durch das gemeinsame Streben nach Machterhalt, weshalb sie auch Zugpferde wie Ludwig Erhard über die Klinge springen ließ, als die Kanzlerschaft auf dem Spiel stand. Das würde sie im Zweifel auch mit Angela Merkel tun.

Man sollte dieses Erfolgsmodell auf Grund von übertriebenen Ressentiments und berechtigten Einwänden gegen CDU-Politik nicht unterschätzen. Aus linker Sicht ist Union gleich konservativ und konservativ gleich reaktionär.

Doch heißt Konservativsein bewahren, nicht: sich gegen soziale Modernisierung stemmen und auch nicht, die Märkte zu feiern, Atommeiler in die Landschaft zu stellen, Frauen an den Herd zu verbannen und dergleichen. Genau dafür ist die Union oft genug eingestanden, ihre Betonfraktion kämpft in diesem Sinne weiter. Aber das ist weder der christdemokratische "Markenkern" noch konservatives Gedankengut.

Jetzt brodelt es am Rand

Echte Konservative (wie zum Beispiel der Philosoph Robert Spaemann) waren, anders als CDU-Bosse und -Basis, gegen die Kernenergie und für den arbeitsfreien Sonntag. Als Bewahrerin wäre Angela Merkel gegen riskante Biotechnologien, opponierte sie gegen die neoliberale Entmachtung des Staates und träte sie stärker für den Schutz des Klimas und der Artenvielfalt ein.

Die Union ist nicht konservativ, denn sie hat sich den vermeintlichen Sachzwängen der kapitalistischen Globalisierung unterworfen. Aber sie ist auch nicht neokonservativ geworden wie die Republikaner in den USA, die ihre Marktblödigkeit und Reichenverschonung mit einer seltsamen Freiheitsrhetorik (gegen Klimaschutz, gegen den Islam, gegen die Vereinten Nationen) verbrämen.

Wenn sich rechts von der Union eine neue Strömung etablieren könnte, dann eine rechtspopulistische Partei auf den Ruinen der FDP, die an einschlägige Bild-Kampagnen und den grassierenden Sarrazinismus anschließen kann. Aber auch dafür dürfte die Altherrenriege der Euroskeptiker aus den Talkshows (Henkel, Hankel und Co) zu schwach sein.

Beruhigen kann das die Unionsführung nicht. Auch wenn sie von deutschen Mussolinis, Le Pens und Wilders verschont bleibt, bröselt es in der CDU, drohen Wahlen und Regierungsfähigkeit verloren zu gehen. Und die Krumen verbinden sich außerhalb der Parteien zu einem Gemisch aus Nichtwählern, Wutbürgern und Internetmob, das vom puren Ressentiment lebt. Wohin das führen kann, sehen wir gerade in Thüringen.

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5 Kommentare

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  • JF
    Jean Fairtique

    @tommy

    Damit ist fast Alles gesagt.

    Aus Modernisierungssgründen nehmen sie die USA statt Russland und ich bin voll auf ihrer Seite... :-)

  • T
    tommy

    Das politische Koordinatensystem in Deutschland ist geradezu absurd nach links verrückt. Claus Leggewie freut das natürlich.

    Ich als Rechtsstehender (ich würde mich nationalkonservativ nennen) habe in diesem Land keine politische Heimat mehr. Die CDU mit ihrer Anbiederung an das grüne Weltbild ist nur noch lächerlich; rechts davon kommt lange Zeit gar nichts mehr (sofern man nicht in Bayern lebt und CSU wählen kann), dann schließlich die Nazis, die man aber nicht wählen kann, sofern man nicht völlig verrückt ist und eine Neuauflage des 3. Reichs will.

    Mich kotzt dieses Land mit seinem grün-verblödeten Bürgertum nur noch an. Das einzige, was mich hält, ist die gute Infrastruktur und mangelnde Initiative meinerseits. Sonst würde ich auswandern (Russland oder sowas in der Richtung).

  • P
    Philipp

    "Und die Krumen verbinden sich außerhalb der Parteien zu einem Gemisch aus Nichtwählern, Wutbürgern und Internetmob, das vom puren Ressentiment lebt. Wohin das führen kann, sehen wir gerade in Thüringen."

     

    Lieber Claus Leggewie,

    erklären Sie diese Aussage. Was hat die Internetbewegung mit Thüringen zu tun? Sie meinen doch nicht etwa die Döner-Morde? Welche Ressentiments meinen Sie, nennen Sie das Kind doch beim Namen. Nicht-Beteiligung der Mehrheit an Entscheidungsprozessen nenne ich das, der Kampf gegen abgekartete Klientel-Politik und seine verheerenden Folgen. Dafür lohnt es sich Ihrer Meinung nach nicht zu kämpfen? Seien sie sich nicht zu sicher, dass Sie auf Dauer von der rechtsradikalen Bedrohung verschont bleiben. Wenn sich die gesellschaftliche Lage weiter verschärft, ein bestimmter Schwellenwert erreicht ist, dann kommt es zum Rechtsruck. Zwischen 3% und 35% für die NSDAP lagen vier Jahre. Und die Parteien, die einen Rechtsruck aufsaugen können sind vorhanden und bereit. Wer das erkannt hat, geht heute auf die Strasse, um friedliche Strukturreformen zu unterstützen. Von den Dönermorden ist JEDER dieser Leute einfach nur angewidert. Das ist eine ganz üble Diffamierung und ich denke, man (die Internetbewegung und die zornigen Bürger) erwartet eine Entschuldigung.

    Wenn Sie gerne mit undifferenzierten Schlüssen auf die Kacke hauen, gehen Sie bitte ins Boulevard.

    Grüsse Philipp

  • A
    axel

    "Der Islam als Teil Deutschlands, Atomausstieg und grüne Energiewende, Mindestlohn, Ende der Wehrpflicht, Frauenförderung, Gemeinschaftsschule, Börsensteuer, mehr Europa - wenn Angela Merkel die Opposition ständig links einholt, da müsste rechts von der Union doch was zu holen sein?! "

     

    Wieso?

    Auch das Konservative ist dem Wandel unterlegen. Gibt es konservativere Politiker als Herrn Kretschmer? Ja, doch verlieren sie an gesellschaftlichem Rückhalt.

     

    Ganz einfach deswegen, weil auch Konservative manchmal lernen, dass es sinnvoll für sie ist, angeblich "Modernes", angeblich "Neues" zu nutzen, weil damit das Wohlgefühl auch für den Konservativen wächst.

     

    Das, was die so genannten Konservativen an so genannten linken Themen aufgreifen ist doch im linken Lager faktisch schon Schnee von gestern.

     

    Da, wo "die Konservativen" etwas von Mindestlohn fabulieren, reden "die Linken" längst vomBedingungslosen Grundeinkommen.

     

    Und außerdem:

     

    Da wo "die Konservativen" von "Atomausstieg" oder "Mindestlohn" reden, ist noch längst nichts von beidem drin.

     

    Propaganda. Schlichte aber perfide Propaganda. Da haben wohl viele Strategen "Mein Kampf" aufmerksam gelesen, da sie eine Propaganda machen, von der von der Intelligenz her Minderbemittelste glaubt, dass sie der Wahrheit entspricht.

     

    Hut ab.

    Widerlich ist es trotzdem.

     

    Und das fällt auch immer mehr Menschen auf. Ob über Linksterror oder Rechtsextremisten berichtet wird, nur Biedermeier fallen auf solche Propaganda rein.

     

    Intelligente Querdenker und intuiteve Gefühlsmenschen erkennen darin längst die Propaganda, die spalten soll, was geeint zu mächtig wäre, als dass die so genannten Eliten ihre Marionetten (Politiker) weiter machen lassen könnten.

     

    Die Evolution, hin zum Sozialeren und ökoloischeren Miteinander ist unaufhaltbar. Das kann an Hand der gesmten Menschheitsgeschichte erkannt werden.

     

    Aktuell erleben wir das Wellental des Sozialen und Ökologischen. Und schon bald werden wir auf einer sozialen und Ökologischen Welle reiten, wie sie letztmalig in den 70er Jahren annährnd gleich groß war. Annähern deswegen, weil der Aufstieg des Sozialen und Ökologischen, wie geschrieben, unaufhaltsam ist.

     

    Kämpft, ihr Narren. Lasst euch aufeinander hetzen, wir leben derweil vor, was wir erleben wollen. Ein Gesundes Miteinander.

  • T
    tazitus

    WählerIn könnte glauben, Frau Merkel sei bei ihr/ihm angestellt. Sie tut, was diese wollen. Mehr geht nicht.

    - Vermutlich will sie nur geliebt und gelobt werden. Typisches Syndrom einer ehemaligen Musterschülerin.