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Debatte BundeswehrKameraden? Demokraten!

Kommentar von Monika Hauser

SoldatInnen verteidigen die Demokratie. Doch gleichzeitig gibt es in der Bundeswehr sexistische Gewaltstrukturen. Das zeigen nicht nur die Vorfälle auf der "Gorch Fock".

Kadetten des Segelschulschiffs Gorch Fock im guantanamo-orangenen Dress in der Takelage. Bild: dpa

E r hinterlasse ein "weitgehend bestelltes Haus", hat der scheidende Verteidigungsminister zum Abschied seinem Nachfolger mit auf den Weg gegeben. Der heißt nun Thomas de Maizière. Und wird bald merken, dass es Guttenberg auch hier mit der Wahrheit nicht genau genommen hat: sexuelle Übergriffe, Verabreichung von Stromstößen, Aufnahmerituale mit roher Schweineleber, Leichenschändung - das sind einige "Einzelfälle", die in den letzten Jahren aus der Bundeswehr bekannt geworden sind. Die Gründe liegen in der militärischen Struktur selbst, in einer Vorstellung von Männlichkeit, die vorsieht, dass auf Stress mit Gewalt und Drill zu reagieren ist.

Generell fußen militärische Institutionen auf Hierarchien zwischen Männern, die auf Unterwerfung durch Gehorsam basieren. Befehlsstrukturen dienen dabei der oberflächlichen Kanalisierung von Aggressionen und Ängsten. So will man das Funktionieren der Truppe in gefährlichen Situationen gewährleisten.

An internen Gewaltstrukturen ändert auch der quantitative Anstieg an Soldatinnen nichts. Vielmehr sind sie, wie Untersuchungen in der US-amerikanischen und israelischen Armee zeigen, besonders häufig mit sexuellen Belästigungen und Übergriffen durch Vorgesetzte konfrontiert.

Bild: ap
MONIKA HAUSER

MONIKA HAUSER ist Gründerin und geschäftsführendes Vorstandsmitglied von medica mondiale, einer in Köln ansässigen NGO, die sich für Frauen in Kriegsgebieten einsetzt. 2008 wurde Hauser mit dem alternativen Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

"Boys will be boys"

Stärker noch sind Zivilistinnen von Gewaltakten betroffen. Diese von Militärs ausgeübte sexualisierte Gewalt wird jedoch von Entscheidungsträgern in Militär und Politik systematisch heruntergespielt. Selbst bei offiziellen Friedensmissionen ist die Bagatellisierung sexualisierter Gewalt weit verbreitet. "Boys will be boys", kommentierte lakonisch der UN-Chef in Kambodscha, Akashi, die massenhaften Besuche von UN-Truppen in örtlichen Bordellen. Die Kritik an der "Nutzung" von Zwangsprostituierten im Kosovo empfand der damalige Verteidigungsminister Scharping als Angriff auf die heile Welt: "Verunsichern Sie nicht die Frauen und Freundinnen unserer Soldaten." Nicht der Gang ins Bordell scheint hier der Skandal, sondern die Aufdeckung.

Sexualisierte Gewalt in militärischen Einsätzen ist eine effektive und brutale Form, Verunsicherungen und erlittene Demütigungen der eigenen Männlichkeit zu kompensieren - durch Unterwerfung von Frauen oder als schwach angesehenen Männern. Dadurch gewinnen "richtige" Männer ihre Überlegenheit zurück. In ihrer militärisch geprägten Welt mit regelmäßiger Schikane und hohem Alkoholkonsum sind die Entlastungsstrategien "männlich": Gewaltvideos anschauen, in den Puff gehen, es Frauen "besorgen", Homosexuelle mobben.

Dies betrifft einzelne Soldaten und ganze Truppeneinheiten, die kollektiv vergewaltigen oder "kameradschaftlich" Zwangsprostituierte sexuell ausbeuten. Komplette Friedensmissionen gerieten so in Misskredit. Deshalb erließen die Vereinten Nationen 2003 einen Verhaltenskodex und Strafen für sexualisierte Übergriffe. Die Umsetzung steht und fällt mit den militärischen Hierarchien: Wird Gewalt von militärischen Vorgesetzten ignoriert, toleriert oder gar angeordnet, treten persönliche Tabus außer Kraft. Dann werden auch Männer vermehrt Opfer von sexualisierter Gewalt.

Martialische Männlichkeit

Sind sich die Verantwortlichen dieser Mechanismen bewusst, können sie durch entsprechend klares Auftreten, Sensibilisierung und verbindliche Verhaltensvorschriften für notwendige Prävention und Sanktionen sorgen. Hier hat die Bundeswehr Handlungsbedarf: Die Studie des Frauenministeriums zu "Gewalt gegen Männer" stellte 2006 fest, dass die Bundeswehr die staatliche Institution mit der höchsten Gewaltakzeptanz nach innen ist. Weit entschiedeneres Vorgehen von Politik und Oberbefehlshabern gegen die tolerierte Gewalt ist hier gefragt.

Das Verteidigungsministerium und die Bundeswehr sollten endlich die negativen Auswirkungen der martialischen Männlichkeitsmuster ernst nehmen. Je diffuser der Auftrag des Einsatzes ist - wie beispielsweise in Afghanistan -, desto schwieriger wird es für den einzelnen, der Pflichterfüllung als SoldatIn einen Sinn zu geben. Es droht der Burn-out. Wenn dann die Lage gefährlicher wird, ist auf der Grundlage von unhinterfragten maskulinen Strukturen exzessives Verhalten vorhersehbar.

In den Berichten über die Vorgänge auf der "Gorch Fock" kamen auch Kadetten zu Wort, die sich mit den kritisierten Umgangsformen auf dem Schulschiff einverstanden erklärten. Wollen wir Führungskräfte, die solche Befehlsstrukturen aus Überzeugung übernehmen? Akzeptieren wir Aussagen wie die eines "Gorch Fock"-Offiziers: Die Soldaten seien da, die Demokratie zu verteidigen, aber nicht, um sie zu leben? Einer verfassungskonformen Bundeswehr, der auch im Alltag Artikel 1 des Grundgesetzes geläufig ist - Achtung und Schutz der Menschenwürde -, werden solche Überzeugungen zur Gefahr.

Bundeswehr und Artikel 1 GG

Gewaltprävention stellt die gewohnte militärische Logik infrage. Umso wichtiger ist es, an diesen Bildern von vermeintlicher männlicher Stärke, von Stolz und Mut anzusetzen. Soldaten und Soldatinnen müssen sich mit ihrem Selbstbildnis befassen, sie müssen lernen, dass es zur demokratischen Grundausstattung gehört, bei allem Respekt des Prinzips von Befehl und Gehorsam Menschenwürde an erste Stelle zu setzen, sich also des Rechts auf Befehlsverweigerung bei menschenunwürdigen Befehlen besinnen.

Für alle Friedenstruppen darf es keine Nebensächlichkeit mehr sein, einen verbindlichen Verhaltenskodex zu haben, der sexualisierte Gewalt und sexuelle Ausbeutung ohne Wenn und Aber unter Strafe stellt. Der Imageschaden bei Bagatellisierung von Gewalt muss für jegliche Armee höher werden als jener, der über Eingeständnis des nicht tolerierbaren Fehlverhaltens der eigenen Soldaten entsteht.

Dies ist sicher keine weltfremde Vision, sondern eine Frage der gesellschaftlichen Bewertung. Effiziente und gleichzeitig verantwortungsbewusste und die Menschenwürde achtende SoldatInnen als Schutz- und Ordnungsmacht sind nicht nur wünschenswert, sondern auch realistisch - wenn wir schon die Existenzen von Armeen hinnehmen müssen.

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16 Kommentare

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  • V
    vic

    @ Vincent

    und eben drum ein optimales Betätigungsfeld für Typen, die im nomalen Leben das Maul nicht aufkriegen würden. Hier kann auch der kleine Mann den dicken Max spielen.

  • CA
    Christian Alexander Tietgen

    Das finde ich gut. Jetzt wird endlich mal über Guttenbergs schlechte politische Arbeit diskutiert und nicht mehr über diese alberne Plagiatsaffäre. Über die Spiegel-Affäre oder die CDU-Spendenaffäre konnte man sich ja aufregen, aber über sowas?

  • V
    vic

    Selbst hier fällt er wieder, der Begriff: "Friedenstruppen"

    Es gibt keine Friedestruppen.

    Entweder Frieden - oder Truppen und umgekehrt.

    Das eine schließt das andere aus.

  • V
    Vincent

    Ihren Kommentar hier eingebenEs mag Frau Hauser überraschen aber eine Armee funktioniert nur durch Befehl und Gehorsam, nicht durch Vorschlag und Diskussion. Auch mag Frau Hauser sich mal darüber informieren, was es mit "Staatsbürger in Unbiform" und "innere Führung" auf sich hat, bevor sie pauschale Verurteilungen, geboren aus Unkenntnis, vornimmt. Eine schwache Leistung für eine Trägerin des alternativen Nobelpreises, der sich damit als Qualitätssiegel in Frage stellen läßt.

  • V
    vic

    ne Menge getroffene Hunde hier.

  • D
    duft

    @Poppol:

    "Hat Frau HauserIn mal daran gedacht, dass es möglicherweise daran liegt, die Sicherheit des/der Einzelnen zu erhöhen, besonders auf hoher See?"

     

    was? sexuelle gewalt erhöht die sicherheit auf see? selten so einen schmarrn gelesen.

  • A
    alexander

    Was mich wundert ist, es wurde auf H. Guttenberg eingeschlagen, weil er die gesellschaftlichen Regeln nicht eingehalten habe.

    Die Meldung von vor 2 Wochen, das die Gauselmann AG, Spielhallenbetreiber, habe durch Spendensplitting Politiker von SPD, Grünen, FDP und Union korrumpiert. Jetzt können die SPD-Pülitiker und auch die Politiker der Grünen sich auch nicht mehr als Saubermänner und Moralisten generieren. Ich kann mich noch gut erinnern, das bei der Großen Spendenaffäre in den 70/80iger Jahren nur der Schatzmeister der FDP verurteilt wurde, beim Schatzmeister der CDU hat man gewartet bis die Verjährung eingetreten ist und die SPD hatte Glück das ihr Schatzmeister verstorben war. Die Grünen haben den Schatzmeister der FDP sehr oft angegriffen, er sei vorbestraft und nicht mehr als Politiker glaubwürdig.

    Nur jetzt wo sie selber davon betroffen sind wird dies ausgesessen und die Redaktion der taz schweigt zu diesem Thema. Man greift ja seine politischen Freunde nicht an. Und weil bis auf die Linken alle davon betroffen sind hört man auch nichts von den Redaktionen die den anderen politischen Parteien nahe stehen. Aber als ihre Chefredakteurin gestern am 3.3.2011 bei Maischberger sagte es wer die Pficht der Journalisten sich um der Demokratie willen auf die Mißstände hin zuweisen und auch als investigativer Journalist tätig zu sein. "Ist natürlich der Fall zu Guttenberg wichtiger als bei korrumpierten Parteien und Bundestagsmitglieder."

  • P
    Poppol

    Hat da wieder eineR Dreck unter den/die Lehm gemischt? Wieder mal einE völlig unreflektierteR Artikel, der/die jüngsten Ereignisse um den/die Ministerrücktritt und vereinzelte Vorfälle in der/die Bundeswehr mit einer globalen Kritik an allem Männlichen und Militärischen, mit Kambodscha, dem/die Kosovo und Afghanistan ohne abzugrenzen vermengt und den Eindruck entstehen lässt in der Bundeswehr tummelten sich nur Sexualverbrecher (und was ist hier in diesem Fall mit SexualverbrecherInnen - hier ist wohl wie Verweiblichung der Sprache plötzlich obsolet), die auf Befehl auch brandschatzen, morden und vergewaltigen. Immer diese Außenperspektive, die es nicht besser weiß, noch wissen kann oder gar will und dennoch lauthals kommentiert und kritzelt.

     

    Schon alleine das vorangestellte Bild ist aussagekräftig genug für diesen Artikel. Ist die Warnfarbe Orange nun ein für alle Mal und ausschließlich mit Guantanamo in Verbindung zu bringen? Ich sehe schon mit Mitleid auf die ganzen BauarbeiterInnen der StraßenmeistereiInnen, die/der Stadtreinigung und die BademeisterInnen in unserem Schwimmbad. Alle in Guantanamohabitat!!! Hat Frau HauserIn mal daran gedacht, dass es möglicherweise daran liegt, die Sicherheit des/der Einzelnen zu erhöhen, besonders auf hoher See? Aber Reflektion und Differenzierung sind ja ohnehin nicht die Stärke von Pauschalverurteiler(Inne)n.

  • DH
    Dr.Klaus Heine

    Als ob die Kommentatorin in ein Wespennest gestochen hätte. Männer können wohl scheinbar schlecht ertragen, daß Weiber auch Mal zu männlichen Untugenden Stellung beziehen,... und das durchaus auch professionell. Liebe Geschlechtsgenossen, nun bleibt doch auf dem Teppich einer objektiven Einschätzung der Tatsachen. Es geht Frau Hauser nicht um eine generelle "Verunglimpfung des Männerterrains Bundeswehr", sondern um ein kritisches, aufklärendes Hinterfragen von Strukturschwächen im Kampf gegen den Feind und das Verhalten untereinander in den eigenen Reihen. Es werden einzelne Übergriffe aufgezeigt und allgemeine Probleme durchleuchtet und hinterfragt. "Mann" wird ja wohl noch Mal gefragt werden können, ob nicht auch schon bekannte Vorkommnisse zuviel sein dürfen. Für die Betroffenen reichte sicherlich schon EIN MAL aus, ohne die Notwendigkeit von regelmäßigen oder sogar üblichen Ekelhaftigkeiten, die ich gar nicht aufzählen möchte.

    Eine indische Weisheit:"Wenn Du den Hahn einsperrst, geht die Sonne doch auf". Macchismo ist immer ein wenig lächerlich.

  • P
    Paria

    Wie will man von Menschen, die in einer durch und durch hierarchisch strukturierten Parallelgesellschaft leben, Verständnis für demokratische Umgangsformen erwarten?

  • D
    Differenziert?

    Die Darstellung von Frau Hauser lässt grunsätzliches Wissen um Leitprinzipien und Geschichte der Bundeswehr vermissen. Die Prinzipien "innere Führung" und "Bürger in Uniform" werden nicht einmal implizit erwähnt. Man gewinnt geradezu den Eindruck, als musste die Bundeswehr nunmehr zur demokratischen Institution reformiert werden. Eine Trägerin des alternativen Nobelpreises sollte zu differenzierter und informierterer Auseinandersetzung in der Lage sein.

  • FB
    Frank Beckenhauer

    Komisch, überall ist der islamische Terroranschlag in Frankfurt Thema Nummer eins. Bei der Taz ist es anders.

  • AS
    Andreas Suttor

    Wieder mal ein Kommentar zum Innenleben der Streitkräfte, der von einer Person verfaßt wird, die sicher nie dort gedient hat. Also die sprichwörtliche Rede des Blinden von der Farbe.

    Natürlich gab und gibt es in der Bundeswehr unappetitliche Vorfälle, die aus falsch verstandenem Traditionsbewußtsein und aufgrund verquerer Männlichkeitsvorstellungen entstehen. Aber das kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Bundeswehr mit dem Konzept der Inneren Führung seit nunmehr über 50 Jahren einen Weg beschritten hat, der Vorbild für zahlreiche Reformvorhaben anderer Armeen dieser Welt ist und die Notwendigkeit militärischen Gehorsams vorbildlich mit demokratischer Gesinnung verbindet. Die Einsatzkräfte der Bundeswehr in einem Atemzug mit Vergewaltigungen durch Besatzungstruppen und Verfehlungen von UN-Truppen zu nennen, ist infam. Bevor man solche Verbindungen herstellt, sollte man sich eingehender mit dem Subjekt der Betrachtung auseinandersetzen. Jeder Soldat der Bundeswehr bekommt schon in den ersten 3 Wochen seiner Dienstzeit eines ganz deutlich gemacht: Befehle, die Straftaten beinhalten, darf er nicht ausführen. Rechtswidrige Befehle ohne Straftatbestand muß er nicht ausführen. Mehr Kontrolle von unten geht eigentlich nicht.

  • C
    Crocodile_Gandhi

    Was ist denn hier los? "SoldatInnen verteidigen die Demokratie" gefolgt von einem Kommentar, der keiner ist, sondern lediglich ein von Worten umringter Link auf ein Propagandavideo von Bundeswehr-TV...!

    Ich habe kurz überlegt, ob ich das t mit dem f vertauscht habe...

  • I
    imation

    Oh Gott, da hat aber jemand toll geforscht.

     

    Natürlich basiert Militär auf Befehl und Gehorsam.

    Dies aber vor allem weil im Kampf keine Zeit ist für Morgenkreis und Plena.

    Und so wie der Vorgesetzte Gehorsam erwartet, erwartet der Untergebene aber auch Sinnvolle Befehle des Vorgesetzten.

    Das ist auch meist das Problem. Das Vorgesetzte/Untergeben Verhältnis stimmt oft nicht. Hier muss angesetzt werden und bei der Auswahl der Soldaten besser vorgegangen werden. Am Grundprinzip wird man aber nicht ändern können will man eine funktionierende Armee haben.

    Wenn nicht soll man es aber auch gleich sagen und nicht per Soziostudie durch die Hintertür.

    Und was den Drill angeht: Der ist Überlebensnotwendig. Im Kampf muss man vieles "blind" können. Ansonsten ist Mann/Frau tot.

     

    PS: Das Frauen mit dem Prinzip Armee so ein Problem haben liegt mMn am anderen sozialen Verständnis von Frauen. Was nun mal mehr auf verbale Problemlösung beruht.

    Prinzipiell nicht schlecht, nur beim Bund unpraktisch.

  • CC
    Claus Carstensen

    Man schaue sich z.B mal dieses Youtube Video an, Kanal: Bundeswehr

     

    http://www.youtube.com/watch?v=e80ChwtGbHI

     

    Die vom Kanal-Handler noch launig kommentierte Kommentare zum Thema weibliche Feldjäger sagen viel über die Bundeswehr.