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De Mita trickst Craxi aus

■ Italien vor neuer Regierung / Der christdemokratische Parteichef schlägt Craxi mit seinen eigenen Waffen

Aus Rom Werner Raith

Zügiger als von den Auguren vorhergesagt ist der Vorsitzende der italienischen Christdemokraten, Ciriaco De Mita, mit seinen Bemühungen um die Bildung einer neuen Regierung vorangekommen. Mit einem listig eingefädelten Konsultationsreigen - zuerst die kleinen Partner, dann der „dicke“ Brocken der Sozialistischen Partei - und unter Konzentration auf ein bis ins kleinste festgelegtes Regierungsprogramm hat der DC–Chef die Parteien der alten Fünfparteienkoalition aus DC, PSI, Sozialdemokraten, Republikanern und Liberalen gezwungen, ihre Vorstellungen über die Zusammenarbeit vorzeitig zu präzisieren, ihren eigenen Verhandlungsspielraum einzuengen. De Mitas zuerst mit etwa 70 Seiten vorgeleger Entwurf ist so mittlerweile aufs Doppelte angeschwollen - doch der designierte Ministerpräsident zeigt darüber offene Freude: Es wird ihm künftig als Keule gegen die gefürchteten „Heckenschützen“ aus den Koalitionsreihen dienen. Weniger erfreut ist Sozialistenchef Bettino Craxi, der seinem Erzfeind De Mita allzugerne die Vertreibung aus dem Amt des Ministerpräsidenten 1987 heimzahlen möchte: Sein Plan, den Christdemokraten mit Maximalforderungen schon vorab scheitern zu lasse, ging nicht auf - De Mita akzeptierte sie grinsend fast alle und kopierte damit ungeniert Craxis Vorgehen bei dessen eigener Regierungsbildung 1983. So gab der PSI–Chef Kehrtorder und wollte lieber alles wieder bei allgemeinen Formulierungen belassen, um schon vorab genügend Sollbruchstellen einzubauen. Dafür aber war es zu spät. Craxis Dilemma: Durch die Annahme einer Reihe sozialistischer Forderungen - wie die zumindest vorläufige Aussetzung des Weiterbaus von Nuklearanlagen oder die zivilrechtliche Verantwortlichkeit von Richtern bei Fehlurteilen - wird De Mitas Programm auch für andere Parteien, etwa die Radikalen, die Grünen und sogar für die Kommunisten konsensfähig: Der PSI ist plötzlich nicht mehr unabdingbar zum Regieren nötig. Seit Freitag sitzen sich erstmals alle fünf Koalitionsdelegationen gegenüber: Am Wochenende wird sich zeigen, ob das Programm wirklich hält. Craxi hat jedenfalls hier eine letzte Hürde aufgebaut - die Frage der Medienreform, die eine Neuaufteilung des staatlichen Fernsehens RAI unter den Parteien und eine Stärkung privater, speziell Craxi zugetaner Sender bedeutete. Eine Forderung, die Christdemokraten und Republikaner bis jetzt immer abgelehnt haben.

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