: De Maizière will Straftaten erlauben
INNERES Verdeckte Ermittler sollen bei Kinderporno-Ermittlungen eventuell szenetypische Delikte begehen dürfen – Bundesinnenminister will mit seinen Vorschlägen eine Debatte anstoßen
WIESBADEN taz | Innenminister Thomas de Maizière (CDU) überlegt, ob verdeckte Ermittler künftig szenetypische Straftaten begehen dürfen. Die neue Befugnis für verdeckte Ermittler soll Bestandteil eines „Aktionsplans gegen Kinderpornografie“ werden, der von Bundeskriminalamt (BKA) und Innenministerium derzeit erarbeitet wurde. Der Minister stellte seine Überlegungen bei der BKA-Herbsttagung in Wiesbaden vor.
Verdeckte Ermittler sind Polizeibeamte, die unter einer Legende in kriminelle Netzwerke eingeschleust werden. Bisher dürfen sie keine Straftaten begehen, auch nicht um sich zu tarnen. „Drogenfahnder dürfen zum Beispiel keine Drogen kaufen und verkaufen, auch nicht als so genannte Keuschheitsprobe“, stellte de Maizière klar. Szenetypische Straftaten, die keine Opfer fordern, werden bisher nur bei V-Leuten von Polizei und Verfassungsschutz geduldet. V-Leute sind Privatpersonen, die gegen Geld als Spitzel aus ihrer Szene den Sicherheitsbehörden berichten.
Als szenetypische Straftat bei der Bekämpfung der Kinderpornografie könnte etwa der Tausch von Missbrauchsbildern und -videos erlaubt werden „Um in ein Internetforum hineinzukommen, müssen die Beamten eventuell selbst kinderpornografisches Material anbieten.“
Allerdings ist de Maizière selbst noch nicht überzeugt davon, dass dieser Tabubruch notwendig ist. „Es ist ja auch ein Schutz für Polizeibeamte, wenn sie keine Straftaten begehen dürfen.“ Der Minister stellte in Wiesbaden zunächst nur Fragen: „Sollen wir den Beamten das Begehen von szenetypischen Straftaten erlauben oder ist das ein Rubikon, der nicht überschritten werden sollte?“ Er wolle zunächst eine Debatte darüber eröffnen.
Ziel de Maizières ist es, die Strafverfolgung der Nutzer von Kinderpornografie zu intensivieren. Dazu soll auch stärker mit Daten von Kreditkartenunternehmen gefahndet werden. Auch sollen die Suchmaschinenbetreiber in die Suche nach Tätern eingespannt werden.
Schwerpunkt der diesjährigen BKA-Herbsttagung ist das Thema „Gewalt“. De Maizière wies die Vermutung von Sozialwissenschaftlern zurück, dass Gewalt eine Folge zunehmender sozialer Desintegration der Gesellschaft sei. „Der Anteil der Hartz-IV-Empfänger unter den Gewalttätern ist unterdurchschnittlich“, sagte der Innenminister. Sorge bereite ihm auch die „erlebnisorientierte Gewalt“ auf Demonstrationen. CHRISTIAN RATH