: De Klerk stellt Weißen die Vertrauensfrage
Kapstadt (afp) — Der südafrikanische Präsident Frederik de Klerk hat nach einer schweren Wahlniederlage die Flucht nach vorne angetreten und am Donnerstag eine „baldige“ Volksabstimmung über seine Reformpolitik angekündigt. Falls er bei dem Referendum, von dem die schwarze Mehrheit ausgeschlossen bleibt, eine Niederlage erleide, werde er zurücktreten, sagte der Präsident, dessen Partei am Vortag bei Nachwahlen in West-Transvaal der Apartheid-Verfechterin „Konservative Partei“ klar unterlegen war.
De Klerk kündigte an, daß er die Frage für die Volksabstimmung Anfang kommender Woche präsentieren werde. Das Referendum solle dann so schnell wie möglich erfolgen. Sollten die Wähler gegen die Fortsetzung der Verfassungskonferenz (CODESA) sein, werde die gesamte Regierung zurücktreten und damit den Weg für Neuwahlen freimachen. Nach Angaben de Klerks hängt seine Entscheidung unmittelbar mit der Wahlniederlage am Vortag zusammen.
Bei der Abstimmung in der Stadt Potchefstroom hatte der Kandidat der rechtsradikalen „Konservativen Partei“ gewonnen, die den Reformkurs de Klerks und Verfassungsgespräche strikt ablehnt. Beobachter hatten den Urnengang als wichtigste Nachwahl in 70 Jahren und als Test für de Klerks Politik der Annäherung an die schwarze Bevölkerungsmehrheit eingestuft.
Der Vorsitzende der Nationalpartei für Transvaal, Barend du Plessis, versuchte nach der Wahl, die Niederlage seiner Partei als wenig aussagekräftig herunterzuspielen. Das Resultat „spiegelt nicht exakt wider, was die Mehrheit der weißen Wähler über die Zukunft unseres Landes denkt“, sagte du Plessis. Die Wähler seien lediglich verunsichert. Die Nationalpartei werde von ihrem Reformkurs nicht abweichen. In Potchefstroom war die Mehrheit der Nationalpartei, die bei den Wahlen 1989 noch 1.583 Stimmen betragen hatte, in einen Sieg der Konservativen Partei mit mehr als 2.100 Stimmen umgeschlagen. Seit 1948 war die ländliche Kleinstadt fest in der Hand der Nationalpartei gewesen. Der Politikwissenschaftler Lawrence Schlemmer wies auf einen bedeutenden Meinungsumschwung innerhalb der weißen Bevölkerung hin. Bei der Nachwahl seien 11,2 Prozent der Wähler zu der Rechtspartei übergelaufen. Daraus ergebe sich, daß nun 40 Prozent der weißen Bevölkerung gegen de Klerk seien. „Vierzig Prozent ist ein sehr bedeutender Teil gleich welcher Bevölkerungsgruppe“, sagte Schlemmer. „Er ist einfach zu groß, als daß man ihn ignorieren könnte.“ Schlemmer erwartet, daß de Klerk nun getrennt mit der Konservativen Partei verhandeln wird. Diese nimmt an der Verfassungskonferenz CODESA nicht teil, bei der Schwarzenorganisationen und Regierung seit Dezember 1991 über die politische Zukunft des Landes verhandeln. Nach Schlemmers Ansicht hat de Klerk jedoch gute Chancen, eine rein weiße Volksabstimmung über seine Reformen zu gewinnen. Rund 58 Prozent der Weißen würden sich bei einem solchen Referendum wieder hinter de Klerk stellen, schätzt Schlemmer.
Ein anderer Politikwissenschaftler, Dirk Laurie von der Universität Potchefstroom, glaubt, daß die Konservative Partei bei einer Parlamentsneuwahl derzeit stärkste Partei werden könnte, ohne jedoch eine tragfähige Regierungsmehrheit zu erringen.
„Gestern ist de Klerk die Politik der Weißen aus der Hand geglitten“, meinte der wirtschaftspolitische Experte Sampie Terreblanche, Professor an der Stellenbosch Universität. Die Nationalpartei hat seiner Ansicht nach keine politische Zukunft. Als politischen Gewinner aus der Situation sieht Terreblanche den Afrikanischen Nationalkongreß (ANC), der seiner Ansicht nach innerhalb eines Jahres eine eigene südafrikanische Regierung stellen könnte.
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