■ Straßmanns kleine Warenkunde: Day Packs
Fettige Strähnen. Ein speckiger Nacken. Ein fleischiger Rücken. Ein verschwitztes weißes T-Shirt (Aufdruck: „Kampftrinker“). Und ein handtellergroßes Rucksäckchen, das in Höhe des zweiten Lendenwirbels an endlosen Trägern baumelt. Was müssen wir da? Wir müssen lachen.
Haare wie Goldregen. Ein Hals wie eine Antilope. Ein Rücken zum Entzücken, ansatzweise bedeckt von einem nur aus Spaghettiträgern bestehenden Top. Und ein handtellergroßes Rucksäckchen, das in Höhe des zweiten Lendenwirbels an endlosen Trägern baumelt. Was können wir da gar nicht? Wir können da gar nicht wegsehen.
Das ist der Vorzug der Jugend: Sie trägt was sie will, wir bewundern sie still. Letztes Jahr, in Paris, wurden die Rucksäckchen erfunden, soeben war die Mode mit den katzenkopfgroßen Zwergpudeln ausgelaufen. Plötzlich trug alle Welt auf dem Rücken die Beutelchen, die natürlich vorher schon in New York erfunden worden waren und darum „Day Packs“ hießen. Das bedeutet, daß man darin den notwendigen Bedarf für einen Tag unterbringt.
Weil manche für den Tag nur eine Kreditkarte brauchen, entdeckt man inzwischen selbst in Bremen Leute mit eierbechergroßen Day Packs. In Mailand sollen daumennagelgroße Säckchen gesehen worden sein. Auf die Idee, daß das lächerlich aussehen könnte, kommt niemand, weil niemand sich selbst von hinten sieht. Aus demselben Grund leiden Männer mit Stirnglatze früher und ausdauernder als Männer, die zuerst am Hinterkopf lichter werden. Letztere brechen aber zuverlässig dann zusammen, wenn die Glatze zur Stirn durchbricht. Wieder andere Männer finden Glatzen schön. Obwohl manche Wissenschaftler sagen, Glatzen kämen keineswegs von zuviel Männerhormonen. Diese Wissenschaftler sind meist affenartig behaart und zugewachsen.
Der Day Pack als Kreuzung zwischen dem Bergsteigerrucksack und dem Fun Bag (Bauchbeutel) vereinigt beider Nachteile: Er ist in Bussen von Langfingern so leicht auszuräumen wie der Rucksack und zugleich lächerlich wie der Bauchbeutel. In Cafés vergißt man ihn. Wenn man auf dem Fahrrad unterwegs ist und hinter sich ein angeschnalltes Kleinkind sitzen hat, stößt man dem Kleinen mit dem Day Pack unablässig ins Gesicht und wundert sich über dessen Mißmut. Kurz: der Day Pack ist genauso vehement abzulehnen wie die Formulierung: „Beim 75er Alfa bekommt man viel Auto fürs Geld“. BuS
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