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■ DaumenkinoKleine Strolche

Es gab verregnete Sonntage und solche mit den „kleinen Strolchen“. Bei schlechtem Wetter schauten meine Schwester und ich nämlich das Kinderprogramm rauf und runter. Bei Sonne ging's aber raus auf die Straße. Nur die „Kleinen Strolche“ haben wir nie verpaßt. Sie gehörten zu uns wie die kleine Bärbel von gegenüber, die beim Völkerball immer zuerst abgetroffen wurde, oder der große Rüdiger, der uns immer den Ball klaute.

Dabei müssen Farina und Joe, Mickey und Mary 1970 schon über fünfzig gewesen sein. Den Höhepunkt ihrer Filmkarriere hatten sie nämlich schon in den zwanziger Jahren. Und außerdem waren sie offensichtlich nicht von hier. In unserer Straße spielte niemand Baseball, und so viele Polizisten gab es schon gar nicht.

Trotz aller kulturtechnischen Unterschiede liebten wir die Strolche noch mehr als Laurel & Hardy, die wir nur als Dick und Doof kannten. Während die zwar erwachsen waren, sich aber wie Kinder verhielten, gebärdeten sich die Strolche wie kleine Erwachsene: Ihre Abenteuer spielen in der Welt der Großen. Sie verdingen sich als Hilfspolizisten oder kapern eine echte Dampflokomotive, fangen Sittenstrolche oder gewinnen im Faustkampf die Herzen ihrer Angebeteten. Ihr Revier ist die Großstadtstraße, die Staatsmacht steht ihrem Tun meist hilflos gegenüber, denn – so die Botschaft der Strolche – klein sein, kann fein sein.

Nun hat der Berliner Sputnik-Filmverlag sieben Originalfolgen der Strolche zu einem 90minütigen Kinoprogramm zusammengestellt. Von den bis 1942 produzierten 221 Folgen haben sie sich für jene Frühwerke der Jahre 1922 bis 1927 entschieden, die unter der Regie von F. Mc Gowan in den Hal-Roach- Studios produziert wurden, als Farina und Joe noch nicht wegen fortschreitenden Wachstums ausgemustert worden waren. Echte Cineasten werden wohl beklagen, daß über dem Originalmaterial die deutsche Erzählstimme liegt und das „Hiphipp-huräi-huräi“ in akzentfreiem Deutsch daherkommt. Sentimentale Seelen aber erfreuen sich trotzdem an dem rasenden Xylophon, werden das Kino mit Rotznase verlassen und noch eben auf der Straße nachschauen, ob Bärbel nicht Lust auf eine Runde Völkerball hat. klab

„Die kleinen Strolche sind zurück“, 90 min., Sputnik- Filmverlag.

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