■ Daumenkino: Kondom des Grauens
Die Dinger nerven. Wer keins dabei hat, ist ein potentieller Killer. Wer immer eins dabei hat, will garantiert fremdgehen. Ausreden wie, das trage ich nur zur Selbstverteidigung, glaubst du etwa, daß jeder, der eine Waffe trägt, jemanden erschießen will, verfangen nicht.
Beneidenswert die schwulen Freunde, die ohne rumvögeln konnten. Denen blieben jedenfalls (früher) Bemerkungen erspart wie: Ich kannte mal jemanden, dessen Ding einfach zu groß war, paßte in kein Kondom. Und ich frage mich immer, warum die soviel wertvolles Latex verschwenden...
Seit dem Aufkommen von Aids sollen alle nur noch „mit“ vögeln. Man haßt die Dinger, aber man darf es nicht, weil sie ja, ähnlich wie funktionierende Telefonzellen, täglich Leben retten.
Comiczeichner Ralf König ging es „auf die Eier“, daß Kondome einem den Spaß verderben und der propagierte Safer Sex per Todesdrohung über jegliche Krtik erhaben sein soll. Die „heilige Kuh“ Kondom mußte geschlachtet werden. So erfand er eines Tages, angeblich ohne sich groß etwas dabei zu denken, das „Kondom des Grauens“. „Ich war sauer und zeichnete ein Kondom mit Reißzähnen.“ Das war kurz nach der Entdeckung des Virus 1985. Das Sudelblatt lag ohne Aussicht, gedruckt zu werden, auf Verlegerschreibtischen. Einige Jahre später wurde der Comic zunächst zum schwulen Szenerenner, von einem auf S/M spezialisierten Verlag gedruckt, dann zum wernermäßigen Megaseller. König hatte solchen Spaß an seinem Horrorpräser, der zwischenzeitlich auf spanisch und u.a. auch als Tappajakondomi – Jäykistävää Kauhua auf finnisch erschienen war, daß er 1992 auch noch eine Bühnenversion des Comics erfand. „Ich wollte schwule Puppen auf die Bühne bringen, die vor aller Augen richtigen Schweinkram machen: Da kreischen Nutten, da fliegen Schwänze durch die Luft, da spritzt Blut, da wird heftig gevögelt und mit Pistolen rumgeballert.“ Die Aufführung in Köln wurde ein großer Erfolg. Das ZDF schnitt das Puppentheater mit, traute sich aber nicht, es zu senden.
Noch vor der Verfilmung seines „Bewegten Manns“, hätte Ralf König am liebsten mit Martin Walz „Kondom des Grauens“ ins Kino gebracht, sah aber keine Finanzierungsmöglichkeit. Jetzt hat Walz das scheinbar Unmögliche realisiert. Das Comic-Killerkondom beißt sich ab heute durch deutsche Kinoleinwände. Konstruiert von Splatterprofi „Nekromantik“ Jörg Buttgereit. Mit Udo Samel als eineiigem Luigi Mackeroni: „Du rollst es dir auf die Rübe und – zack – beißt das Ding zu.“ Andreas Becker
„Kondom des Grauens“. Regie: Martin Walz. Mit Udo Samel, Peter Lohmeyer, Iris Berben, Länge: 3.230 Meter
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