■ Daumenkino: Ironisch pervers
Tilda Swinton als aufstrebende Juristin, zornesgeballte Fäuste in den Taschen ihres Kostümchens und die Zähne mürrisch zusammengebissen – das ist ohne Zweifel sehenswert. Von der amerikanischen Regisseurin Susan Streitfeld auf eine kathartische Tour de force geschickt, muß sie in „Female Perversions“ eine Woche lang das Leben einer neurotischen Perfektionistin erleiden. Als Eve Stephens ist sie die Hauptperson eines zweistündigen Spielfilms, dem die wissenschaftliche Drehbuchgrundlage (Louise J. Kaplans psychoanalytischer Schmöker „Female Perversions“) einiges zuviel aufgebürdet hat. Neun Figuren stehen für verschiedene Spielarten „weiblicher Perversionen“ – Eves Schwester vermasselt sich durchs manische Klauen beinahe die wissenschaftliche Laufbahn, ihre pubertierende Nichte sägt und schneidet masochistisch an sich herum. Diese Menagerie allein wäre in ihrer durchweg überzeugenden Besetzung abendfüllend. Das Ergebnis von Streitfelds Film jedoch ist zwiespältig, denn in wabernden Phantasiesequenzen, die Eve gefesselt und von maskierten Unholden bedroht zeigen, verliert die Inszenierung durch Pathos und symbolischen Bombast allzuviel von der strengen und stilisierten Machart. Die nicht eben neue Grundaussage des Films, daß die „Stereotypen normaler Weiblichkeit“ (Kaplan) „wie Kaufrausch, Kleptomanie, Freßsucht, Magersucht“ die eigentlichen Perversionen seien, wird schließlich sogar mittels diskret als Graffiti oder Werbeslogan getarnten Zitaten in die Bildkomposition eingebaut. Das ist schade, denn Tilda Swinton, die ihre Rolle mit sichtbarem Genuß zelebriert, steht in diesem Schilderwald bisweilen auf verlorenem Posten. Das allerdings sehr kunstvoll und vollendet ironisch. Gudrun Holz
„Female Perversions“. USA 1996, 114 min. Regie: Susan Streitfeld. Mit Tilda Swinton
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