■ Daumenkino: Michael
Über Engel, ihre Erscheinung, Gewohnheiten und Vorlieben, weiß man im Grunde noch sehr wenig. Kinoregisseuren wie Wim Wenders und Alan Rudolph kommt daher das Verdienst zu, sie weitgehend vom Klischee des lieblich-körperlosen Himmelswesens befreit zu haben. Seither wissen wir: Engel reisen in höherem Auftrag, aber sie frönen darüber hinaus irdischen Gelüsten und haben geheime wie gemeine Sehnsüchte.
Erzengel Michael, verrät nun die Regisseurin Nora Ephron (Schlaflos in Seattle), kann nicht von der Marotte ablassen, sich an seltsamen Dingen wie dem größten Wollknäuel oder der größten Teflonpfanne der Welt, irgendwo in Iowa, zu ergötzen. Michael schüttet löffelweise Zucker über seine Cornflakes und liebt Kopfstoßduelle mit weidenden Stieren. Er trinkt Dosenbier und ist leicht übergewichtig, aber wenn er einen Trenchcoat über sein pralles Gefieder streift, sieht er verteufelt gut aus. Frauen versteht er mit einem dezenten Biscuitduft zu betören, daß sie ihn anheulen wie eine Meute Wölfinnen den Mond.
Engelethnographische Studien machen noch keinen Film, eine Geschichte muß her. Da trifft es sich gut, daß Frank Quinlan (William Hurt), Huey (Robert Pastorelli), Dorothy (Andie McDowell) und Hund Sparkey gerade auf der Suche nach einer skurrilen Story für ihr Boulevardblatt sind, zu der auch ein wenig heruntergekommene Engel etwas beitragen können. Michael (John Travolta) hat das Arrangement natürlich geschickt eingefädelt, um Berufszyniker Frank – mittels Verliebung in die passionierte Countrysängerin und Hundedompteurin Dorothy – das versteinerte Herz zurückzugeben. Das Hollywood-Kino ist eine avancierte Form des Engelwesens, deshalb darf man davon ausgehen, daß es mit Frank und Dorothy schon werden wird.
Bliebe also noch über John Travolta zu sprechen. Sein Nichtspiel mit breitem Grinsen ist so beeindruckend, daß selbst sein schrathaftes Durch-die-Gegend- stolzieren als eine engelspezifische Fortbewegungsweise erscheint. Der Mann empfiehlt sich für weitere himmlische Rollen, weil jeder schauspielerische Fehltritt zugleich als eine Erweiterung des Engelsgenres gelten kann. Harry Nutt
„Michael“. Regie: Nora Ephron
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