■ Daumenkino: Peru in Brasilien
Mr. Magoo ist Industrieller und ein „Mann großer Visionen“. Um Visionen zu haben, darf man natürlich nicht allzu scharf sehen. Magoo (Leslie Nielsen) ist praktisch blind, was ihm nichts weiter ausmacht, da er nicht allein große Visionen hat, sondern den Realitäten gegenüber auch ein Ignorant ist. Visionen und Ignoranz gehören untrennbar zusammen. Die Mumie im Museum hält Magoo für einen Verletzten, der ärztlicher Hilfe bedarf. Er küßt einen Fisch anstelle einer schönen Frau und ist dabei zum Grunzen glücklich. O sentimentalische Unschuld!
„Mr. Magoo“ gehört als Film zur Sparte der mild mißlungenen Live-action-Adaptionen berühmter Comicfiguren. Schlichte Gemüter werden seinen überschaubaren Humor zu schätzen wissen. Die „Nackte Kanone“ Leslie Nielsen kann man eigentlich immer lustig finden, weil sie auf so signifikante Weise blöd ist, „hammy“, zum Auf- die-Schenkel-Hauen. Die Fallschirmszene in der James-Bond-Parodie „Spy Hard“ beispielsweise: Während Nielsen am Fallschirm in den Wolken hängt, gießt er sich mit eleganter Hand einen Cognac ein. In Smoking und Fliege natürlich. Dazu lächelt er schelmisch. Im Zuge der vergehenden Jahre vollzieht Nielsens schelmisches Lächeln immer mehr den Übergang ins Froh-Senile. Der ganze Nielsen wandert mit. Mr. Magoo verdankt sein blindes Überleben im Alltag vornehmlich seinem Hund, einem dicken panischen Mops, der seinem Herrchen Hocker und andere Stolpersteine aus dem Weg räumen muß. Wenn Magoo mit ihm in die Oper geht, trägt der Mops natürlich Smoking und Fliege.
Solche Redundanzen nennt man anderswo Stil. Gut bedient ist bei Magoo, wer den Minimalismus von Kalauern schätzt. „Peru ist in Brasilien.“ Peru, das muß man wissen, heißt in diesem Film des Jackie-Chan-Regisseurs Stanley Tong ein böser Gangster. Die Krimihandlung von „Mr. Magoo“ ist gänzlich unerheblich, ebenso wie es die Reminiszenzen an Peter Sellers sind. In den USA entschuldigte sich Disney in vorauseilendem Gehorsam für die olympiareife Kurzsichtigkeit des Mr. Magoo. Dabei ist Magoo unbestreitbar die glücklichste Person inner- und außerhalb des Kinos. Anke Westphal
„Mr. Magoo“. Regie: Stanley Tong. Mit Leslie Nielsen, Kelly Lynch, Matt Keeslar u.a. USA 1998, 90 Min.
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