■ Daumenkino: Geburt des Pulp
Ein tölpelhafter Held ist der junge Heishiro. Ungeschickt, wenn es um die Kunst des Schwertkampfs geht, unbedarft, was die Liebe betrifft, ungestüm, wenn er sich im Nachdenken üben sollte. So geht denn, was er anfängt, meistens schief – und „Samurai Fiction“, das Spielfilmdebüt des japanischen Multimediaartisten Hiroyuki Nakano, hat einen Garanten dafür, daß das Schwertkampf- pathos von der Komik des einfältigen Helden ausgestochen wird.
Regisseur Nakano kommt vom Musikvideo und von der Werbung, hat unter anderem Clips für Les Rita Mitsuko und Deelite produziert. Seine Vorliebe für Farbexperimente, Choreographie, Zeitlupe und -raffer ist in „Samurai Fiction“ unverkennbar. Zwar ist der Film über weite Strecken in strengem Schwarzweiß gehalten und damit eine Hommage an Nakanos erklärtes Vorbild Akira Kurosawa, der erst 1970 anfing, Farbfilme zu drehen. Doch überwältigt wird die kühle Komposition wieder und wieder von einer Lust am visuellen Überschuß, wie man sie etwa aus dem Hongkong-Kino eines Wong Kar Wei kennt. Und wenn man schon von Paten spricht: Wie der Titel unschwer erkennen läßt, hat Nakano „Pulp Fiction“ gesehen. Ähnlich wie bei Tarantino geht es auch bei ihm um die Dekonstruktion des Genres, um Profanisierung. Auch unbesiegbare Samurai machen richtig dumme Fehler.
Obwohl die Figuren manchmal so jetztzeitige Sätze hervorbringen wie „Halte deine Umwelt sauber“, ist „Samurai Fiction“ im Jahre 1696 angesiedelt. Das Schwert des Shoguns wurde entwendet, und Heishiro, der tölpelhafte Held, begibt sich auf die Suche nach dem Dieb, dem Samurai Kazamatsuri. Der ist die personifizierte Coolness: pockennarbig, wortkarg, nicht aus der Ruhe zu bringen, von hünenhafter Gestalt. Mit versteinerter Miene schreitet er am Strand entlang, durch die Wälder, steht er am Rand der Steilküste und blickt in die Ferne: Nakano treibt Schabernack mit den Codes des Erhabenen.
Das ist bisweilen ganz nett anzusehen und vergnüglich dazu, vermag aber die fast zweistündige Laufzeit von „Samurai Fiction“ nicht wirklich zu füllen. Denkt man an die Tölpel, die fest zum Inventar von Hongkongs Kung-Fu-Komödien und Gangsterspektakeln zählen, bedeutet ein Held wie Heishiro nichts Neues. Und nach der raffinierten Handlungsführung, mit der „Pulp Fiction“ hervorstach, sucht man in „Samurai Fiction“ vergeblich: Am Ende stehen Hochzeit und Pseudoweisheiten wie diese: „Man muß das Leben hegen und bis zu seinem Ende leben. Das ist die Pflicht eines Mannes.“ Von Ironie keine Spur. Cristina Nord
„Samurai Fiction“. Regie: Hiroyuki Nakano. Mit: Mitsuru Fukikoshi, Tomoyasu Hotei, Tamaki Ogawa u.a., Japan 1998, 111 Min.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen