Dauerkrise beim Schalke 04: Geheime Gremien
Während sich der FC Schalke 04 die nächste Klatsche beim VfL Wolfsburg abholt, streiten Fans und Aufsichtsrat um die Personalie Ralf Rangnick.
Dimitrios Grammozis verglich den FC Schalke 04 neulich mit einer wunderschönen Braut, um die es sich auch dann noch zu werben lohne, wenn sie erste Annäherungsversuche abgelehnt hat. Inzwischen ist Grammozis Chefcoach des Revierklubs, und zwei andere Männer scheinen dem Reiz der königsblauen Schönheit zu erliegen, einem Liebreiz, der sich derzeit wahrlich nicht jedem erschließt.
Schalke sucht dringend einen neuen Sportvorstand, und nun deutet vieles darauf hin, dass Markus Krösche, der 2019 den SC Paderborn in die Bundesliga managte und angeblich auch von AS Rom umworben wird, an einem Wechsel nach Schalke interessiert ist. Noch vor wenigen Tagen hätten die Verantwortlichen in Gelsenkirchen um den Aufsichtsratschef Jens Buchta sich für einen spektakulären Coup feiern lassen können, wenn sie Krösche als Nachfolger für Jens Schneider präsentiert hätten. Inzwischen ist jedoch klar, dass ein noch attraktiverer Bräutigam willens ist, die Hauptverantwortung für die sportliche Entwicklung des designierten Absteigers zu übernehmen: Ralf Rangnick.
Es ist eine kleine Sensation, dass der hoch verschuldete und am Boden liegende Traditionsklub derart interessante Optionen zu haben scheint. Wobei die Geschichte dahinter wieder einmal das Bild vom verstrittenen Chaosklub festigt. Denn die Gespräche mit Rangnick wurden gar nicht von Verantwortlichen aus dem Klub geführt, sondern von einer Gruppe öffentlich nicht bekannter Leute, die sich im Hintergrund um die Zukunft des Klubs sorgen.
Als das Aufsichtsratsmitglied Stefan Gesenhues das Rangnick-Projekt dem Gremium am Freitag im Auftrag der unbekannten Helfer vorgestellt hat, soll kontrovers und auch emotional diskutiert worden sein. „Der Aufsichtsrat hat seinen Vorsitzenden Dr. Jens Buchta gebeten, die Entscheidung zur Besetzung des neuen Sportvorstands vorzubereiten“, teilte der Klub am Abend mit und dementierte, dass bereits eine „Voreinigung“ mit Rangnick existiere.
„Ich fühle mich noch frisch“
Das hatten Medien berichtet. „Der Aufsichtsrat wird keinerlei Stellungnahme zu möglichen oder gehandelten Kandidaten abgeben, was grundsätzlich auch so bleiben wird“, hieß es in der Mitteilung des Klubs. Allerdings dementierte auch niemand, dass der Schwabe bereit sei, den vakanten Vorstandsposten beim Tabellenletzten der Bundesliga zu übernehmen. „Ich fühle mich noch frisch“, hatte der 62-Jährige Anfang März in der ARD erklärt. „Ich würde schon noch gerne eine schöne, große Aufgabe übernehmen. Gerne auch bei einem Traditionsverein.“
Auf Schalke war der Schwabe zweimal Trainer, der Klub ist ihm ans Herz gewachsen, seine Söhne sind damals glühende Fans geworden. Im Gegenzug sind bis heute viele Schalker Rangnick-Fans. Im Internet wurde eine Petition gestartet, bis Sonntagmittag hatten sich weit mehr als 30.000 Leute für Rangnick ausgesprochen. Der Aufsichtsrat ist weniger euphorisch. Weniger aufgrund der Person Rangnick, dem wahrscheinlich besten Fachmann für die Aufgabe, Klubs mit großem Potenzial aus einer unterklassigen Liga an die Spitze zu führen.
Die Vorbehalte entspringen eher der Vorgehensweise von Leuten, die gar keine Ämter im Klub haben. Wenn Rangnick kommt, gebührt die Anerkennung für dieses Vorgehen dem Kreis der Unterstützer um ehemalige Mitarbeiter, Sponsoren sowie Leute, die auf der Mitgliederversammlung im Juni für den Aufsichtsrat kandidieren wollen.
Das oberste Kontrollgremium des Klubs formulierte aber ebenfalls umgehend seine Wertschätzung für Rangnick: „Unabhängig von den Vorgängen ist und bleibt Ralf Rangnick ein hochgeschätzter Fachmann und gern gesehener Ex-Schalker.“ Es ist kaum vorstellbar, dass der Aufsichtsrat um den Juristen Buchta keine Verhandlungen mit Rangnick aufnimmt, der in seiner Rolle als Kandidat für den Bundestrainerposten vorige Woche sagte: „Im Moment bin ich frei.“
Rangnick als Sportvorstand zu gewinnen, wäre ein echter Coup für den darbenden Revierklub, zumal die „Geheim-Gruppierung“, hinter der nicht der ehemalige Aufsichtsratschef Clemens Tönnies steckt, auch noch bereit sein könnte, Geld für den direkten Wiederaufstieg zur Verfügung zu stellen.
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