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Datenschutz-RollbackNetzpromis hadern mit Facebook

Für Web-Unternehmer Jason Calacanis ist das soziale Netzwerk vielleicht "die unethischste Firma der Welt". Netzjournalist Dan Gillmor machte seinen Account gleich ganz dicht.

Facebook möchte, dass die User freizügiger sind mit ihren Infos. Bild: dpa

BERLIN taz | Wenn es um den Schutz der Privatsphäre seiner Nutzer geht, trat das soziale Netzwerk Facebook mit mittlerweile über 300 Millionen Mitgliedern schon des Öfteren in kleinere wie größere Fettnäpfchen. Da war zunächst im Jahr 2007 der Fall der umstrittenen Werbetechnik "Beacon", bei der die Seite auf fremden Web-Angeboten erledigte Shopping-Trips und andere Netzaktivitäten von eBay bis New York Times in alle Welt (bzw. den Freundeskreis der jeweiligen Person) posaunte, ohne dass das die Nutzer wirklich wollten. 2008 zeigte dann die BBC-Sendung "Click", wie man mit den beliebten Facebook-Anwendungen erstaunlich problemlos sensible Daten absaugen konnte. 2009 schließlich stellte der Datenschutzbeauftragte Kanadas fest, dass Facebook in wichtigen Bereichen gegen örtliches Recht verstößt - etwa dadurch, dass auch durch Nutzer gelöschte Profile noch lange auf den Servern der Firma weiter existierten.

Die jüngste Datenschutzkrise des sozialen Netzwerks ist nur wenige Tage alt: Seit letzter Woche existieren "vereinfachte und bessere" Einstellmöglichkeiten, die den Schutz der Privatsphäre bei Facebook erleichtern sollen, wie Firmengründer Mark Zuckerberg in einer Botschaft an die Mitglieder schrieb. Seither wird jeder User beim Einloggen dazu gezwungen, seine "Privacy Options" zu verändern. Doch die bewirken, wenn man den Standardvorgaben der Firma folgt, das Gegenteil von Datenschutz: Man öffnet wichtige Teile seines Profils "everyone" - sprich, dem Rest der Menschheit, was potenziell auch einfach zu bedienende Suchmaschinen wie Google einschließen könnte, von denen sich Facebook demnächst indexieren lassen will.

Die privatsphärenfeindlichen Default-Vorgaben sorgen seit einigen Tagen für einen Sturm der Entrüstung. Selbst langjährige Facebook-Nutzer erwägen, dem Dienst den Rücken zu kehren. Vor allem erheben aber Netzpromis ihre Stimme. Jason Calacanis, Gründer des viel gelesenen Blog-Netzwerks Weblogs, Inc. und Chef der Suchmaschine Mahalo, schrieb, Facebook sei "entweder die unethischste Firma der Welt oder schlicht dumm". Wenn ein Nutzer im Web mit neuen Bedingungen konfrontiert werde, drücke dieser häufig einfach auf "akzeptieren". "Wenn man sich aber [bei Facebook] einfach durchklickt, hat man alle privaten Informationen, inklusive Kommentare, Freunde und Status-Updates, für alle freigeschaltet." Facebook würde mit einem Klick völlig verändert - von einem sozialen Netz, in dem man sich dank feingliedriger Kontrolle, wer was zu sehen bekomme, sicher bewegen könne, hin zu einem offenen Angebot. "Ist Facebook derzeit das am wenigsten vertrauenswürdige Tech-Unternehmen der Welt?"

Calacanis postete seine Kritik bei Facebook - und bekam sofort von anderen Netzpromis wie dem Wall Street Journal-Technikjournalisten Walt Mossberg und Kara Swisher und dem Wired-Schreiber Adam Penenberg recht. Dan Gillmor, einer der Väter des Bürgerjournalismus im Netz, löschte seinen alten Facebook-Account öffentlich und demonstrativ. "Das ist ein Privatsphärenfiasko", schrieb er.

Warum Facebook einen derartigen Datenschutz-Rollback veranstaltet, ist derzeit noch Gegenstand von Spekulationen. In der Branche glaubt man, das Unternehmen suche vor allem nach einer Möglichkeit, die Seitenabrufe zu erhöhen und leide an "Twitter-Neid". Der einfach zu bedienende Kurznachrichtendienst ist standardmäßig von jedem User zu lesen, während Facebook stets wert auf vom Nutzer vorzugebende Netzwerke und Freundeslisten setzte. Das soziale Netzwerk versuchte seit längerem, seine Mitglieder dazu zu bewegen, mehr Inhalte mit "everyone" zu teilen, doch klappte das bislang kaum. Offenbar soll mit den neuen Einstellungen, die nur noch wirklich sensible Infos wie Telefonnummern auf Freunde beschränken, künftig standardmäßig (fast) alles offen sein.

Die Aktion beeinträchtigte auch einige Hollywood-VIPs. So wurde etwa die bislang geheime Freundesliste von Angelina Jolie plötzlich sichtbar, in der man dann den bislang nur Insidern bekannten Facebook-Namen von Ehemann Brad Pitt entziffern konnte. Selbst Facebook-Gründer Mark Zuckerberg schien mit den eigenen "Privacy Options" nicht recht klar zu kommen. Pünktlich zur Umstellung gab der ein Fotoalbum mit 300 teils privaten Fotos frei. In einem Facebook-Posting kommentierte er, das sei so beabsichtigt gewesen. Warum die meisten der Bilder etwas später wieder verschwanden, kommentierte der 25jährige nicht.

Privatsphären-Tipps von Valleywag

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