: Daten der Boykotteure wurden gut gelagert
■ Datenschutzbericht 1994 vorgestellt / Volkszählungsdaten erst nach 7 Jahren gelöscht / Sorge vor Behördenvernetzung
Bei der Präsentation des Jahresberichtes 1994 konnte sich der Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka gestern eine ironische Bemerkung nicht verkneifen. Manchmal richteten sich die Behörden nach den Empfehlungen seiner Mitarbeiter und manchmal eben nicht. „Und das lesen sie dann bei uns nach.“
Zum Beispiel das Statistische Landesamt: Im dortigen Computer der Bußgeldstelle wurden 1994 rund 4.700 Datensätze zu Volkszählungsboykotteuren gefunden – sieben Jahre nachdem die Kampagne beendet worden war.
Die Datenschützer stießen bei ihrer Recherche auch auf eine manuelle Mahnkartei mit Tausenden von Eintragungen aus dem Jahre 1987, der Hochphase der Antivolkszählungsbewegung. „Ich unterstelle mal Schlamperei“, meinte Garstka zum merkwürdigen Verhalten des Statistischen Landesamtes. Mittlerweile seien die Daten gelöscht.
Auf solche Mahnungen wird in den Behörden allerdings in den seltensten Fällen so zügig reagiert. Die bereits im Datenschutzbericht 1993 angemahnte Löschung von 217 Olympiagegnern im Polizeicomputer ISVB sei immer noch nicht vollständig erfolgt, mußte Garstka feststellen. Darüber hinaus seien 101 Olympiagegner in dem bundesweit zugänglichen Staatsschutz-Computer APIS erfaßt worden, obwohl dem Großteil der Betroffenen nur geringfügige Delikte vorgeworfen werden – etwa Farbschmierereien. Garstka hat die Behörden zur Löschung angemahnt, geschehen ist bislang wenig. Noch immer sind 98 Personen in der APIS-Datei gespeichert, wie die Berliner Datenschützer erst kürzlich bei einer Nachfrage erfahren haben.
Neben derartigen Einzelfällen macht den Datenschützern zunehmend die beschleunigte technische Entwicklung, etwa die zunehmende Vernetzung von Berliner Behörden, Kopfzerbrechen. Als Beispiel nannte Garstka das On-line-Verfahren, bei dem Mitarbeiter einer Behörde per Computer fast schrankenlos auf die Datensätze anderer Behörden zurückgreifen können. Hier lasse der Gesetzgeber noch immer weitgehende Eingriffe zu, so seine Kritik. Derzeit gebe es weder einen Berechtigungszugang für On-line-Nutzer noch die Pflicht der Behörden, den Weg des Datenaustausches nachzuweisen.
In diesem Zusammenhang verwies Garstka auf die derzeitige Umsetzung des Metropolitan Area Networks (MAN), mit dem die Datenstränge der Berliner Verwaltung künftig gebündelt werden. Problematisch sei auch hier die Zugangs- und Benutzerkontrolle. Severin Weiland
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