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Das, was das Wort beschreibt, gibt es

■ betr.: „Querdenker“, taz vom 19.2.94

„Querdenken“ in dem Sinne, wie sich heute das Wort verbreitet, ist eben gerade nicht identisch mit der Art von Nonkonformismus, wie er die 1968er-Bewegung usw. auszeichnet, die gegen konservative Haltungen revoltierte. Diese Art von Anderssein ist heute bereits allzuoft in den gängigen Links-Rechts-Denkschablonen festgefahren, während Querdenken sich definitionsgemäß gerade quer zu solchen und anderen polarisierten „Blöcken“ stellt und inhaltlich und differenzierend vorgeht. Da solche Tendenzen zugenommen haben und sich immer weniger Menschen vorkauen lassen wollen, was sie zu denken hätten, auch nicht von politischen FreundInnen, ist es keineswegs ein Zufall, daß das Wort Querdenker(In?) erst 1991 im Duden auftauchte. Das schließt nicht aus, daß es schon immer solche Menschen gab, die entwicklungsfähig blieben, statt sich durch ideologische Grenzen einmauern zu lassen. Ihre Rolle ist aber gerade in der Zeit der Rundum-Parteienverdrossenheit und der fehlenden Patentrezepte wichtiger geworden. Was nicht heißt, daß das heute einen anderen zum Beispiel Konfrontationskurs immer ersetzen könnte. Daß manche Leute inzwischen auch einfach auf dieser Welle reiten, ohne wirklich dazuzugehören, ist verständlich und spricht nicht gegen das Vorhandensein echter QuerdenkerInnen. Wer das Wort als solches als zu mißbraucht ansieht – fast alle gängigen politischen Begriffe sind eher noch mißbrauchter – mag eben das Wort ersetzen; das, was das Wort beschreibt, gibt es jedenfalls, ebenso wie es die extremen „Querköpfe“ auch weiterhin geben wird, wenn sie intellektuell wegerklärt würden. Hermann Benz,

Villingen-Schwenningen

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