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Archiv-Artikel

„Das sind keine Ideologen“

taz: Herr Eith, mit Boris Palmer regiert in Baden-Württemberg ein weiterer grüner Oberbürgermeister. Ist das die grüne Revolution von unten?

Ulrich Eith: Nein. Es spiegelt vielmehr die Wählerpotenziale der Grünen und ihre Ausrichtung in Baden-Württemberg: Sie zielen auf praktische Politik. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern verorten sich die Grünen hier realpolitisch, weniger links und weniger ideologisch. Dafür stehen Personen wie Dieter Salomon, Boris Palmer, Winfried Kretschmann oder auch Oswald Metzger.

Warum ist Ideologie im Südwesten nicht gefragt?

Das Land ist ländlich-kleinstädtisch strukturiert. Daher haben auch die Grünen, die hier vor allem aus der Anti-Atom-Bewegung und der Umweltschutzbewegung kommen, einen wertkonservativen Zug. Das kann man auch in Tübingen und Freiburg sehen. Die grünen Kandidaten schneiden gerade in bürgerlichen Stadtteilen sehr gut ab. Ihre Vorstellungen sind mit Teilen der Unionswählerschaft vereinbar.

Also sind die Grünen und die CDU die wahren Konkurrenten?

Im Prinzip schon, aber es gibt auch große Schnittmengen zwischen ihren Wählerschaften. Viele dieser Wähler erwarten, dass Technik und Umweltschutz in Einklang zu bringen sind, ebenso übrigens wie eine nachhaltige Haushaltssanierung mit sozialen Aspekten. Wenn die großen Parteien in den Städten kein sehr attraktives Personal haben, punkten die Grünen – mit Politikern wie Salomon und Palmer, die den realpolitischen Flügel repräsentieren.

Ist der pragmatische Politiker-Typus die Zukunft der Grünen auch im Bund?

Ich weiß nicht, ob das Modellcharakter hat. Die Grünen haben regional sehr unterschiedliche Wurzeln und Wählergruppen. In Berlin käme ein Boris Palmer sicher nicht sonderlich gut an. Genauso wenig wie Christian Ströbele als Oberbürgermeister in Tübingen oder Freiburg.

Das heißt, in Baden-Württemberg bleibt die Realisierung von Schwarz-Grün am wahrscheinlichsten?

Ich sehe das so. Auch wenn es bei Themen wie Migration oder Atomkraft schwierig wird. Aber bei Vorstellungen zur Rolle des Staates oder auch bei der Familienpolitik gibt es keine grundsätzlichen Unterschiede mehr. In Freiburg wird das deutlich: Schwarz-Grün wird geschlossen für den Verkauf städtischen Wohnungseigentums stimmen. INTERVIEW: THILO KNOTT