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Das politische Ende von Sebastian KurzMaster of Desaster

Robert Misik
Kommentar von Robert Misik

Der Egozentriker Sebastian Kurz hat Österreich polarisiert. Mitten in der Pandemie hinterlässt er nun einen gewaltigen Scherbenhaufen.

Als er noch oben war: Sebastian Kurz am Wahlabend 2019 Foto: Georg Hochmuth/APA/dpa

I m vergangenen Oktober erst trat er vom Kanzlerposten zurück, um sich in das Amt des ÖVP-Chefs und Fraktionsvorsitzenden zu flüchten. Jetzt gibt Sebastian Kurz auch diese Ämter auf und scheidet völlig aus der Politik aus. Was ihn dazu bewogen haben mag, ist noch nicht völlig klar. Kommen neue peinliche Enthüllungen und Ermittlungen auf ihn zu, von denen er schon weiß? Oder ist ihm einfach klar geworden, dass er sowieso keine Zukunft mehr hat in der Politik und als Kanzler nicht mehr zurückkehren kann? Haben ihm seine Parteigranden nachdrücklich deutlich gemacht, dass er den Platz frei machen muss für einen Neuanfang?

Über Jahre hinweg wurde er von seiner Partei, von Anhängern und auch weiten Teilen der Medien als „großes Talent“ gefeiert. Fähigkeiten als Kommunikator hatte er zweifellos ganz besondere. Als strategisch-taktisch gewiefter Machtpolitiker war er konkurrenzlos, er hätte auch durchaus die Anlagen gehabt, ein bemerkenswerter Politiker zu werden. Umso erschütternder ist das jämmerliche Ende seiner Karriere. Er scheiterte an seiner Egozentrik.

Sebastian Kurz hat das Land gespalten, die politische Gereiztheit geschürt, an der Polarisierung gearbeitet, wann immer es seinem Vorteil diente. Er scharte eine Kamarilla verschworener Strippenzieher und Prätorianer um sich, denen jedes Mittel recht war – und über deren Machenschaften er schließlich stolperte.

Kurz hinterlässt einen politischen Scherbenhaufen, der atemberaubend ist. In der Pandemiebekämpfung hat seine Regierung völlig versagt, das Land stolperte planlos in die Herbstwelle. Drei Viertel der Bevölkerung haben jedes Vertrauen in die Regierung verloren. Die politischen Diskurse sind vergiftet. Seine Partei ist völlig zerrüttet und in heller Panik, die Regierungskoalition von ÖVP und Grünen nur mehr zerstritten. All das, während Spitäler und Gesundheitssystem am Rande des Kollapses sind. Die Erleichterung über seinen Abgang stellt sich nicht so rasch her angesichts des kompletten Desasters, das er hinterlässt.

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Robert Misik
Geboren 1966, lebt und arbeitet in Wien. Journalist, Sachbuchautor, Ausstellungskurator, Theatermacher, Universaldilettant. taz-Kolumnist am Wochenende ("Der rote Faden"), als loser Autor der taz schon irgendwie ein Urgestein. Schreibt seit 1992 immer wieder für das Blatt. Buchveröffentlichungen wie "Genial dagegen", "Marx für Eilige" usw. Jüngste Veröffentlichungen: "Liebe in Zeiten des Kapitalismus" (2018) und zuletzt "Herrschaft der Niedertracht" (2019). Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik 2009, Preis der John Maynard Keynes Gesellschaft für Wirtschaftspublizistik 2019.
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3 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    In Brüssel ist noch ein Plätzchen frei!

  • Ersetze „Sebastian Kurz“ durch „Angela Merkel“ und der Artikel muss kaum geändert werden.

    • @Naturwissenschaftler:

      Na na na, so große Ohren wie der Kurz hat die Merkel schon mal nicht … auch hat sie der CDU keinen neuen Anstrich verpasst, wie Kurz es mit der ÖVP getan hat. Schwarz vermag das Braune immer noch besser zu übertünchen als Türkis.