Das „nötige Kleingeld“

Die Künstlerkolonie am Breitenbachplatz ist keine gewöhnliche Wohnsiedlung. In den Jahren 1927 und 1928 errichtet, sollten hier vor allem weniger gut betuchte Künstler Wohnraum finden.

Gebaut wurde die Siedlung, in der später unter anderem Mary Tucholsky, Ernst Bloch, Johannes R. Becher, Hans Scharoun, Joachim Ringelnatz und Axel Eggebrecht wohnten, von der Berufsgenossenschaft deutscher Bühnenangehöriger (GDBA). Einige der Mieter organisierten sich 1933 zur Selbstverteidigung.

Die Genossenschaft, die die Siedlung mit ihren 696 Wohnungen 1955 für 75.000 Mark an die damals noch gemeinnützige Gehag verkaufte, behielt sich für die Vergabe frei werdender Wohnungen allerdings ein Vorschlagsrecht vor. Beim jetzigen Verkauf der Kolonie an die Veba ließ die Gehag diesen Passus streichen.

Die Mieter, unter ihnen noch immer viele Künstler, wollen sich nun bei der GDBA dafür einsetzen, daß die Genossenschaft ihre Belegungsrechte einklagt und den Kaufvertrag anfechtet. Empörung herrscht unter den Mietern aber nicht nur über den überraschenden Verkauf der Wohnungen zum „Schleuderpreis“.

Auch die Äußerungen eines Veba-Vertreters, man brauche die Wohnungen für die eigenen Mitarbeiter, wenn man den Firmensitz von Bochum nach Berlin verlege, läßt die Mieter, trotz der vereinbarten Mieterrechte, aufhorchen.

Sie hätten durchaus Interesse daran, als Mietergenossenschaft die Wohnungen von der Gehag zu übernehmen. Für Gehag- Sprecher Tabaczynski ist das allerdings keine Frage. Man brauche das „nötige Kleingeld“ möglichst schnell, um in Britz Wohnungen instand zu setzen und zu renovieren.

Für den Stadtplaner Ekkehard Brunn, der, wie auch der Berliner Mieterverein, den Bewohnern der Künstlerkolonie zur Seite steht, ist vor allem der Zeitpunkt des Verkaufs ein Hinweis darauf, daß noch vor dem SPD-Parteitag und den Koalitionsverhandlungen Fakten geschaffen werden sollten. Uwe Rada