berliner szenen: Das neue Wild at Heart
Bauchansatz
Das Wild at Heart hat umgebaut. Der enge Durchgang zwischen Trinkraum und Bühne, in dem man sich früher zwischen frische Tätowierungen drücken musste, um die Live-Übertragung der Band auf einem wackeligen Hängebildschirm erahnen zu können, ist einem Durchbruch gewichen. Nun kann man von überall besser sehen und muss den Körperkontakt aufs Pogen beschränken. Bei American Heartbreak am Donnerstagabend pogen alle höflich um eine Japanerin mit Digicam herum, die mit dem Video der kalifornischen Punkband vielleicht mal eine Psychologie-Diplomarbeit illustriert: Der Sänger ist definitiv zu unsicher für einen Frontmann. Zuerst steht er mit dem Rücken zum Publikum wie Stuart Suttcliffe bei den Ur-Beatles. Irgendwann dreht er sich doch um, hüpft nervös von einem Turnschuh auf den anderen, klöppelt sich an den Haaren herum, zupft sein hochgerutschtes T-Shirt über den Kleine-italienischstämmige-Jungs-Bauchansatz runter, fährt sich durchs Gesicht und singt dann recht melodiös über das, was jungen Glampunkern so durch die S-S-Studioline-gestärkte Modefrisur geht: „I wish you were dead, sick and tired, postcards from hell“.
Turnschuhe sind in Kalifornien jedenfalls der letzte Schrei: die ganze Band trägt sie, der zweite Gitarrist hat jedoch nur einen an. Der andere Fuß ist geschient. Wahrscheinlich hat er zu sehr gerockt. Beim Pete-Townshend-mäßigen Armkreisen haut er auch gleich dem Schlagzeuger ganz zart auf die Hi-Hat. Bands, die sympathischerweise weder den Erfolg von Limp Bizkit oder Linkin Park noch die Teeniekompatibilität von GreenDay haben, aber eine Melange aus allen sind, muss es schließlich auch geben. Genau wie zweite Besetzungen.
JENNI ZYLKA
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