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Press-SchlagDas letzte Tabu

■ Warum spricht keiner vom Rückrundenschreck MSV?

Angesichts immer wahnwitziger werdender Talkshows gibt es kaum noch Tabus: Sodomie, Nekrophilie, Philatelie. Nur bei einem Thema schweigt die Öffentlichkeit unangenehm berührt: MSV Duisburg. Warum, verdammt noch mal, redet niemand über den MSV?

Der MSV ist so etwas wie die Mannschaft der Stunde: Das 2:0 gegen Werder Bremen war der fünfte Sieg in sieben Spielen, die Mannschaft ist die drittbeste der Rückrunde. In der Tabelle liegen die Duisburger nur noch einen Punkt hinter 1860 München, wo bis vor wenigen Tagen noch impertinent von der Champions League gefaselt wurde. Wäre jetzt Schluß, hätten sich die Jungs aus dem Ruhrgebiet für den UI-Cup qualifiziert. Dies ist zwar nur ein Geldbeschaffungswettbewerb – aber auch für Klubs wie den VfB Stuttgart oder Schalke ein durchaus erstrebenswertes Ziel. Also: Warum wird Duisburg ignoriert?

Ein Grund ist, daß die PR-Abteilung des MSV offensichtlich nicht für die Transfers zuständig ist. Die wenigen Charakterköpfe der jüngeren Vereinsgeschichte sind alle weg. Joachim „gerade noch bei Thyssen, jetzt schon im Wedaustadion“ Hopp gibt seine kultigen Ruhrpott-Slang-Interviews für RW Oberhausen. Thomas Gill, dessen Blick vermutlich selbst Oliver Kahn einschüchtert, hat den Klub ebenfalls verlassen. Und mit Bachirou Salou und Michael Zeyer ließ der MSV seine herausragenden Akteure zu finanzkräftigeren Vereinen ziehen – weshalb ihn viele zum Abstiegskandidaten erklärten. Geblieben ist Wolfgang, quatsch, Friedhelm Funkel eine Ansammlung ziemlich farbloser Fußballer. Doch dies reicht als Erklärung für das Desinteresse kaum aus.

Das Schicksal einer schwierigen Position auf dem Transfermarkt teilt Duisburg mit anderen Klubs. Bei denen führt strukturelle Unterlegenheit zu einem öffentlichen Sympathiebonus. Das Paradebeispiel ist der SC Freiburg. Der Sportfan mag traditionell die Schwachen – und dennoch nicht den MSV Duisburg, wie der zweitschlechteste Zuschauerschnitt der Liga beweist. Das liegt wohl auch am Stil der Elf. Die Freiburger – oder auch die jungen Bochumer – stürzen sich oft mit flottem Kurzpaßspiel in tragische Niederlagen. Doch wenn der MSV verliert, dann völlig zu Recht. Und wenn die Duisburger gewinnen, dann aufgrund ihres tollen Keepers Gintaras Stauce, ihres tadellosen Zweikampfverhaltens, ihrer disziplinierten Deckung und ihrer stringent vorgetragenen Konter. Richtig mitreißend ist das nicht.

Vermutlich weiß das auch der sympathisch-bescheidene Funkel. „Wir haben sogar ein paar spielerische Akzente gesetzt“, meinte er nach dem Sieg gegen Bremen. Das klang ganz schön erstaunt. Zum Sprung auf den achten Platz sagte er: „Das war ein Meilenstein in Richtung Klassenerhalt.“ Wow, das sind die Knallerzitate, die in „ran“-geprägten Fußballzeiten gefragt sind. Markus Geling

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