Das kommt auch: Da keimt Mitleid auf
Warum nur wird der Schostok-Prozess, der am Dienstag vorm Landgericht Hannover beginnt, nicht die große Show werden? Für alle die es vergessen haben: Stefan Schostok (SPD) war Oberbürgermeister von Hannover, bis er im April zurücktrat infolge der Rathaus-Affäre. Und normalerweise, wenn einer von „denen da oben“ vor Gericht gezerrt wird, ist das Hallo groß: Da war der Typ aus Nordenham, der verknackt wurde wegen versuchter Bestechung und Bestechlichkeit, und deshalb dort nicht mehr Bürgermeister sein durfte. Und da war der Fall aus Hildesheim, wo der Stadt-Chef mithilfe des nonchalant „pecunia non olet“ betitelten Vereins seine Herrschaftsposition festigte und die Geschicke der Stadt der parlamentarischen Kontrolle entzog: Der Strafprozess hatte was von Spektakel, und alle nannten den Mann nur König Kurt.
Niemand wird Schostok je für einen König halten. Das liegt nicht daran, dass er Mitglied einer siechen Partei ist. Es liegt an ihm: Zumal mit der Amtskette des Oberbürgermeisters sah er aus wie ein liebes, spät entwickeltes Kind, das vergessen hat, die Faschingsmaske abzuziehen, von der nicht klar ist, was sie darstellen sollte: Ging der Bub als Schweinchen Dick oder war es eher Dumbo? Sicher ist nur: Wenn Dumbo vor Gericht steht, stellen sich Spott, Häme und Schadenfreude nicht ein. Dann keimt eher so etwas wie Mitleid.
Tatsächlich besticht ja die Rathaus-Affäre eher durch ihre Blödheit: Man versucht erst, jemandem die Besoldung zu erhöhen, erkundigt sich, ob der Weg zulässig ist, erhält ausschließlich negative Antworten – und macht es trotzdem: Wie doof kann man sein? Da ist kein Witz und keine Raffinesse drin, sondern einfach der intellektuelle Mangel, einzusehen, dass man zwar Oberbürgermeister heißen kann, aber trotz aller Machtinsignien nicht jenseits der beamtenrechtlichen Bestimmungen steht, dass man nicht Alleinherrscher über das Geld der Stadt ist, dass man nicht einfach guten Freunden was Gutes tun darf. Dass all das, was ein Kind für Regieren halten würde, nicht stattfindet.
Selbstverständlich ist es gut, Kindern klar zu machen, dass weder Weihnachtsmänner noch die Hexe Befana die Geschenke im Media-Markt geshoppt haben, sondern die Großeltern. Jedes Kind muss einmal den Elefantenkopf ablegen, der es unangreifbar gemacht und ihm Flügel verleiht hat, wenn auch nur in der Fantasie. Aber der Verlust des Glaubens an die so tröstliche Möglichkeit der Allmacht hat stets auch etwas Trauriges. Tja, Genosse Stefan, da müssen wir jetzt durch. Benno Schirrmeister
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