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„Das ist doch die reine Behördenschikane“

■ Weil sechs Jugendliche eines Berufsorientierungsprojekts in Kreuzberg mehrfach kurzfristig krank geschrieben waren, verloren sie ihre ABM-Stellen / BetreuerInnen des Projekts werten fristlose Kündigungen als Willkürmaßnahme / Behörde wollte „Denkzettel verpassen“

Möglicherweise „nur“ wegen des Wechsels eines zuständigen Sachbearbeiters haben sechs Jugendliche des Kreuzberger Berufsorientierungsprojektes „Grüne Weiche Görlitzer Park“ in den letzten zwei Wochen ihre ABM-Stelle verloren. Ihnen wurde ohne vorherige Abmahnung gekündigt, weil sie mehrfach kurzfristig krank geschrieben waren und einzelne unentschuldigte Fehltage hatten. Die pädagogischen und fachlichen Betreuer des Projektes, das Jugendliche in die Arbeit im Gartenbau einführt und mit 19 Wochenstunden außerdem auf den Hauptschulabschluß vorbereiten soll, waren von der Maßnahme ebenso überrascht wie die betroffenen Jugendlichen. Sie sind sich sicher, daß die Kündigungen in erster Linie auf den Austausch des zuständigen Sachbearbeiters im Senat für Wirtschaft und Arbeit zurückzuführen ist, der Träger der ABM-Stellen und somit der Arbeitgeber der Jugendlichen ist:

„An einem Montag im September hat eine neue Sachbearbeiterin den ABM-Bereich Kreuzberg übernommen“, erzählt eine Mitarbeiterin des Projektes, „sie sollte uns dann am Donnerstag vorgestellt werden; doch bereits am Dienstag lagen die Kündigungen im Briefkasten.“ Die SozialarbeiterInnen sind empört, daß sie vorher weder über die Kündigung informiert noch um Auskunft über die Betroffenen gebeten wurden. Da das Projekt keine reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, sondern eine sogenannte AB- und Lernmaßnahme darstellt, die neben der Tätigkeit im Gartenbau die Vorbereitung auf den Hauptschulabschluß mit einschließt, sehen sie nun ihre sozialpädagogische Arbeit vor Ort gefährdet. „Unsere Hauptaufgabe besteht vor allem darin, die oft jahrelang arbeitslosen Jugendlichen überhaupt erst wieder für eine geregelte Arbeit zu motivieren“, so ein Betreuer.

Völlig im Dunkeln bleiben auch die Maßstäbe, nach denen die Behörde handelte. Bislang verwies sie nur auf die eigene Erfahrung und teilte mit, daß sich so ein „Denkzettel“ für die Jugendlichen sicherlich positiv auswirken werde. Ein Sozialarbeiter: „Das ist alles eine unheimliche Sauerei. Unter den Gekündigten sind drei, die sich gerade in letzter Zeit unheimlich gesteigert hatten und gute Chancen hatten, den Abschluß zu schaffen.“ Ihnen werden ganze zwei unentschuldigte Fehltage zur Last gelegt, und bei den beanstandeten Krankmeldungen handelt es sich samt und sonders um ärztlich attestierte.

Rechtlich ist gegen diese Entscheidung jedoch kaum Einspruch möglich. Da die Jugendlichen als Arbeiter eingestellt wurden, kann eine Kündigung jederzeit auch ohne vorherige Abmahnung ausgesprochen werden. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde, die ein Rechtsanwalt der Gekündigten mittlerweile einlegte, hat daher auch nur geringe Aussicht auf Erfolg. Für die TeilnehmerInnen des Berufsorientierungsprojekts jedenfalls steht eines fest: „Das ist doch die reine Behördenschikane.“

Christine Dankbar

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