: Das ist auch wieder sone Frage
■ 15. Bremer Literaturgespräch: Jürgen Breest, Peter O. Chotiewitz und Pieke Biermann lasen vor, letztere jedenfalls mit Witz / Diskussion nein danke
Ja, wie soll ich das mal sagen, weil ich nicht einfach sagen kann, daß es unsäglich war und die nichts verpaßt haben, die nicht da waren, denn das war erstens beim ersten Literaturgespräch noch viel stärker der Fall und auch da kein Grund, die Informationspflicht zu verletzen. Also, es war so, der einzige echte Bestsellerautor, Hans Hellmut Kirst, der ja irgendwann nach Bremen gezogen ist, hatte sich auf einer Nordseeinsel erkältet, mittags um zwei vor der Lesung und gleich abgesagt, dafür war Jürgen Breest gekommen, ein Fernsehredakteur, nett, grauhaarig, der garantiert „nicht in der Dienstzeit“, aber zur Rekreation Krimis schreibt. Aus einem davon, wo's ganz witzig um Kunstraub und Mord durch Aids ging, hat er vorgelesen. Und dann hat noch der Chotjewitz Peter O. vorgelesen aus seinen „Herren des Morgengrauens“, im Stehen, bißchen Bauch, aber auch schon Jahrgang 39, und hat zwei Stunden später verraten, daß er sich immer noch als Marxist fühlt und er findet, daß wir alle einen politischen Auftrag haben, egal ob wirs's glauben oder nicht, weil es nämlich eigentlich um AutorInnen gehen sollte, die alle Unterhaltungsliteratur schreiben und zugleich politisch, also aufklärerisch, wirken wollen.
Jedenfalls hat das, nachdem von 8 bis 10 Uhr (ja wirklich) alle was Unterhaltsames vorgelesen hatten und Moderator Jürgen Alberts in seiner launigen Art mit allen ein kleines Schwätzchen von Du zu Du gehalten hatte und dann zwanglos die Diskussion dem inzwischen zahlreich abbröckelnden Publikum zuspielte, ein Zuschauer aus dem Programmheft vorgelesen. Hat aber dann entschuldigend gemeint, daß die das Programm auf dem Podium bestimmt wieder nicht gekriegt hät
ten. Was aber wohl doch so war.
Ja, und dann ist noch Pieke Biermann dagewesen, die früher angeschafft hat und jetzt mit Literatur anschafft, und die hat auch vorgelesen aus ihrem Krimi „Das Kommissariat“. An dieser Stelle lassen wir einmal das Geleier, die war nämlich gar nicht unsäglich, sondern sagt in ihrem Krimi sehr witzige Dinge über eine Oberkommissarin, ihren duzplumpen Lover: „Das nächste Du überlebt er nicht“, einen schwulen Unterkommissar, der über Haar in uringelb und Yvesklein-Blau staunt. Pieke war auch die einzige, die Ansätze machte zu überlegen, ob ein netter Schwuler oder HIV-Infizierter in „O Gott, Herr Pfar
rer“ eigentlich schon der Aufklärung diene oder so etwas Ähnliches befördere, wie das, was früher „repressive Toleranz“ hieß. Jürgen Alberts überhörte solche Ansätze leutselig und fragte lieber mit dem Dampfhammer: „Aufklärung und Unterhaltung, schließen die sich aus.“ Breest, zu Recht zerquält: „Das ist auch wieder sone Frage, Herr Alberts!“
Auch die Tatsache, daß Pieke Biermann einen Unterschied sah zwischen E-(also ernster) und U-(also unterhaltsamer) Literatur, das aber nicht für einen Grund zur Hierarchisierung hielt, kapierte keiner der drei Herren, denen E wie U Jacke wie Hose war.
Uta Stolle
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