: Das illustrierte Tabu
Ab heute ist das „Caroline-Urteil“ in Kraft. Was müssen Medien bei Fotos von Prominenten künftig beachten? Eine kleine taz-Gebrauchsanleitung
VON CHRISTIAN RATH
Jetzt wird es ernst. Ab heute ist das Caroline-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) rechtskräftig. Die Bundesregierung hatte schon Anfang September auf mögliche Rechtsmittel verzichtet. Die Folgen für die Pressefreiheit sind spürbar – aber nicht so einschneidend, wie Verleger- und Journalistenverbände anprangern. Schauen wir uns doch mal diese vierzehn Fotos an:
Foto 1 (Caroline von Monaco verlässt das Haus): Solche Fotos sind nun ohne Einverständnis der Prinzessin unzulässig. Nach Ansicht des Straßburger Gerichts besteht an privaten Details aus Carolines Leben kein vorrangiges öffentliches Interesse.
Foto 2 (Caroline steht in Moskau auf dem Roten Platz): Dieses Motiv ist künftig ebenfalls nur mit Einwilligung der Prinzessin zulässig. Die Öffentlichkeit hat kein legitimes Interesse zu erfahren, wo sich diese gerade aufhält.
Foto 3 (Caroline trifft ihren Stalljungen im Stehcafé): Auch auf solche Fotos muss man künftig verzichten. Ob Caroline sich zu dem Stalljungen hingezogen fühlt, ist sicher eine Frage, die viele Menschen interessiert. Die bloße Neugier rechtfertigt jedoch nicht den Eingriff in Carolines Persönlichkeitsrecht.
Foto 4 (Caroline kauft einen Pelzmantel): Dieses Motiv dürfte auch künftig zulässig sein, denn es stellt einen Beitrag zu einer öffentlichen Debatte dar. Bei der Frage, ob der Kauf von Pelzkleidung ethisch vertretbar ist, dürfte gerade das Verhalten von Prominenten Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung haben.
Foto 5 (Oliver Kahn trifft sich außerhalb des Stadions mit einer blonden Frau): Auch der Bayern-Torhüter dürfte vom Caroline-Urteil profitieren. Da er kein politisches Amt bekleidet, ist sein Privatleben künftig besser geschützt. Mit wem er sich privat trifft, ist seine Sache.
Foto 6 (Dieter Bohlen sitzt betrunken an der Bar): Wenn das Foto einen Beitrag über Alkoholmissbrauch illustriert, könnte das Motiv zulässig sein. In der Yellow-Press ist deshalb wohl eine Welle der Sozialkritik zu erwarten. Bohlen dürfte dabei aber nicht bloßgestellt werden. Das ergibt sich bereits aus dem Grundgesetz und ist keine Folge des Caroline-Urteils.
Foto 7 (Joschka Fischer bummelt mit einer unbekannten Frau): Dieses Foto bleibt zulässig. Denn nach Straßburger Ansicht müssen Personen, die ein offizielles Amt bekleiden, auch das Interesse der Öffentlichkeit an ihrem Privatleben dulden. Hier hatte der Gerichtshof keine Einwände gegen die großzügige deutsche Rechtsprechung.
Foto 8 und 9 (Jürgen Trittin kauft eine Einwegflasche. Wolfgang Clement beschäftigt eine Putzfrau auf Ein-Euro-Basis): Politisch inkonsequentes Verhalten und Skandale im privaten Bereich können bei Amtsinhabern natürlich auch weiterhin dokumentiert werden. Alle anders lautenden Behauptungen waren blanke Demagogie.
Foto 10 (Peter Struck sitzt im Lungensanatorium): Auch der Gesundheitszustand eines Ministers kann dokumentiert werden – vor allem wenn er behauptet, er hätte nur Husten.
Einige wichtige Einschränkungen für Pressefotografen bestehen unabhängig vom Caroline-Urteil:
Foto 11 (Angela Merkel tuschelt mit Edmund Stoiber in einem lauschigen Weinlokal): Auch in der Öffentlichkeit gibt es „Orte der Abgeschiedenheit“, wo Personen der Zeitgeschichte nicht fotografiert werden dürfen, so der Bundesgerichtshof 1995. Wer beobachtet, wie Stoiber Merkels Hand streichelt, darf aber darüber schreiben.
Foto 12 (Gerhard Schröder betritt mit drei Kindern eine Adoptionsberatungsstelle): Kinder von Prominenten sind tabu, um ihre ungestörte Entwicklung zu schützen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht 1999 entschieden.
Foto 13 (Ein schöner Mann sitzt auf einer Parkbank): Wer ihn fotografieren will, muss ihn fragen, denn er ist keine Person der Zeitgeschichte. So die Regelung im Kunsturhebergesetz aus dem Jahr 1907.
Foto 14 (Ein schöner Mann sitzt zu Hause auf dem Sofa. Es ist Guido Westerwelle): Fotos aus der Privatsphäre dürfen auch bei Promis nur mit deren Einverständnis entstehen. Dort gilt auch für sie das „Recht am eigenen Bild“.