: Das iberische Tennis-Hoch ...
■ ... ist anhaltend stabil trotz Daviscup-Viertelfinale
Halle (taz) – Lange Zeit hatten die spanischen Medien ihre liebe Mühe mit der Schüchternheit ihres tennisspielenden Landsmannes Sergi Bruguera, doch seitdem dessen spielerische Ambitionen im letzten Jahr in Paris in einem ersten Grand-Slam-Titel kulminierten, seitdem hat auch Brugueras Eloquenz Auftrieb erhalten. Seinen Kollegen Burillo, Carbonell und Costa voran, fertigte der gereifte Bruguera im Daviscup-Viertelfinale den deutschen Repräsentanten Goellner mit 7:6, 6:3, 6:2 ab und vollendete dann dessen Demütigung in der Pressekonferenz, als er sich erinnerte, daß „ich mir mehr Sorgen über den Belag Rasen als den Gegner gemacht habe“.
Wenn der Sandplatzfanatiker, der zwischenzeitlich Wimbledon vier Jahre lang gemieden hatte, heute auch auf anderen Erdoberflächen antritt, dann weil er zur Not auch auf Kosten der Weltranglistenpunkte seine Allroundfähigkeiten perfektionieren muß.
Vor seinem Daviscup-Auftritt haderte der Weltranglistenvierte mit den ökonomischen Ungerechtigkeiten der Welt. „Weil die deutsche Wirtschaft viel stärker ist als die spanische, können hier bessere Voraussetzungen für sportliche Erfolge geschaffen werden. Mehr Trainer, mehr Plätze.“ Dabei muß sich Bruguera wie ein Filzkugel- Don-Quijote vorkommen, hatte seine Regierung, die Tennis im Jahr mit etwa drei Millionen Dollar subventioniert, doch nur wenige Tage zuvor ausgerechnet dem deutschen Volkswagenkonzern zur Sanierung dessen spanischer Tochtergesellschaft Seat Subventionen in Höhe von 300 Millionen Dollar zugesagt.
Daß die Spanier trotz jener finanziellen Verteilungsverhältnisse die derzeit aufstrebendste Tennis- Nation in Europa sind – in Paris gewann neben dem titelverteidigenden Bruguera dessen Landsfrau Sanchez-Vicario den Einzel-, der 17jährige Jacobo Diaz den Juniorentitel, in Wimbledon Conchita Martinez –, liegt noch immer an den Nachwirkungen der Olympischen Spiele von Barcelona. Um die Medaillenchancen im Gastgeberland zu forcieren, hatte der Staat Ende der 80er Jahre gemeinsam mit privaten Geldgebern den „Plan ADO“ konzipiert und in San Cugat, 20 Kilometer vor den Toren Barcelonas, ein Hochleistungszentrum für Sportler geschaffen, das je zur Hälfte vom Staat und der Region Katalonien getragen wird. Die Kapitale Kataloniens gelte traditionell als „das Tennis-Hollywood Spaniens“, grinst Agustin Pujol (45), der Präsident des spanischen Tennisverbandes, „weil viele Stars und alle Nachwuchsspieler früher oder später in die Region kommen“. Ein großer Teil der Olympia-Förderung sei dem Tennis zugute gekommen. Heute jedoch ist die finanzielle Entwicklung im spanischen Tennis rückläufig. Konnte der Verband 1991 noch mit einem Sechs-Millionen- Dollar-Budget arbeiten, so stehen 1994 nur noch fünf zur Verfügung, doch Pujol hofft, daß die sich nach zwei schweren Rezessionsjahren allmählich erholende spanische Wirtschaft künftig wieder mehr als die bisherigen 10 Prozent des Jahresbudgets seiner „Real Federacion“ tragen wird. Als positives Zeichen wertet er, daß im Dezember mit Sponsorenunterstützung erstmals seit 1990 wieder das spanische Masters ausgespielt werden kann. Die Veranstaltung mit den acht Top-Spielern des Landes war eingestellt worden, weil sie zuletzt Verluste von etwa 200.000 Mark pro Jahr beschert hatte.
Trotz Pujols Optimismus und des iberischen Tennis-Hochs kennt die Filzkugel-Passion der Landsleute Brugueras auch ihre Grenzen. Für Diego Armero (24) von der madrilenischen Tageszeitung El Mundo liegt Tennis in der spanischen Publikumsgunst „weit hinter Fußball und Basketball“, derzeit mit jeder Etappe von Indurain auch hinter Radrennen und manchmal sogar hinter Handball und der Formel 1. Ein Sieg gegen Deutschland wäre hilfreich, vor allem, weil bei einer günstigen Entwicklung zwei Heimspiele winken. Aber nachdem das Einzel Burillos gegen Stich und insbesondere das Doppel von Carbonell/Bruguera gegen Stich und Braasch verloren gegangen waren, droht dem spanischen Tennis-Vormarsch der Einhalt, während das Deutsche Dreitagegastspiel etwa 1,2 Millionen Mark gebracht haben soll.
Künftigen Rasenabenteuern werden Bruguera & Co. jedoch wohlpräparierter begegnen, denn der Tennis Club „Lopez Maeso“ zu Madrid hat vor wenigen Tagen den ersten Rasenplatz des Landes eingeweiht. Jörg Winterfeldt
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