Das heimliche Auge des BND

Ein Buch erregt Aufsehen: Der Friedensforscher Schmidt-Eenboom untersucht die Verbindungen deutscher Journalisten zum Bundesnachrichtendienst. Er nennt prominente Namen – viel mehr aber auch nicht  ■ Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) – Eigentlich ist alles gesagt. „Alles, was hier erzählt wird, beruht auf eigenen Recherchen. Namen sind meist absichtlich weggelassen. Wer in diesem Metier recherchiert, wer gar anschließend darüber schreibt oder spricht, muß wissen, daß dies gefährlich sein kann.“ Geschrieben hat das vor einem Dutzend Jahren Manfred Bissinger, heute Chefredakteur der Zeitschrift Die Woche. Es sind die einleitenden Sätze seines Aufsatzes „Bundesnachrichtendienst: Warum so viele Journalisten für den Geheimdienst arbeiten“. Manfred Bissinger stützte sich in seinem Aufsatz über die Verbindungen der Berufskollegen zu Geheimdiensten unter anderem auf eine lange Namensliste, die er einmal einsehen durfte. Kurz nach der Bildung der sozialliberalen Regierung in Bonn war eine Auflistung der „Pressesonderverbindungen“ des Bundesnachrichtendienstes erstellt worden – der Kanzleramtsminister Horst Ehmke versuchte damals, das dunkle Treiben des skandalgeschüttelten Pullacher Nachrichtendienstes ein wenig auszuleuchten.

Ein Vierteljahrhundert später ist diese Liste, die mit Stand von März 1970 230 Verbindungen des BND mit wohlbekannten Redaktionsmitgliedern aufzählt, erneut Ausgangspunkt einer Veröffentlichung. Der Weilheimer Friedensforscher Erich Schmidt-Eenboom, ein ausgewiesener Kenner des Pullacher Geheimdienstes, hat sie zur Grundlage seines Anfang dieser Woche veröffentlichten Buches „Undercover – Der BND und die deutschen Journalisten“ gemacht. Anders als Bissinger nennt Eenboom aber Namen – und prompt ist das neue Werk in aller Munde, hagelt es Dementis.

„Infam, wer da plötzlich alles ein Spion sein soll“, protestierte beispielsweise der Bonn-Kolumnist der Bild-Zeitung, Mainhard Graf von Nayhauß. „Über mich steht“, schreibt der Journalist empört im eigenen Blatt, „daß ich ... als BND-Konfident der Kategorie II, Deckname ,Nienburg‘ gegolten hätte. Beweis meiner Undercover- Tätigkeit: Ein Artikel aus den fünfziger Jahren gegen den Verfassungsschutz.“ Auch die Herausgeberin der Zeit, Marion Gräfin Dönhoff, ist in der Liste aufgeführt.

Ein ganzes Kapitel widmet Eenboom der First Lady des bundesdeutschen Journalismus. Er läßt sie selbst zu Wort kommen, läßt sie sagen, „ich weiß wirklich nicht, was damit gemeint ist“. Dönhoff räumt ein, daß ein Mitarbeiter des BND „gelegentlich bei der Zeit vorbeikam und mit ... mir gesprochen hat, so, wie man mit irgend einem Fremden, der eine Zeitung besucht, spricht“. Eines aber berichtet Schmidt-Eenboom nicht: wie denn die „voll tragfähige Verbindung“ Dönhoffs zum BND ausgesehen haben könnte.

Statt dessen wirft der Autor der Journalistin vor, wohlwollende Porträts über den BND-Gründer Reinhard Gehlen verfaßt zu haben. Etwas nebulös flüchtet Eenboom sich denn auch in die Aussage, „die vorliegende Untersuchung soll jene oft verborgenen Episoden und Beziehungen aufdecken, die in ihrer Gesamtschau das Netzwerk der Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes erhellen, nicht etwa das Handeln der ins Visier genommenen Kontaktpersonen bewerten. In deren Leben sind die Kontakte zum Geheimdienst nur eine Facette. Für den BND hingegen addieren sich diese Facetten zu einem heimlichen Auge.“

Die Pullacher Behörde sah sich ebenso genötigt, eine Stellungnahme abzugeben. „Aus der damaligen Praxis der Vergabe von Decknamen und V-Nummern für Journalisten, die mit dem Bundesnachrichtendienst gesprochen hatten, läßt sich keineswegs ableiten, daß Journalisten operativ für den Bundesnachrichtendienst tätig waren.“ Das hat Eenboom auch gar nicht behauptet – und das ist die Crux seiner „Untersuchung“: Es ist nicht nachvollziehbar, worauf der Autor eigentlich hinauswill. Dem inszenierten Verdacht, die Pullacher Schlapphüte hätten über Journalisten PR in eigener Sache getrieben, darf man getrost die veröffentlichte Meinung über den BND entgegenstellen, die in aller Regel wenig schmeichelhaft für den Geheimdienst ausgefallen ist.

Natürlich waren und sind auch JournalistInnen den Geheimdiensten immer wieder unheimlich zu Diensten. Eenboom berichtet darüber aber nur am Rande. Ausdrücklich spart er sogar die aus, die unter der Legende „Journalist“ für einen Geheimdienst arbeiten. Schmidt-Eenboom setzt auf prominente Namen: Dönhoff, Nannen, Wagner, Boehnisch, alle standen sie irgendwie in Verbindung mit dem BND. Irgendwie halt, Genaues weiß man nicht. Nur: Wer sollte das Buch kaufen, wären die Namen nicht aufgeführt?