: Das große Rhababern -betr.: "Eier und geballte Fäuste im Steintor", taz-Bremen vom 8.10.1997
Betr.: „Eier und geballte Fäuste im Steintor“, taz vom 8.10
„Bärbel verkörpert mit hoher Wahrscheinlichkeit das radikal Dümmste, was je vom hiesigen Fernsehen ersonnen und eingesetzt ward, die, überlegt man's sich richtig, schlimmste und allerschlimmste Lärmmaschine der Neuzeit, das Topfgesicht der Neuen Welt, aus dem es faucht und faselt bar jeder Begrenzung.“So hat Jürgen Roth Bärbel Schäfer und ihre gleichnamige RTL-Unterhaltungssendung in seinem Pamphlet „Das große Rhababern“beschimpft. Keiner soll sagen, er habe das so oder so ähnlich nicht gewußt. Bei RTL macht Bärbel Schäfer am Nachmittag Unterhaltung, und diese Form von Unterhaltung scheint dem einen oder andern zu gefallen und anregenden Gesprächsstoff zu liefern. Dabei geht es nicht um Journalismus und schon gar nicht um Lebenshilfe. Insofern war die Sendung ein voller Erfolg: Je lauter,desto besser! Keiner soll behaupten, er habe ausgerechnet von Bärbel Schäfer und ihrer RTL-Krawall-show irgendein Problembewußtsein, irgendeine Form von ernsthafter Kommunikation oder gar Problemlösung erwartet. Der Skandal dieser nachmittäglichen Lärmattacke auf dem Ziegenmarkt im Steintor ist nicht, daß sich da ein paar Junkies und ihre selbsternannten Freunde mit Trillerpfeifen bewaffnet und einfach nur gezeigt haben, daß Lärm am besten mit Lärm begegnet werden kann. „Der Bärbel“haben sie damit vermutlich sogar einen Gefallen getan. Oder es ist ihr scheißegal. Der Skandal kann auch nicht sein, daß das Fernsehen (wider wessen Erwarten?) eben doch keinen Konfikt lösen konnte oder ihn sogar veschärft hat. Der Skandal ist, daß ein linksliberaler (sieht er sich so?) Lehrer (!) Unterhaltung, Krawall und Auseinandersetzung nicht auseinanderhalten kann oder will. Daß eine steintorsche Bürgerbewegung wirklich glaubt, sie könne durch irgendeinen überspannten Bärbel-Krawall ihren Vorgarten säubern. Die Junkies und ihre Freunde habe das Prinzip Show jedenfalls und offensichtlich klarer begriffen und zu bedienen gewußt, als es Herrn Schafheitlin und seiner „Bürgerbewegung“möglich war. Denn wenn's blind um den eigenen Vorgarten geht, dann scheint diesen Viertelbewohnern wirklich jedes Mittel recht. Auch dümmste Schlammschlachten. Das ist dann keine Frage mehr von links oder rechts, von liberal oder reaktionär, keine Generationenfrage mehr und auch keine von Wohnqualität oder Kultur oder Geschmack. Der Sieger ist ohnehin egal; die Lage im Viertel ist viel entspannter, als es die wahrhaben wollen, die ihre „Probleme“liebgewonnen und mittlerweile zum Lebensinhalt gemacht haben. Und die vorhandenen Probleme sind vermutlich nicht mit Platzverweisen und Klos zu lösen, sondern durch moderne Drogenpolitik. Ist dabei eine Partei“ernstzunehmen und wählbar, die im Viertel (oder sonstwo) ihre - jetzt muß man es ja sagen - heile RTL-Welt durchfighten will und die sich die Hilfe von Bärbel Schäfer & Co. ersehnt? Carsten Werner/
Junges Theater Bremen
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