■ Vom Fehlwurf zum Fehlwort: Das glibberige Weiße im gekochten Ei
Der Duden ist gelb. Das Postleitzahlenbuch auch. Ansonsten haben die beiden Standardnachschlagewerke nicht allzuviel gemeinsam. Außer Eintragungen wie Knoblauch (14715), Filz (56766), Möse (33397) oder Kotzen (14715). Auch die Wörter Langweiler (55758) und Sack (31061) kommen sowohl im Duden als auch im PLZ-Verzeichnis vor. Die Lücke beziehungsweise den Lückenbach (53520) zwischen beiden Wörterbüchern will jetzt ein Nachschlagewerk aus dem Eichborn Verlag überspringen – das „Fehlwörterbuch der deutschen Sprache“.
Fehlwörter, das sind Wörter, die fehlen. Etwa das für das „glibbrige Weiße eines zu kurz gekochten Eis“ oder das für „die kleinen Furchen, die sich während eines längeren Wannenbades an den Fingerkuppen bilden“. Oder das für „das kleine Tänzchen, welches eine unwuchtig beladene Wäscheschleuder aufführt“. Autor Albrecht Tiefenbacher und seinem Redaktionsteam war zunächst beim Frisbeespielen aufgefallen, daß ihnen für bestimmte Griffe die Begriffe fehlten. Sie bedienten sich schließlich bei Ortsnamen (Beispiel: Fehlwurf = Dollerup) und hatten bald öfter das Postleitzahlenbuch als die Wurfscheibe in der Hand. Dort stießen sie bald auf Hunderte von Fehlwörtern, die Aufklärung über „die wahre Bedeutung unserer Städtenamen“ versprachen. Etwa Klitschmar, Bademeusel und Visselhövede (s.o.)
Nachdem wir bereits alles wissen, „was Sie schon immer über die neuen Postleitzahlen wissen wollten“ (O-Ton Post), erfahren wir nun endlich, „was der Duden verschweigt“ (O-Ton Eichborn). Und zwar von Aachen („erleichtert aufstöhnen, wenn man endlich pinkeln kann“) bis Zyfflich („unzufrieden darüber, daß man mit seinem Namen ganz hinten im Alphabet steht“).
Aber auch jenseits von Erkelenz fehlte noch was. Milwaukee: „Das letzte musikalische Geräusch, das man im Walkman- Kopfhörer vernimmt, bevor die Batterien ganz den Geist aufgeben.“ Tel Aviv: „Hebräischer Ausruf; bedeutet soviel wie: ,Erzähl's doch deinem Frisör!‘.“ Linz: „Zielgenau und schmerzhaft ins Auge schießender Saftstrahl beim Pellen einer hartnäckig an ihrer Schale hängenden Apfelsine.“ Bellinzona: „Ein Hund in der DDR (veraltet).“
Daß der Satiriker Douglas Adams bereits 1989 eine britische Fehlwörterversion herausbrachte („The Deeper Meaning Of Liff“) und diese 1992 auch ins Deutsche übertragen wurde („Der tiefere Sinn des Labenz“) ficht Autor Albrecht Tiefenbacher nicht an. Den Plagiatsvorwurf einer Leserin, daß „alles schon erfunden“ sei – im Anhang des Buches inklusive Briefwechsel dokumentiert –, konterte Tiefenabcher mit der Frage, ob sie denn wisse, „wie der Balken an der Supermarktkasse heißt, mit denen man seine Einkäufe von denen des nächsten Kunden trennt“? Die Postleitzahl dazu lautet: 19322. Philip Kahle
Albrecht Tiefenbacher: „Fehlwörterbuch der deutschen Sprache – Die wahre Bedeutung unserer Städtenamen“. Eichbon Verlag, Frankfurt/Main 1995, 90 Seiten, 16,80 DM
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen