■ Das erste Fernsehduell zwischen Bush, Clinton, Perot: Bush hat alles verspielt
Das hätten sich die größten Optimisten bei den Demokraten und die größten Pessimisten auf seiten der Republikaner nicht träumen lassen: George Bush ist in der Wählergunst so tief gesunken, daß er im Kampf um Stimmen Bill Clinton sogar mit dem KGB in Verbindung brachte. In der einen Hand die Dreckschleuder, in der anderen die neuesten Meinungsumfragen, mußte das Wahlkampfteam unter Leitung von Ex- Außenminister Baker jedoch wieder feststellen: Fehlanzeige. Schon die Entscheidung, den republikanischen Parteitag als Heerlager für den Kreuzzug gegen Homosexuelle, Karrierefrauen und Umweltschützer zu inszenieren und so das von Clinton besetzte Thema der Wirtschaftskrise zu umgehen, erwies sich als krasse Fehlkalkulation. Damit war Chance Nummer eins vertan, den Vorsprung des Demokraten aufzuholen. Auch die dirty campaign, die Negativkampagne gegen Clinton, wurde zum Bumerang für Bush. Denn er verspielte damit einen der wenigen verbliebenen Trümpfe: gegenüber seinem Herausforderer das Image des souveränen Amtsinhabers herauszukehren. Ein solcher aber muß nicht die Vogelscheuche KGB herauskramen, um Wählerstimmen zu gewinnen. Das tut nur einer, der weiß, daß er auf der Verliererstraße die Bremse nicht findet.
Die dritte und wohl letzte Chance für Bush sind die drei TV-Debatten — die direkte Konfrontation mit Clinton vor über 70 Millionen Zuschauern. Bei der ersten Debattenrunde am Sonntag abend konnte Bush keine Punktgewinne gegen Clinton verzeichnen. Mehr noch als Clinton stahl ihm Ross Perot die Show, jener Milliardär aus Texas, der mal Präsident werden will und mal nicht. An diesem Abend war seine frech formulierte Kritik an der Schuldenpolitik der USA und dem Bürokratenraumschiff in Washington allemal zugespitzter und unterhaltsamer als die einstudierten Antworten der beiden anderen Kandidaten.
Das Skandalöse an dieser Debatte war jedoch, daß die eigentlichen Skandale überhaupt nicht angesprochen wurden: kein Wort über George Bushs Verwicklung in den Iran-Contra-Skandal; kein Wort über jüngste Kongreß- und Presseberichte, wonach die Bush-Administration gerichtliche Ermittlungen über illegale Milliardenkredite an den Irak behindert hat. Bush kann sich damit trösten, daß seine präsidiale Fassade an diesem Abend nicht noch weiter zerbeult wurde. Die Ausgangslage bleibt unverändert: Aus eigener Kraft kann er diese Wahl nicht mehr gewinnen. Und Bill Clinton kann sie höchstens noch aus eigener Kraft verlieren. All das ändert nichts an dem Schwur, den George Bush letztes Jahr abgelegt hat: Er werde alles unternehmen, um wiedergewählt zu werden. Folglich soll niemand überrascht sein, wenn demnächst das Gerücht kursiert, Bill Clinton sei der heimliche Enkel von Nikita Chruschtschow. Andrea Böhm, Washington
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