Das deutsch-finnische Unentscheiden: Löw erfreut sich am Experiment
Weil das Spiel nach vorne gut funktioniert, ist der Bundestrainer mit dem 3:3 gegen Finnland zufrieden. Seine neu formierte Innenverteidigung, nimmt er in Schutz.
Er ist längst geadelt worden, aufgenommen worden in den Status eines Führungsspieler. Philipp Lahm hat am Mittwoch in Helsinki sein 50. Länderspiel gemacht. Es war eines seiner schlechtesten. Dass die deutschen Vizeweltmeister drei Gegentore gegen Finnland kassiert haben, lag auch an ihm, seinen Konzentrationsmängeln, seinem teilweise miserablen Stellungsspiel. Die Tauglichkeit für die deutsche Defensive wird ihm dennoch niemand absprechen. Er hat schon oft zeigen können, dass er etwas kann. In der deutschen Innenverteidigung spielten im zweiten WM-Qualifikationsspiel gegen die Finnen Heiko Westermann und Serdar Tasci. Sie waren auch nicht richtig gut an diesem Tag, standen oft ähnlich schlecht wie Philipp Lahm. Sie sind unerfahren im Nationalteam, sie konnten noch nicht zeigen, dass sie etwas können. Sie gelten als Problem.
Bundestrainer Joachim Löw hat die Fehler von Westermann (6 Länderspiele) und Tasci (3 Länderspiele) sehr wohl gesehen. "Wenn man 3:3 spielt, dann hat nicht immer alles geklappt", sagte er nach dem Spiel und sprach die Schwierigkeiten seiner Verteidiger bei hohen Bällen an, beklagte die mangelnde Abstimmung in der Defensive. "Wir werden weiter versuchen, diese Dinge besser zu machen", fügte er an. Es ist davon auszugehen, dass er weiterarbeiten wird mit Westermann und Tasci.
Zwar wird er auf Per Mertesacker nicht verzichten wollen, wenn der wieder genesen ist. Doch einer scheint fürs Erste ausgedient zu haben: Christoph Metzelder, der Erfahrene, der Vizeweltmeister, der Vizeeuropameister, der WM-Dritte, saß am Mittwoch nur auf der Bank. Bei der EM hat er seine Verzichtbarkeit mehr als einmal unter Beweis gestellt. Auch weil er sich auf Metzelder nicht verlassen kann, ist Löw beinahe dazu gezwungen, in der Defensive zu experimentieren. Er hat bewiesen, dass er den Mut dazu hat, seine Versuche auch in einem Qualifikationsspiel durchzuführen.
Löw malt die Zukunft des deutschen Fußballs immer wieder in den schönsten Farben. Er spricht dann von einem Pool von 30 Spielern, aus denen sich eine neue Stammformation entwickeln werde. Er weiß, dass er die Spieler fördern muss, damit sie sich entwickeln können. Löw am Mittwoch: "Ich sehe für beide Innenverteidiger sehr gute Perspektiven."
Es ist noch nicht lange her, da war ein Bundestrainer schon einmal gezwungen, in der Innenverteidigung zu experimentieren. Jürgen Klinsmann baute einen gewissen Per Mertesacker über regelmäßige Einsätze im Nationalteam zu einem Spieler von internationalem Format auf. Mertesacker spielte sein erstes Turnier, den Confed Cup 2005, da hatte er gerade einmal sechs Länderspiele absolviert. Er setzte sich durch, als noch ein gewisser Christian Wörns Ansprüche auf einen Platz in der Viererkette angemeldet hat. Mertesacker war eines jener viel diskutierten Klinsmann-Experimente. Es hat mehr als gut funktioniert.
Jetzt experimentiert Joachim Löw. Und er hat offensichtlich seinen Spaß daran. Weil das Spiel nach vorne am Mittwoch teilweise richtig gut funktioniert hat, strahlte Löw nach dem Schlusspfiff und hatte so recht keine Lust, über die Mängel im deutschen Spiel zu sprechen. Die "Wucht", mit der die Mannschaften aufeinandergeprallt sind, hat es ihm angetan. Er hatte "ein tolles Spiel" gesehen, einen Dreifachtorschützen Miroslav Klose, der "klasse gespielt" hat, eine deutsche Mannschaft, die auch dann sicher kombiniert hat, wenn sich die Finnen ganz weit zurückgezogen haben. Löw konnte sich freuen über die "tolle Moral" der Mannschaft, die dreimal einen Rückstand ausgleichen konnte.
Das Spiel nach vorne läuft. Das könnte Löw Lust machen auf Experimente in der Offensive. Im Elitepool des Bundestrainers sind etliche Stürmer, die den Durchbruch schaffen können. Da gibt es die Jungspunte Patrick Helmes und Marko Marin. Und da gibt es diesen Mario Gomez, dem es auch irgendwann gelingen wird, von der unfreiwilligen Knallcharge zu einem ernst zu nehmenden Stürmer zu werden.
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