Das Zweite versucht sich in neuen Medien: ZFD? ZDF? Hauptsache, sie sind drin
Viele junge Menschen sind im Internet und wenige junge Menschen schauen ZDF. Das möchte der Sender ändern und mehr Internet ins ZDF bringen.
BERLIN taz | "Jetzt sind die ganzen Spacken auch noch im ZFD?!" Schreibt Kommentator "7Voo" auf der deutschen Startseite der Videoplattform YouTube. Dort wurde kürzlich an oberster Stelle eine neue Produktion des Zweiten Deutschen Fernsehens angekündigt - eine Dokumentation über das Internet. Denn dort sind ebenjene so rüde als "Spacken" titulierte junge Leute unterwegs, von denen das ZDF so gerne mehr Zuschauer hätte, die dann vielleicht sogar wüssten, wie der Sender richtig geschrieben wird.
Die Aktion war erfolgreich: Angeschaut haben das 80-minütige Video 50.000 Besucher, über 1.000 kommentierten.
"Egal was ich tue, sie lieben es", heißt diese Dokumentation von Romy Steyer und ist der erste von vier Filmbeiträgen der Reihe "Bodybits - Analoge Körper in digitalen Zeiten", in der sich das ZDF mit dem Leben im und um das Internet beschäftigt.
Romy Steyer hat ihren Debütfilm dem realen Dasein der deutschen Internetberühmtheiten "HerrTutorial", "Y-Titty" und "DiamondOfTears" gewidmet, die jeweils einen der 100 meistabonnierten YouTube-Kanäle hierzulande betreiben.
Wenn "HerrTutorial", mit über 235.000 Abonnementen derzeit die Nummer 6 in Deutschland, sich mit seinen Fans in der echten Welt verabredet, läuft das in etwa so: Kleine Grüppchen Jugendlicher stehen sich schüchtern gegenüber, lächelt und winken einander zu. Alle haben Kameras, mit denen sie gemeinschaftlich und jeder für sich diese Szenerie festhalten. Das hat fast was von Monty Python.
Längst nicht alle lieben, was sie tun
Auch wenn die Beteiligten in solchen Extremmomenten befremdlich wirken, gelingt es dem Film doch sehr gut, die Welt von Jugendlichen darzustellen, die mit dem Internet von klein auf sozialisiert worden sind. Doch längst nicht alle lieben, was sie tun - siehe "7Voo". HerrTutorial muss sich teilweise gut überlegen, wo genau er in die Öffentlichkeit tritt, weil er so oft angefeindet wird.
Der zweite Film der Bodybits-Reihe "Alice 5.0" befasst sich ebenfalls mit der Selbstinszenierung im Internet. Eine Mischung aus düsterer Zukunftsvision und realistischer Dokumentation, eine Doku-Fiktion: Das Netz wird von nur mehr einem Unternehmen dominiert, dem Host-Konzern, der ein Netzwerk für alles geschaffen hat: Versicherung, Bank und was an Kommunikationsbedürfnissen so anfällt. Zusammen mit der Geschichte um den Protagonisten Prometheus, der als Aussteiger zurückgezogen in der Natur lebt, haben die Filmemacher Patrick Doberenz und Philipp Enders Interviewsequenzen von realen Fachleuten eingebaut, die ihre Einschätzungen zum Thema beisteuern.
Das ZDF tobt sich momentan intensiv auf dem Sektor der neuen Medien aus und wagt sich an die Möglichkeiten des Interaktiven. Die vier Bodybits-Filme wurden in einer Online-Projektausschreibung ausgesucht, die man im Internet mitverfolgen und kommentieren konnte. Der Krimi "Wer rettet Dina Foxx" - eine Geschichte um die Macht der Daten - wurde im Fernsehen angefangen, aber im Netz zu Ende erzählt. Auch künftig soll das Publikum des ZDF im Netz mitentscheiden.
Kritik an zu geringer Auflösung
Die beiden zuständigen Abteilungen beim Sender, das Kleine Fernsehspiel und die Zentralredaktion Neue Medien, haben verstanden, auf welchen Kanälen sie ein jüngeres Publikum erreichen müssen. Die Resonanz ist groß, zeigen aber, wie anspruchsvoll das Publikum in direktem Kontakt werden kann: Es gibt Kritik an der zu geringen Auflösung auf YouTube und an der Auswahl der Protagonisten: "Coldmirror fehlt da eindeutig, genauso wie "dieaussenseiter".
An all diesen Produktionen fällt zudem auf, dass sich die Digitalität der Projekte auch automatisch in der Thematik wiederspiegelt. Wenn etwas mit dem Internet gemacht wird, muss es auch ums Internet gehen. Dabei - und das sei dem ZDF an dieser Stelle verraten - gibt es noch eine Welt außerhalb des Netzes. Auch für Jugendliche.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“