: Das Zentralregister weiß es, du nicht
■ Im Bundeszentralregister speichern Daten über psychisch Kranke / Viele Betroffene erfahren es nie
Aus Frankfurt Ralf Volk
Die Eintragung einer psychischen Erkrankung im Bundeszentralregister ist möglich, ohne daß der Betroffene je davon erfährt - es sei denn, er bewirbt sich für den Öffentlichen Dienst. Im Fall eines ausländischen Arztes, der hier seine Approbation beantragte, wurde zufällig bekannt, daß seine psychische Erkrankung behördlich registriert wurde. Das Bundeszentralregister, eine Behörde der Bundesanwaltschaft, speichert Strafen, Ermittlungsverfahren und wegen Schuldunfähigkeit eingestellte Verfahren. Zudem sind dort alle in der BRD lebenden AusländerInnen zentral erfaßt. Im Rahmen der Amtshilfe bedienen sich Behörden bei einer bevorstehenden Einstellung dieser Daten. Bei dem Arzt wurde nun anläßlich einer routinemäßigen Nachfrage bei Ausländern festgestellt, daß eine psychische Erkrankung registriert war und damit eine Approbation nicht erteilt werden könne. Durch seinen Rechtsanwalt ließ der Arzt die Entstehung der Eintragung rekonstruieren. In einem früheren Scheidungsverfahren hatte seine Ehefrau im Streit um das Sorgerecht für die Kinder ihren Mann als psychisch krank bezeichnet und dies dem zuständigen Gesundheitsamt angezeigt. Fortsetzung auf Seite 2 Dieses bescheinigte ihm nach einem Gespräch „psychotisches Verhalten mit paranoider Symptomatik“. Als er nun anonyme Briefe an gemeinsame Bekannte des Ehepaares schrieb, kam es zu einer Strafanzeige wegen Verleumdung und Beleidigung. Die zuständige Staatsanwaltschaft fragte beim Gesundheitsamt nach und stellte dann das Verfahren ge gen den Arzt wegen Schuldunfähigkeit ein. Dem Betroffenen wurde nicht mitgeteilt, daß gegen ihn ermittelt wurde. Wie in solchen Fällen üblich, erging eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft an das Bundeszentralregister. Der Geschäftsführer der „Deutschen Gesellschaft für soziale Psychiatrie“ (DGSP), Lothar Evers, machte gestern auf einer Pressekonferenz in Offenbach deutlich, daß hier „die Staatsanwaltschaft ihre Fürsorgepflicht gegenüber dem Betroffenen“ verletze und dies kein Einzelfall sei. Er habe aufgrund seiner Recherchen beim Bundeszentralregister festgestellt, daß dort allein 137.000 Eintragungen wegen Schuldunfähigkeit vorlägen. Gut 12.000 davon seien durch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen in das Register gekommen, ohne daß gegen sie Anklage erhoben worden sei. In solchen Fällen sieht das Bundeszentralregistergesetz keine zwingende Mitteilung an den Beschuldigten vor. Evers nannte es „skandalös, daß ein Großteil der Registrierten nichts von ihrem Eintrag weiß“. Evers wandte sich mit der Bitte um Stellungnahme an den Bundesdatenschutzbeauftragten, der dem zuständigen Bundesjustizministerium empfahl, Eintragungen grundsätzlich den Betroffenen mitzuteilen. Die DGSP wolle sich nun dafür einsetzen, daß „alle bisher gespeicherten Personen eine nachträgliche Mitteilung bekommen und die Notwendigkeit der Erfassung überhaupt geprüft wird“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen