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Das Wetter: Einsam und verbittert

Resigniert hatte die große alte Dame der deutschen Verkehrsberuhigung feststellen müssen, dass ihre Dienste nicht länger gefragt waren. Hatten sich früher Menschenmassen an den Kreuzungen gedrängt, wenn Herlinde Barsingdorfin ihrem kehligen Damenbass anhub, ein allzu fordernd auftretendes Stoppschild in seine Schranken zu weisen oder einen frisch ausgewilderten Zebrastreifen an die Longe zu gewöhnen, so verirrte sich mittlerweile kaum mehr als eine Handvoll Enthusiasten zu ihren Darbietungen. Vorbei waren die Zeiten, da man bundesweit Autobahnen sperren ließ, damit die Barsingdorf in scharfem Ritt gen Rauxel preschte, um eine ausgerissene Entfernungstafel, die von der Meisterei nachlässig angeschirrt worden war, mit dem Lasso einzufangen. Heute ließ man die Dompteuse allenfalls zur Erbauung von Dreijährigen mit den Drempeln vor Kindergärten arbeiten. Verbittert zog sich die Barsingdorf auf eine einsame Verkehrsinsel zurück, die sie mit einem Rudel halbwilder Ampelmännchen teilte.

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