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Das Wackersdorf-Archiv bleibt privat

Mitgliederversammlung der Schwandorfer BI gegen Atomanlagen ändert Beschluss ihres Vorstands: Das bayerische Staatsarchiv kommt nun doch nicht zum Zuge  ■   Von Constanze Oehlrich

Berlin (taz) – „Die Schwandorfer Bürgerinitiative gegen Atomanlagen hat zehn Jahre nach dem Ende der geplanten Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf ihr gesamtes Archiv dem Freistaat Bayern zur Verfügung gestellt“, rauschte es vergangene Woche durch die Zeitungen. Daraufhin kam eine Protestwelle in Gang, die bis nach Österreich zu spüren war.

Die Übergabe der Dokumente stelle einen „Vertrauensbruch“ dar und sei im übrigen auch noch „gesetzwidrig“, so ein offener Brief des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU). Dass aus dem schon unterschriebenen Schenkungsvertrag zwischen der Schwandorfer Bürgerinitiative und dem Bayerischen Staatsarchiv nun doch nichts wird, hat allerdings andere Gründe.

Schon 1997 waren sich die Vorstandsmitglieder der Bürgerinitiative einig, dass die im Besitz der BI befindlichen Briefe, Dokumente, Dias und Videofilme archiviert werden sollen. Die Frage war nur, wo. „Die Suche nach einem geeigneten Lagerungsort war äußerst schwierig“, erzählt Ute Kirch, stellvertretende Vorstandssprecherin. Also kam das in der Oberpfalz gelegene Bayerische Staatsarchiv ins Spiel.

Bei einem Gespräch mit dem Archivar stellte sich heraus, dass die dortigen Lagerungsbedingungen einwandfrei seien, berichtet Kirch. Das Archiv sei diebstahlssicher, außerdem sei dort die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen gewährleistet. Denn „nach innen und nach außen“ gelte eine 30-jährige Schutzfrist. Während dieses Zeitraums könnten nur die Vorstandssprecher und bis zu zehn weitere, von der Bürgerinitiative zu benennenden Personen, die archivierten Unterlagen einsehen.

Natürlich habe die Staatsanwaltschaft bei Vorlage eines richterlichen Beschlusses Zugriff auf die Dokumente. Doch das sei bei jedem anderen Archiv auch der Fall. Also wurde auf der Vorstandssitzung vom 31. August dieses Jahres mit 4 zu 2 Stimmen beschlossen, dem Bayerischen Staatsarchiv 20 Videofilme, 200 mit Flugblättern, Schriftwechseln und Zeitungsausschnitten gefüllte Aktenordner und mehrere tausend Dias zu übereignen.

Eine der beiden Gegenstimmen war die von Irene Sturm. „Wir wären ja WAAhnsinnig, einer CSU Unterlagen zu geben, die acht Jahre lang versucht hat, die WAA in Wackersorf mit aller Gewalt durchzusetzen“, ärgerte sich die Vorstandssprecherin der Bürgerinitiative. Als dann bekannt wurde, dass die beiden stellvertretenden Vorstandssprecher am 9. September den Schenkungsvertrag mit dem Bayerischen Staatsarchiv hinter ihrem Rücken unterschrieben haben, setzte sich die ehemalige grüne Landtagsabgeordnete mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr.

Und war damit auch erfolgreich. EinJurist stellte fest, dass das Verhalten der beiden stellvertretenden Vorstandssprecher satzungswidrig war. Sturm war nicht verhindert, hätte den Vertrag also selbst unterzeichnen müssen. Die Vereinbarung ist damit nichtig. Auf der gestrigen Mitgliedervollversammlung wurde das Papier mit 16 zu 13 Stimmen abgelehnt. Zu tief sitzen die Ängste vor einem Staat, der vor noch nicht allzu langer Zeit mit Gummiknüppeln und Tränengas gegen seine demonstrierenden Bürger vorging.

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